warhol01Warhol, Shadows, Schatten

Bis zum 2. Oktober 2016 ist im Guggenheim Museum Bilbao erneut Andy Warhol zu sehen. Bereits im Jahr 2013 hatte der Parade-Vertreter des us-amerikanischen Pop-Art die Galerien des berühmten Museums in der bizkainischen Hautpstadt gefüllt. Nun ist seine Serie „Shadows“ an der Reihe (Sombras - Schatten), ein monumentales Werk, das aus 102 Einzelwerken besteht und im Gegensatz zu seiner sehr gegenständlichen Pop-Art eher abstrakt daherkommt. Mit Warhol hat das Museum somit seine Sommer-Attraktion.

Vom 26. Februar bis 2.Oktober 2016 stellt das Guggenheim Museum Bilbao erneut Andy Warhol aus. In diesem Fall ist die abstrakte Facette Warhols zu sehen, die Serie “Shadows“, eine Bilderserie mit besonders auffälligen Farben. „Shadows“ ist eine der sechs Serien, die Andy Warhol in seiner letzten Schaffens-Etappe beschäftigten. Es handelt sich um eine Bilderserie in schrillen Farben, die 1978/1979 kreiert wurde. Das Werk gehört der Stiftung Dia Art und wird nach Paris zum zweiten Mal in Europa ausgestellt, doch nie zuvor in seiner ganzen Länge, dies geschah nur 2012 in einer Washingtoner Galerie. Denn das Gesamtwerk erfordert genau 134,8 Meter Wand, gerade richtig für den Saal 105 des Guggenheim-Museums in Bilbao mit seinen tausend Quadratmetern Fläche. Wären es statt 102 Werken 103 gewesen, so gestand die Kuratorin der Ausstellung Lucía Agirre ein, hätte das Werk nicht in den Saal gepasst. Tatsächlich hatte der New Yorker Künstler 108 Gemälde erarbeitet, von denen jedoch nur 102 von der Stiftung gekauft wurden, die übrigen gingen an verschiedene private Sammlungen. (1) (2016-02-27)warhol02

Die Ausstellungs-Kommissarin konnte mit weiteren historischen Informationen aufwarten. „Das erste Mal, als die Ausstellung öffentlich gezeigt wurde, war in einer Galerie in Soho, New York, im Januar 1979. Dort wurden 83 Bilder gezeigt, jedoch nur 67 öffentlich (…) Es waren zwei Ausstellungen, eine private und eine öffentliche, und René Rochard sagte zu Warhol, sie sei ein dekoratives Werk, was den Künstler ziemlich erboste. In der Öffentlichkeit verlor er die Nerven. Später gab er zu, dass er sich dafür schämte“, erzählt Agirre. Warhol war mit vielen Kritiken konfrontiert. Ein „fades“ Werk, hieß es, „prahlerisch“, so die Kritiker. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn ins Visier nahmen, auch nicht das letzte Mal. Oft wurde sein Werk als oberflächlich, schlicht und kommerziell bezeichnet. Er wies dies zurück: „Mir gefällt das Plastische, ich will plastisch sein“. Was ihm ohne Zweifel am Meisten gefiel war die Provokation.

Zur Erinnerung

Andy Warhol (1928 bis 1987) war ein amerikanischer Künstler, Filmemacher und Verleger sowie Mitbegründer und bedeutendster Vertreter der amerikanischen Pop Art. Seine Karriere begann bereits in den 1950er Jahren als Grafiker und Illustrator für Mode-, Hochglanz- und Lifestyle-Magazine und entwickelte sich schnell. Er hinterließ ein umfangreiches Gesamtwerk, das von einfachen Werbegrafiken bis zu Gemälden, Objekten, Filmen und Büchern reicht. Zudem war er auch als Musikproduzent tätig. (2)

Schatten-Spiele

„Shadows“ ist eine der sechs Serien von abstrakter Ästhetik, die Warhol schuf als er um die 50 Jahre alt war. Die Serie beginnt mit dem Werk “Rost und Oxidierung”, einer Würdigung von Pollok, sie endet mit „Yarns“. Im Guggenheim-Museum wird das Gesamtwerk in derselben Aneinanderreihung gezeigt, wie es Warhols Assistenten Ronnie Cutrone und Stephen Mueller bereits 1979 für das New Yorker Publikum konzipiert hatten. Diesem System wurde auch bei folgenden Ausstellungen gefolgt.

Die Gemälde sind geprägt von 17 monochromen Farben, die von Limetten-Grün, über schillerndes Rosa, Mitternachts-Blau, Auberginen-Schwarz, Karminrot, Gelb und Silber reichen. Damit wollte Warhol verschiedene Techniken zum Ausdruck bringen.warhol03

Im Zentrum das Licht

Beim ersten Augenschein kann das Gesamtwerk etwas langweilig und wiederholend wirken. Um diesen Eindruck zu verdrängen, müssen die Leinwände im Detail betrachtet werden. Dann stellt das Auge fest, dass kein Teil wie das vorherige ist. Dafür sorgte der Künstler mit seiner Technik. Sie bestand darin, „zuerst eine monochrome (einfarbige) Basis auf die Leinwand zu drucken, und danach mit einem dicken acrylgefüllten Pinsel in anderer Farbe den Schatten aufzutragen. Schwarz für den Druck des Schattens, was den Eindruck eines Foto-Negativs erzeugt; und in anderer Farbe, um das Werk als Positiv erscheinen zu lassen“. Das enthüllte die Expertin Agirre. Nur in zwei der 102 Leinwände ersetzte Warhol das Schwarz mit einem Grau, um in seinen Kompositionen eine andere Art von Schatten zu erzeugen. In den Positiv- und Negativ-Kompositionen der Schatten, die dem Gesamtwerk seinen Namen gaben, dominieren zwei Figuren. Die eine ist groß und schmal und trägt den Namen „Peak“ (Spitze), die andere niedriger und rundlich, „Cap“ getauft (Hut).

Es handelt sich also – entgegen des oberflächlichen Eindrucks – um keine Wiederholung, jeder Schatten füllt einen anderen Raum und führt das Auge der Betrachterin zum Licht, dem zentralen Thema der Serie. Mit dem Schatten erzeugt Warhol das Licht, in Form kleiner Farbausbrüche. Dadurch kommt er zum fundamentalen Problem der Kunst zurück: der Wahrnehmung. Er selbst sagte, „wenn ich die Dinge betrachte, sehe ich immer den Raum, den sie ausfüllen. Ich wünsche mir immer, dass dieser Raum wieder erscheint, dass er zurück kommt, denn der Raum geht verloren, wenn ihn etwas ausfüllt“.

„Die Besucherinnen werden erstaunt sein von diesem Wandbild“, sagte Agirre voraus, außerdem haben sie die Gelegenheit, diese Serie mit einem Werk zu vergleichen, das im dritten Stock des Museums ausgestellt ist, die bekannte „Marilyn“-Serie. „In jener Serie weckt die Persönlichkeit der Ikone die Aufmerksamkeit, wie in den meisten Werken des Künstlers. Die Technik und die Farben treten in den Hintergrund. Bei Shadows ist das Gegenteil der Fall“.

Agirre betont, dass 37 Jahre nach Herstellung der Serie nach wie vor unbekannt ist, welches Objekt Warhol benutzte, um den Schatten zu projizieren, den er später auf die Leinwand brachte. Die Ausstellungs-Kommissarin erinnerte daran, dass Warhol selbst einmal erwähnte, die Figuren seien der Schatten eines Gegenstands, der sich damals in seinem Studio „The Factory“ befunden habe. Vielleicht lohnt die Mühe nicht, sich allzu viele Gedanken zu machen über die Arbeit des Künstlers. „Ich finde es besser, wenn das ein Geheimnis bleibt. Nie hat es mir gefallen, über meine Vergangenheit zu sprechen. Außerdem, jedes Mal wenn ich gefragt werde, erfinde ich eine neue Geschichte“, sagte Andy Warhol bei einer Gelegenheit. Das könnte das Interessante an der Geschichte sein. (1)warhol04

In jedem Fall hat die Baskenmetropole auch in diesem Sommer einen Anlass, neue Besuchs-Rekorde zu brechen und dem berühmten „Guggenheim-Effekt“ alle Ehre zu machen – so traurig es erscheinen mag, alles Interessante dieser Stadt auf einen einzigen Punkt zu reduzieren, der noch nicht einmal einen baskischen Charakter hat. Demnächst kommt im Museum die Spinnen-Frau Louise Bourgeois dazu, um die touristisch-kommerzielle Idylle am Fluss perfekt zu machen. Soll niemand erwarten, beim Besuch irgend etwas über die Stadt oder das Baskenland zu erfahren. Außer vielleicht über die Marketing-Strategien der bilbainischen Verwaltung.

ANMERKUNGEN:

(1) Der vorliegende Beitrag basiert auf Informationen aus dem Artikel “El Warhol más abstracto“ in der Tageszeitung Deia vom 26.2.2016 (Der abstrakteste Warhol), es handelt sich um keine Übersetzung. (Link)

(2) Andy Warhol (Wikipedia)

FOTOS:

(*) Alle Fotos aus der Tageszeitung Deia, von José Mari Martínez

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