Game-of-Thrones zerstört die Insel
Es gibt viele Kriterien und Motivationen, Reiseziele auszuwählen: alte Gewohnheiten, neue Träume, Modeziele, ein berühmtes Museum als Anlass … Dazu kam jüngst der Riesenrummel um die Drehorte von Kultserien, die über Fernsehen weltbekannt gemacht wurden. Dass das Baskenland in dieser Spirale eine Rolle übernommen hat, stimmt die einen froh und die andern kritisch. Denn der auf die Propagandashow folgende Massentourismus hat gravierende Folgen. Wie ein geschütztes Biotop zum Tourismus-Renner wird.
Die TV-Serie Game-of-Thrones ist für viele Tourist*innen weltweit zum Anlass geworden, die Drehorte zu besuchen, sei es individuell oder per Reisepaket, das quer durch Europa von einem Dreh zum andern führt. Auch das Baskenland ist betroffen.
Die US-amerikanische Kultserie Game-of-Thrones (GOT) hat nach acht Jahren Laufzeit auch im Baskenland ihre Spuren hinterlassen. In vielen Teilen der Welt erreichte sie ein Millionenpublikum. Für viele der eingefleischten GOT-Fans war die Begeisterung über die Serie Grund genug, sich auf den Weg zu machen, um an den Drehplätzen zwischen den Kontinenten zumindest ein Selfie zu machen. “Ich war persönlich da“ – ist die simple Botschaft, von der Flug- und Reisegesellschaften profitieren. Auch an den Ziel- bzw. Drehorten gibt es Leute, die die GOT-Konjunktur in bare Münze umsetzen. Andere sind dagegen weniger glücklich, weil sie feststellen müssen, dass der Besucheransturm ökologisch und sozialpolitisch fatale Auswirkungen hat.
GOT – Stationen Baskenland
“Eine graue Mauer schlängelt sich durchs Meer. Sie verbindet die kleine Insel San Juan de Gaztelugatxe mit der Küste. Von weitem sieht die Mauer fast so aus wie der Schwanz eines Drachens, der im Wasser liegt. Fans von Game-of-Thrones (GOT) brauchen für diesen Vergleich nicht viel Fantasie. Denn in der Serie ist die Insel schließlich Dragonstone, der Familiensitz der Targaryens“. (1)
Aus aller Welt reisen die Fans an, um den berühmten Drehort aus der Nähe zu sehen und sich selbst auf ein paar Fotos zu verewigen. Manche sind enttäuscht, weil die Realität immer anders aussieht als die Fiktion. Denn im Film wurde die real existierende Kapelle auf der Inselspitze herausgeschnitten und durch eine massive Festung ersetzt. Ein normaler Vorgang im Zeitalter der unbegrenzten Virtualität, in dem die eigenen Finger zu vertraulicheren Sinnesorganen geworden sind als dies die Augen einmal waren.
Treuer als Fussballfans
Zu den reisenden GOT-Fans gehört zum Beispiel ein in Deutschland studierender Chinese, der in Madrid gerade ein Auslandssemester macht. “Das ist eine spezielle Erfahrung, dass man einmal in der Szene ist, die man aus der Serie kennt“, sagt er. Er ist einer von vielen, die ihre eigene Persönlichkeit von der Tatsache aufgewertet sehen, dass sie einen Ort ihrer Idole besucht haben. Mit dem obligatorischen Foto, versteht sich. Denn ohne das geht heutzutage gar nichts mehr. Das zum Narzissmus neigende Selfi-Zeitalter.
Die Wanderung vom Parkplatz zur Dragonstone-Insel ist etwas beschwerlich – zum Glück! Wäre sie mit dem Taxi zugänglich, der Schaden wäre umso größer. Vom Aussichts-Restaurant geht es zuerst einen Pfad zum Meer hinab, dann über einen schmalen Kreuzgang mit vielen Treppen wieder hinauf zu der Kapelle mit dem schwierigen Namen San Juan de Gaztelugatxe. Alles wirke hier kleiner als im Film, meint der Chinese. Doch die Möglichkeiten der virtuellen Manipulation sind heutzutage derart ausufernd, dass wir schon seit Längerem keinem Bild mehr trauen dürfen, von Nachrichten ganz zu schweigen. “Es gibt ein großes Schloss auf der Insel. Aber jetzt sieht man nur eine kleine Kirche“, sagt er. Das klingt nach Enttäuschung. Das Photoshop-Syndrom greift um sich.
Zwei andere Treue sind aus Málaga angereist, um Gaztelugatxe zu sehen. “Wir sind große Fans der Serie und wollten immer schon mal nach Dragonstone“, sagen sie. “Ich finde es toll hier, weil es gerade nicht so überfüllt ist. So können wir dieses Erlebnis ganz in Ruhe genießen, es ist unglaublich!“ Eine ebenso häufig wiederholte wie dumme Aussage. Alle wollen zum selben Ort und sind froh, wenn sie dort die einzigen sind. Denn der Massentourismus, dem selbstverständlich auch die zwei aus Malaga aufgesessen sind, wird natürlich von allen Reisenden rundherum abgelehnt. Ein gerne wiederholtes und gleichzeitig absurdes Denken. Massentouristen sind die anderen – wir natürlich nicht. Die Wirklichkeit wird ausgeblendet, angeknipst wird die Vorstellung von “ich allein mit den Stars“.
Im Frühjahr sind es noch nicht die Massen, die sich in San Juan de Gaztelugatxe einfinden. Das liegt nicht zuletzt am unberechenbaren Wetter der baskischen Atlantikküste. Voller wird es im Sommer. Es sind Zahlen im Umlauf, wonach vor dem Game-of-Thrones-Rummel etwa 2.000 Besucher im Jahr zu der kleinen Insel kamen. Nach den GOT-Filmen im Jahr 2017 waren es rund 150.000. Vor GOT waren die Besucher*innen zu 95% Einheimische, Wochenendausflügler*innen. Mit dem Film hat sich die Besuchszahl multipliziert oder gar potenziert: mal 75. Vielleicht ist die Ausgangszahl zu niedrig angesetzt, es wären ja im Durchschnitt nur 6 Personen pro Tag gewesen. Die Steigerung ist jedenfalls brutal und noch nicht an ihre Grenzen gekommen. Die neuen Zahlen beziehen sich nicht mehr auf Einheimische, sondern zum allergrößten Teil auf auf Tourist*innen.
Fiktion und Realität
Begoña Gangoiti leitet das Tourismusbüro in Bermeo, der Gemeinde, zu der die Insel gehört. Sie stellt klar, dass nicht exakt erhoben werden kann, wie viele Besucher zu San Juan de Gaztelugatxe kommen. Schließlich muss niemand eine Eintrittskarte kaufen. Dass große Teile der Besucher Film-Touristen sind, sieht Begoña kritisch. “Ich war vor zwei Wochen in San Juan de Gaztelugatxe. Ich sah ein junges Mädchen, eine Instagramerin wahrscheinlich. Und sie rief: ‘Oh, schau mal, da ist Dragonstone!‘ Ich drehte mich um und sagte: ‘Nein, nein. Das ist San Juan de Gaztelugatxe, wo Dragonstone gedreht wurde.‘ Die Leute müssen lernen, was Fiktion und was Realität ist.“ (1) Das Beispiel ist gut. Denn die wenigsten sind zu solcherart intellektueller Anstrengung in der Lage. Damit ist eines der Probleme benannt, die sich aus dem globalen Film-Hype ergeben. Die ankommenden Fanatiker realisieren gar nicht erst, wo sie sich befinden. Baskenland? Was soll das denn sein! Dragonstone ist wichtig, der real existierende Drehort ist Schall und Rauch. Die Welt ist groß – die Welt ist klein! Flugzeuge fliegen überall dahin, wo was spektakuläres zu sehen ist.
Die Tourismus-Expertin Begoña glaubt, dass steigende Zahlen von Besucher*innen nicht nur auf GOT zurückzuführen sind. Denn das Baskenland sei bereits seit einiger Zeit für Reisende interessant geworden. Dazu beigetragen hat, dass die baskische Untergrundorganisation ETA 2011 einen Gewaltverzicht erklärt und 2017 die Waffen niedergelegt hat. Nicht schlecht für einen Tourismus, der weltweit immer mehr von Angst beseelt ist.
Doch bisher haben nur wenige den Sprung gemacht vom urbanen Vorzeige-Museum an die Küste. Seit dem Serien-Rummel hat sich das geändert. “Bilbao entwickelt sich seit Jahren zu einem wahren Publikums-Magnet, vor allem wegen der Kultur-Highlights dort. Alle Ausflugsziele drum herum profitieren natürlich davon, auch sie werden von tausenden zusätzlichen Urlaubern besucht. Genau diesen Effekt bekommt San Juan de Gaztelugatxe zu spüren“. Die Erklärung ist optimistisch, aber nicht hinreichend. (1) (2)
Andere Beispiele
Bis 2006 war die “Bizkaia-Brücke“ oder “Colgante-Brücke“ nur Einheimischen aus dem Großraum Bilbao bekannt. Das änderte sich schlagartig, als das 1893 eingeweihte Bauwerk von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Das nämlich hat zur Folge, dass es in allen einschlägigen Katalogen auftaucht und seither zum Besuchsschlager mit Warteschlange geworden ist. Reisende, die wegen des New Yorker Museums nach Bilbao kommen, besuchen eher noch das Kleinod zwischen Portugalete und Getxo, als dass sie nach Bermeo fahren, um sich die Film-Kulisse anzusehen.
Denn viele eher kunst- und kulturorientierte Tourist*innen kennen die GOT-Serie gar nicht. Zum Beispiel ein Paar aus Brandenburg. “Wir kennen die Serie überhaupt nicht. Also vom Namen wohl, aber nicht, weil wir sie gucken“ (1). Auch sie kamen wegen des G-Museums und fanden beim Stöbern im Internet den Tipp von der sehenswerten Küste. Dennoch stellen sie – im Vergleich zu den Filmfans – eher die Ausnahme dar. Hinweisschilder nach Gaztelugatxe stehen mittlerweile bereits an der Autobahn Bilbao-Donostia, 30 Kilometer von der Insel entfernt.
Geschäftsinteresse
“Für die Bars und Restaurants in den Küstenorten bedeutet der Touristenschub ein gutes Geschäft – vor allem für die Gastronomie in Bermeo. Durch das 17.000-Einwohner-Städtchen kommt fast jeder Besucher von San Juan de Gaztelugatxe auf dem Weg zur Insel oder auf der Rückfahrt.“ (1) Nach den Dreharbeiten zur vorletzten Staffel von GOT versuchten die Kneipen von Bermeo, mit einem Trick neue Gäste anzuziehen. Sie verbanden die im Baskenland typischen Pintxos – kleine leckere Appetithäppchen – mit einzelnen Filmprotagonisten. Warum auch nicht versuchen, aus der Gelegenheit ein Geschäft zu machen. Das Problem ist, das in der Gastronomie nur die Inhaber profitieren. Die Angestellten leben prekär, unsicher, temporär, schlecht bezahlt und müssen zu den unmöglichsten Zeiten arbeiten. Bermeo ist da keine Ausnahme.
Lob aus dem Tourismus-Sektor
“Aus der Sicht von Stefan Roesch haben die Menschen in Bermeo alles richtig gemacht, indem sie sich Aktivitäten für die Fans von GOT überlegt haben. Roesch ist Fachmann für Tourismus rund um Serien und Filme. Der Deutsche hat mehrere Bücher zu dem Thema geschrieben und einen Doktortitel in Film-Tourismus. ‘Es genügt nicht, eine Destination durch einen Kinofilm oder eine TV-Show zu vermarkten, sondern die Problematik liegt darin, dass wenn die Fans kommen, sie ein Erlebnis haben möchten, das irgendwie mit der Filmwelt zu tun hat. Und daran mangelt es meistens. Es geht um Produkte, um Erlebnisse vor Ort, die man den Fans bieten kann‘, sagt er“. Als Experte muss er es wissen, viele wie er haben sich mittlerweile auf die Vermarktung der Tourismus-Nischen spezialisiert. Trittbrettfahrer sozusagen, wie Stefan Roesch, der sich mit seinen Analysen auf der international bekannten Tourismus-Messe FITUR in Madrid vorstellte.
Wenn wir die Roesch-Ideen einmal auf die Spitze treiben, heißt das: Gaztelugatxe und seine Anwohner*innen sollen nicht nur die zu erwartenden 200.000 Besucher*innen aushalten, sondern dazu ein Disneyländchen präsentieren, bei dem prekär Beschäftigte für 5 Euro die Stunde ein bescheidenes Theater präsentieren. Mit einer Micky-Maus-Figur in baskischen Farben zum Beispiel könnte Gaztelugatxe zum leicht wiedererkennbaren Freizeitpark gemacht werden, wie es sie überall in der Welt gibt, von Florida über Paris bis Port-Aventura in Katalonien. Das Baskenland als Supermarkt, Gaztelugatxe zum Verkaufsobjekt Nummer zwei oder drei – Walt Disney ist überall.
Experte Roesch geht ins Detail: “Zum Beispiel Führungen an den Drehorten – idealerweise mit Insidern, die an der Filmproduktion beteiligt waren und erzählen können, was hinter den Kulissen passiert ist. Solche Angebote gibt es zum Beispiel in der katalanischen Stadt Girona, wo ebenfalls Szenen von GOT gedreht wurden. Es ist eine Herausforderung und eine Chance. Nämlich ein abwechslungsreiches Angebot für Film-Touristen zu schaffen – und zwar für alle diese Urlauber. Denn nicht jeder erwartet das gleiche: Einige wollen allgemein die Stadt sehen, in der ein Film gedreht wurde – andere wollen konkret die Drehorte besuchen und Selfies machen, um diese dann in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.“ (1) Nur 4% der Weltbevölkerung hat das nötige Kleingeld zum Reisen, dieser Teil leistet sich dann jeden noch möglichen Luxus und Egoismus. In Anbetracht der unerträglichen Masse sind individuelle Botschaften gefragt.
Schneeball-Effekt und ökologischer Tod
Nach Gaztelugatxe kommen heutzutage nicht so viele Individual-Tourist*innen. Die Mehrheit kommt im Pack, in großen Gruppen, mit Charter-Bus. Mit ihrem Gehabe werden die Selfie-Fotografinnen gleichzeitig zu perfekten Multiplikatoren für den kapitalen Tourismus. “Kostenlose Werbung für eine Stadt: Wenn Film-Touristen sich auf Fotos prominent in Szene setzen, diese dann auf Instagram oder Facebook posten, machen sie andere User damit neugierig auf die Region. Handelt es sich bei den Urlaubern sogar um Instagram-Nutzer mit mehreren tausend oder mehreren Millionen Followern, ist der Werbeeffekt entsprechend höher“. (1)
Für Roesch sieht der typische Film-Tourist so aus: ‘Wir definieren ihn zwischen 19 und 59 Jahren. Er hat entsprechend hohes Einkommen, um an entfernte Orte reisen zu können, ist kulturell sehr interessiert. Film-Touristen kommen oft in ein Land, um das Land kennenzulernen und die Drehorte sind sozusagen der Bonus. Das ist natürlich etwas Emotionales. Das Land wird besucht, die Drehorte individuell bereist‘. Die Leute haben natürlich eine hohe Affinität zu Filmen und TV-Shows“ (1). Es sei dahingestellt, ob der zitierte Experte selbst glaubt, was er sagt, oder ob er Hypothesen verbreitet, um den verheerenden Massentourismus hoffähig zu machen. Denn die große Mehrheit der Besucher*innen interessiert sich keinen Deut für das Baskenland, die meisten wähnen sich ohnedies in Spanien.
Der Markt in China
Immer mehr Reiseveranstalter bieten Pauschal-Pakete für Film-Touristen an, natürlich auch für GOT-Fans. Gelegentlich sind es ganze Europa-Touren, denn die Erfolgsserie GOT wurde in verschiedenen Ländern gedreht. Ein Student aus China erzählt, dass auch seine Landsleute solche Pakete buchen: “Das sind sozusagen die Hardcore-Fans. Die Touren verlaufen durch Kroatien, Spanien – vorbei an den Drehorten, überall in Europa“ (1). Im Baskenland wurde GOT an zwei Orten gedreht. Neben San Juan de Gaztelugatxe war auch die Küste des Ortes Zumaia Gipuzkoa ein Filmschauplatz. Der Zumaia-Strand ist für seine seltenen Steinformationen berühmt, Flysch genannt: hohe Felswände, die vor Millionen Jahren entstanden und wie eine vorbeiziehende Elefantenherde wirken. “Aus vielen Ländern kamen alle an diesen Strand, um Selfies zu machen. Um natürlich diesen spektakulären Ort zu sehen, an dem es gedreht wurde. Das bietet sich total an für Fotos. Und das war schon ein ziemlicher Boom. Es kam zu lustigen Situationen, dass die Leute sich auch entsprechend gekleidet haben, um die Selfies machen zu können. Das war schon spektakulär!“, erzählt eine Reiseführerin.
Zumaia-GOT(T)
Auch der Bürgermeister des 10.000-Einwohner-Städtchens Zumaia erinnert sich genüsslich an Szenen mit asiatischen Besuchergruppen, die in GOT-Outfits den Strand abgelaufen sind. “Wir müssen schon zugeben, dass der Dreh dieser weltberühmten Serie, uns als Ort sehr bekannt gemacht hat. Das war so eine Art Lautsprecher. Klar, das sehen wir positiv. Es war quasi ein Lotteriegewinn für uns, dass die Produzenten Zumaia als Drehort für Game-of-Thrones ausgewählt haben.“ (1) Nicht alle Bewohner*innen sehen das wie der Ortsvorsteher. Zumaia war die erste Kleinstadt in der Provinz Gipuzkoa, in der der plötzlich explodierende Tourismus zu massiver Kritik aus der Bevölkerung führte. Zeitgleich mit der Hauptstadt Donostia (San Sebastian), die 2017 als Europäische Kulturhauptstadt Hunderttausende anzog und fast daran erstickte.
“Wie viele Touristen genau durch die Serie nach Zumaia gelockt wurden, kann der Bürgermeister nicht sagen – exakte Statistiken gibt es nicht. Aber der Rathauschef will den Film-Tourismus auch nicht überbewerten. Deshalb erwähnt die Stadt auf ihrer Internetseite und in Prospekten auch nicht, dass an ihrem Strand GOT gedreht wurde. Das Tourismusbüro konzentriert sich ausschließlich auf den Naturpark mit seinen spektakulären Steinwänden. ‘Wer Zumaia nicht kennt, könnte meinen, wir seien ziemlich dumm. Aber wenn du siehst, was wir hier zu bieten haben, verstehst du schnell, warum wir diese Strategie fahren. Der Flysch erzählt eine Geschichte von 60 Millionen Jahren. Die Bedeutung dieses Geoparks wollen wir einfach hervorheben‘, so die Verantwortlichen in Zumaia“ (1).
Vergebliche GOT(T)-Anbeter
Eine Stadt im spanischen Süden hätte sich gerne als GOT-Drehort gesehen, um Filmtouristen anzulocken. Es bestand die Idee, in der Alhambra zu drehen, eine der meistbesuchten Touristen-Attraktionen Europas und Weltkulturerbe. Doch es kam anders. Der Zuschlag ging an Sevilla: den Machern der Serie gefiel der Alcázar, der mittelalterliche Königspalast, dort besser.
“Doch Granada trauert der verpassten GOT-Chance nicht mehr nach. Im Rathaus gibt es eine spezielle Abteilung, die sich um Anfragen von Film-Produzenten kümmert und mit ihnen Kontakt hält. Ihr ist es gelungen, eine Produktionsfirma aus Südkorea anzulocken. Sie hat in Granada ‘Memories of the Alhambra‘ gedreht, die inzwischen meistgesehene Netflix-Serie in dem ostasiatischen Land. Sie läuft seit Anfang dieses Jahres und sorgt dafür, dass hunderte Besucher aus Korea nach Granada reisen, um die Drehorte zu sehen. ‘Nicht nur die Alhambra, auch viele andere Plätze bei uns: Den Albacín, den Realejo, auch eine Ski-Station in der Sierra Nevada, die in der Serie vorkommt‘. Von diesen Gästen profitieren also auch die Menschen im Umland von Granada“ (1). So funktioniert die junge Branche des Filmtourismus.
Es regt sich Widerstand
Im Gegensatz zu den optimistischen Darstellung im DLF, regt sich in der Umgebung der bedrohten Insel Widerstand. Zuletzt wurde über die sozialen Medien ein Video verbreitet, das die politisch Verantwortlichen für die Bedrohung des geologischen und ökologischen Juwels benennt: die rechte baskische Regierungspartei PNV, die gerne alles verkauft was sich verkaufen lässt – und sei es wertvolles Kulturgut.
“Eine uralte, spektakuläre und wilde Umgebung wird in ein Ziel des Massentourismus verwandelt“, heißt es in einem Video, das über soziale Medien verbreitet wird. “Dass es sich um ein geschütztes Gebiet handelt, wird dabei ignoriert, es wird gnadenlos Werbung gemacht, der Provinzfürst spielt sich zum Retter im drohenden Chaos auf. 2018 wurde ein Plan vorgestellt zur Verbesserung der Verwaltung der Insel. Vorgeschlagen wird: 1. Die Insel nachts beleuchten – mit Naturschutzregeln unvereinbar. 2. Auf der Inselspitze eine Gaststätte einrichten – sollte etwa auch die Kapelle privatisiert werden? 3. Bau neuer Parkplätze aus Richtung Bakio – organisiertes Chaos. 4. Flüge mit Kleinflugzeugen und Helikoptern anbieten – widerspricht den Normen für das Biotop. 5. Entfernung der Glocke der Inselkapelle, um Lärmbelästigung zu vermeiden“.
In dem Dokument ist weiter von der Suche nach privaten Investoren die Rede. Die Hintergründe seines Zustandekommens werden als “dunkle Machenschaften“ bezeichnet. Obwohl die Expertise keine wirklichen Neuigkeiten nennt hat sie 180.000 Euro gekostet – Fachleute aus dem Sektor beziffern ihren Wert auf maximal 30.000 Euro. Die Beteiligung der Bevölkerung bei der Planung ist nicht vorgesehen. In der Presse wurden bereits eine Reihe von Themen hin und her gewälzt. Die Provinzregierung würde gerne Eintritt kassieren, die Zentralregierung (zuständig für Küstenangelegenheiten) weist das zurück.
Sollte die Zahl der Besucher*innen pro Tag begrenzt werden – oder nicht? Auf 5.000 zum Beispiel, Dubrovnik lässt nur noch 8.000 Reisende pro Tag in seine Altstadt. Mit der teuren Studie beauftragt wurde die Firma Deloitte Consulting, die vom spanischen Wirtschafts-Ministerium mit 12 Millionen Euro Strafe belegt worden war, weil sie in der Bankenkrise eine düstere Rolle gespielt hatte. In einem anderen Fall wurde eine Strafe von 1 Million verhängt. Um den Plan umzusetzen wären erneut 180.000 Euro fällig, also 360.000 Euro für eine korrupte Firma mit vorhersehbar fatalen Folgen. Die Anliegerorte Bakio und Bermeo treten ein für Verhandlungen zwischen allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren aus dem Gebiet von Gaztelugatxe.
Die Höhlen von Altamira, Ekain, Santimamiñe und andere, die wertvolle urzeitliche Höhlenmalereien aufweisen, wurden für den Besuch geschlossen, weil menschliche Anwesenheit ihren Bestand gefährdet. Gaztelugatxe hingegen wird verkauft und verheizt. Die Inselhänge füllen sich mit Müll, jeder Besucher nimmt sich neben dem Selfie als Andenken einen Stein mit; oder ritzt seinen Namen in die Kapellenmauer: „Ich war hier – ich habe zur Vernichtung dieses Ortes beigetragen“.
(Publikation Baskultur.info 2019-05-28)
ANMERKUNGEN:
(1) Zitate aus dem Artikel “Game-of-Throne-Hype“ in Spanien“ Deutschlandfunk, 2019-05-20 (LINK)
https://www.deutschlandfunkkultur.de/filmtourismus-inclusive-selfie-der-game-of-thrones-hype-in.979.de.html?dram:article_id=448980
(2) Zu diesen teuer eingekauften „kulturellen Highlights“ der Stadt Bilbao gehörten in der jüngsten Vergangenheit: das größte Rockfestival des Staates, der Versuch, mit einem Stadtparcours die Formel 1 zu holen, die Basketball-Weltmeisterschaft, die beiden Finale der Rugby-Championsleague, ein Turmspring-Grand-Prix neben dem Guggenheim, die MTV-Jahresgala; nächste Projekte sind die Fußball-Europameisterschaft und eine Etappe der Tour de France.
ABBILDUNGEN:
(1) Game of Thrones / Gaztelugatxe (gites.fr)
(2) Game of Thrones (gamesradar)
(3) Gaztelugatxe / GoT (leptitstouristes)
(4) Bakio Küste (Oliver Neuroth – DLF)
(5) Zumaia (Oliver Neuroth – DLF)
(6) Zumaia (Oliver Neuroth – DLF)
(7) Gaztelugatxe (Oliver Neuroth – DLF)