Kunst oder Kitsch
Vom 9.Juni bis 27.September 2015 ist im bekanntesten Museum Bilbaos eine Retrospektive-Ausstellung von Jeff Koons zu sehen. Koons Verbindung zu Bilbao hat Geschichte: zur Eröffnung der Zweigstelle des New Yorker Museums sollte seine Hundeskulptur Puppy den Vorplatz des neuen Kunsttempels zieren. Das Tier kam so gut an beim auswärtigen Publikum, dass es blieb und wohl zum meistabgelichteten Fotomotiv der Stadt geworden ist. Dazu hat Koons auch dauerhaft Platz genommen auf dem G-Balkon.
(2015-06-04) Drei glitzernde Luftballons sind es, die über dem Nebelbassin des Titankolosses stehen – neben den Kugeln von Anish Kapoor das Einzige an Kunst, was fotografiert werden darf. Laut Internet verwendet Koons Aspekte der Konsumkultur und Werbung als Ausgangspunkte seiner Arbeiten, er imitiert oder verfremdet sie und bewegt sich damit am Rande des Urheberrechts. Ob es sich bei seinem Schaffen um Kitsch oder Kunst handelt ist eine nachrangige Frage, wie Warhol hatte er Erfolg damit. Seit der Versteigerung eines Balloon Dogs (Orange) 2013 für 58,4 Millionen US-Dollar im New Yorker Auktionshaus Christie's gilt Koons (*1955 in Pennsylvania) als der teuerste aktive Künstler. Ein künstlerisch-unternehmerischer Anstoß wurde ihm bereits in die Wiege gelegt, denn Papa war Innenausstatter und Besitzer eines Möbelgeschäfts und stellte des Sohnes Frühwerke im Laden aus. Neben dem Kunststudium war er jahrelang Broker an der Wall Street, Spezialität für Baumwollhandel.Seine erste Einzelausstellung fand 1980 im New Museum of Contemporary Art in New York statt. Bekannt wurde er zunächst durch fabrikneue Staubsauger und Poliermaschinen, die mit Leuchtstofflampen beleuchtet und in Plexiglas-Vitrinen ausgestellt waren, also Kunst wie du und ich. Für die Umsetzung seiner Projekte arbeitete Koons u.a. mit Wissenschaftlern und Nobelpreisträgern zusammen, er wurde den Neo-Konzept-Künstlern zugerechnet, später dem Neo-Geo-Stil. Weitere Werke waren mit Alkohol befüllte Edelstahlkaraffen, aufblasbare Häschen, ein dekorativ-kitschiges Schwein oder eine Porzellanskulptur von Michael Jackson. Koons suchte das große Publikum und fand es mit geringem intellektuellem Aufwand, in China gehören seine Arbeiten zu den meistkopierten Kunstgegenständen.
Um seiner Karriere einen Kick zu geben heiratete er die italienische Skandalpolitikerin und Pornodarstellerin Ilona Staller, die Medienwirkung war enorm. Schritt für Schritt wurde er zum meistdotierten lebenden Künstler, seine Skulpturen erzielten Millionenpreise. Im Jahre 2010 entwarf er für eine bayrische Automarke ein Art Car, dem beim Rennen in Le Mans jedoch kein sportlicher Erfolg beschieden war. 2012 durfte Koons das Etikett für den Jahrgang 2010 von Château Mouton-Rothschild gestalten, 2013 designte er ein Cover für Lady Gaga.Aufgrund seiner Gradwanderung zwischen Kreativität und Kopie hatte Koons nicht wenige Anzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen anhängig. Mit unterschiedlichem Ausgang. "Die Einflüsse, welche in Koons bildnerisches Wirken eingingen, sind vielfältig. Sie reichen vom Rokoko über Dada und Surrealismus bis zur Pop Art und Konzeptkunst", schreibt Wikipedia über das bekannteste Popart-Phänomen seit Warhol. Eintopf sagen Köche dazu. Zu sehen im G-Museum Bilbaos, als Kontrast zu Nicki de Saint Phalle, der schillernden Feministin.
FOTOS:
(1) Puppy-Skulptur im Gerüst zur Erneuerung der Blumen
(2/3) Jeff Koons Luftballons auf dem Museums-Balkon
Alle Fotos von FAT – Foto Archiv Txeng