Sommerloch und Covid-Hoch
Auch wenn es niemand erwartet hat, zu befürchten war es wohl: Partylaune und die Rückkehr des Tourismus haben dem Baskenland die fünfte Corona-Welle beschert. Mit Namen Delta – und Lambda steht vor der Tür! Wider besseres Wissen träumen viele dennoch von Auslandsreisen, dabei bieten die Berge und Täler von Gipuzkoa und Navarra einen unschlagbaren Erholungsfaktor. Und die Landpensionen könnten sich wirtschaftlich erholen. Klima, Corona, Kolonialismus: Können wir das beim Reisen alles ausblenden?
August wäre der Fiesta-Monat Nummer eins! Aber dieses Jahr wieder nicht. Weil die Feierlaune groß ist, werden “Keine Fiestas“ zum Treffpunkt. Sowie zum Ausgangspunkt für Gewaltorgien zwischen Jugendlichen und Polizei. Die Zukunft von Corona wird nicht in den Gesundheits-Behörden, sondern mit Richtersprüchen und Polizei-Knüppeln entschieden.
INHALT:
* (31-08) Kaxilda, Anarchistin * (30-08) Facerias, antifranquistischer Stadtguerrillero * (29-08) Unpolitische Vorstadtgewalt * (28-08) Rechte afghanischer Frauen * (27-08) Demütigung von Opfern * (26-08) Antifaschismus auf der Straße * (25-08) Extreme Ausbeutung * (24-08) Jugend durch Covid angeschlagen * (23-08) Randale oder Kampf * (22-08) Jugend stirbt an Covid * (21-08) Francos Abwehrbunker in den Pyrenäen * (20-08) Von Kabul nach Bilbo im Rollstuhl * (19-08) Extreme Armut * (18-08) Archäologie statt Hochgeschwindigkeit * (17-08) Flucht aus der Gefängnis-Festung 1938 * (16-08) Maravillas Lamberto * (15-08) Umstrittener Filmpreis für Kino-Macho * (14-08) Sexismus auf dem Jakobsweg * (13-08) Vergiftete Kreditgeschenke im Profi-Fussball * (12-08) Mörderische Strompreise * (11-08) Freilegung von Bunkern aus der Francozeit * (10-08) Das kämpferische Leben der María Camino * (09-08) Popo Larre verschwindet * (08-08) Trikots aus Southampton * (07-08) Vernichtung von Kulturerbe * (06-08) Kolonialgeschichte nicht aufgearbeitet * (05-08) Transphobie in Gasteiz * (04-08) Lauburu, vier Köpfe * (03-08) Sterbehilfe für Baskin * (02-08) Sexismus nimmt zu * (01-08) Letzte Grenze Festival *
(2021-08-31)
KAXILDA, DIE MILIZIONÄRIN
Soledad Casilda Hernáez Vargas wurde in Zizurkil, Gipuzkoa geboren am 9. April 1914. Sie starb heute vor 29 Jahren in Donibane Lohizune (St. Jean de Luz), am 31. August 1992. Die auch Kasilda, Kaxilda, Kasi oder la Miliciana genannte Soledad war eine baskische anarchistische Aktivistin und die Weggefährtin des ebenfalls Anarchisten Félix Likiniano. Kaxilda wurde als Tochter einer unverheirateten Mutter und eines unbekannten Vaters in einer Baracke von Zizurkil geboren. Ihre Großmutter war Gitana, ihre anarchistischen Onkel beeinflussten in frühen Jahren ihre libertäre Neigung. Sie wuchs im Donostia-Viertel Egia auf, wo sie in der öffentlichen Schule von Atotxa Lesen und Schreiben lernte.
1931 wurde sie Mitglied der Libertären Jugend und besuchte die libertären Bildungszentren, die für sie zu einer zweiten Schule wurden. Sie wurde kurzzeitig verhaftet, weil sie zum Streik in einem Unternehmen aufgerufen hatte, dessen Belegschaft aus Frauen bestand. Kaxildas FKK-Praxis am Strand von Zurriola sorgte damals für einen Skandal. Ihre intensive Beteiligung am revolutionären Streik vom Oktober 1934 führte dazu, dass sie verhaftet und von einem Kriegsgericht wegen Verbreitung von Propaganda zu neun Jahren Gefängnis und wegen des Besitzes von Sprengstoff zu zwanzig weiteren Jahren verurteilt wurde. In der Folge wurde sie in der Festung Nuestra Señora de Guadalupe von Hondarribia inhaftiert und später ins Gefängnis Las Ventas in Madrid verlegt. Nach zwei Jahren Haft wurde sie dank der Amnestie der Volksfront-Regierung Anfang 1936 freigelassen.
Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis lernte sie den Anarchisten Félix Likiniano kennen, der ihr lebenslanger Weggefährte werden sollte, und sympathisierte mit der im selben Jahr gegründeten Gruppe Mujeres Libres (Freie Frauen), der sie jedoch nicht beitrat. Nach dem Militärputsch der faschistischen Generäle (18. Juli 1936) und dem Ausbruch des Spanienkriegs im Juli 1936 schloss sie sich einer antifranquistischen Miliz an und nahm teil an der Verteidigung von Donostia, der Schlacht von Irun, der Hilario-Zamora-Kolonne an der Aragón-Front und der Ebro-Front. Nach dem Sieg der Aufständischen in Barcelona ging sie mit Likiniano über die Pyrenäen nach Frankreich ins Exil und blieb bis zum Sommer 1940 in den Konzentrationslagern von Argelès und Gurs. Als sie freigelassen wurden, zogen sie nach Bordeaux. Ihr Domizil diente als Zentrum des Widerstands gegen Franco und den Nationalsozialismus und war schnell als "baskisches Konsulat" bekannt.
Jahre später, nach der Schwächung der anarchistischen Bewegung, solidarisierte sich das Paar mit der baskischen Unabhängigkeits-Bewegung und der bewaffneten Organisation Euskadi ta Askatasuna (ETA), Likiniano wird der Entwurf des Logos von ETA zugeschrieben. Kaxilda starb am 31. August 1992 in Donibane Lohizune an Krebs. Sie ist mit Félix Likiniano auf dem Friedhof von Biarritz begraben. (wikipedia)
RÜCKBLICKE: * (1813) Portugiesisch-britische Truppen befreien Donostia (San Sebastián) nach 5-jähriger Besetzung durch französische Truppen. Der Sieg bedeutet das Ende des sog. Unabhängigkeits-Krieges. Bei der folgenden Plünderung durch die Sieger entsteht ein Brand, dem ein Großteil der Stadt zum Opfer fällt. * (1839) Der Vertrag von Bergara, auch “Umarmung von Bergara“ genannt, besiegelt das Ende des 1. Karlistenkrieges (1836-1839) und im Thronfolge-Konflikt den militärischen Sieg der Liberalen gegen die Karlisten. Baskenland und Navarra verlieren de facto ihre Selbstverwaltungsrechte. * (1967) In Bolivien stirbt die Guerrillera und Che-Begleiterin Tamara Bunke im Kampf. * (2014) In Urduña/Bizkaia werden auf dem Friedhof die Gebeine von 14 KZ-Gefangenen geborgen. Auf dem Friedhof liegen ca. 200 Menschen begraben, die an den unmenschlichen Bedingungen des KZs Urduña zu Grunde gingen.
(2021-08-30)
FACERIAS, STADTGUERRILLERO
Außerhalb des spanischen Staates ist wenig bekannt, dass es auch nach Ende des fälschlicherweise “Bürgerkrieg“ genannten Krieges weiterhin organisierten bewaffneten Widerstand gab. Lange bevor eine neue Generation von Basken dies auch im Baskenland praktizierte. Zu ihnen gehörte Josep Lluis Facerías, am 6. Januar 1920 in Barcelona geboren, wo er am 30. August 1957 auch starb – heute vor 66 Jahren. Als Anführer einer Gruppe von antifranquistischen Guerillakämpfern war er in den 1940er und 1950er Jahren einer der führenden Vertreter des städtischen “Maquis“, wie jene Rebellen genannt wurden.
Im Alter von 16 Jahren (1936) wurde er Mitglied der historischen anarcho-syndikalistischen CNT sowie der Libertären Jugend des Viertels Pueblo Seco in Barcelona. Zu Beginn des Spanienkriegs schloss er sich der Ascaso-Kolonne an und kämpfte während des gesamten Krieges an der Aragon-Front. 1939, als sich die republikanische Armee bereits auf dem Rückzug befand, wurde er gefangen genommen. Im selben Jahr verlor er seine Lebensgefährtin und seine wenige Monate alte Tochter, die ermordet wurden als sie sich mit Tausenden von Flüchtlingen in Frankreich auf der Flucht befanden.
Josep Lluis Facerías war bis 1945 durch die Militärdiktatur inhaftiert. Nach seiner Entlassung trat er der Gewerkschaft des graphischen Gewerbes der CNT bei und arbeitete als Kellner und Kassierer in einem Restaurant. In seiner Freizeit widmete er sich heimlichen antifranquistischen Aktivitäten und nahm an Aktionen und der Organisation der Libertären Jugend Kataloniens teil, die die Zeitung “Ruta“ herausgab. Nach seiner erneuten Inhaftierung in Barcelona 1947 und überzeugt, dass bewaffnete Aktionen der schnellste Weg sei, um Geld zur Unterstützung der anarchistischen Gewerkschaft zu beschaffen und für die inhaftierten Aktivisten und ihre bedürftigen Angehörigen, gründete er die Guerillagruppe "Partida de Maquis de Facerías". Deren erste Aktion war ein Überfall auf die Fabrik Hispano-Olivetti.
Er starb am 30. August 1957 in einem "Hinterhalt" der Polizei an der Kreuzung der heutigen Passeig Verdum und Passeig Urrutia und der Carrer Doctor Pi i Molist in Barcelona, die heute zum Viertel Nou Barris gehört. Dort erinnert eine Gedenktafel am Boden an ihn: “Josep Lluís Facerias. Libertärer Aktivist. Starb an diesem Ort am 30. August 1957 um 10.45 Uhr in einem Hinterhalt der Truppen der Diktatur.“
RÜCKBLICKE: * (1956) Todestag von José Gonzalo Zulaika, unter dem Namen Aita Donostia (Vater Donostia) bekannter Priester, Schriftsteller, Komponist und Musikwissenschaftler (geboren 1886). * (1980) In Ondarroa (Bizkaia) wird der Aktivist Angel Etxaniz von Herri Batasuna bei einem Attentat der ultrarechten Gruppe BVE getötet. * (1989) Unbekannte ritzen dem jungen Peio Martin die Buchstaben der faschistischen Gruppe GAL ins Gesicht.
(2021-08-29)
VORSTADT-GEWALT
Unpolitische Gewalt gehört zur Kultur der Postmoderne, der Mode und des Hedonismus. Sie hat nichts mit subversiven politischen Ansätzen gegen das herrschende System zu tun. Schreibt der Historiker Iñaki Egaña zu der in den vergangenen Wochen von Jugendlichen ausgeübten Gewalt auf der Straße. In Donostia wurden in wenigen Tagen um die 70 Personen festgenommen. Sabotageakte mit Gewalt begleiten uns seit den 1970er Jahren, erst bei Arbeitskonflikten, dann im AKW Lemoiz und später in der Wirtschaft, in Banken, Parteien, die für die Repressions- und Strafvollzugspolitik verantwortlich sind. Politische Gewalt.
In jüngster Zeit hat sich eine unpolitische Gewalt entwickelt, die einen Bruch mit der politischen Widerstandsgewalt darstellt, die wir gewohnt sind. Gewalt ohne politische Ziele, mit eher individuellen Zügen, die direkt mit der Sichtbarkeit der Täter zusammenhängen, die Aggressoren profilieren sich in sozialen Netzwerken, suchen eine Minute des Ruhms, durch ein Video oder ein Selfie. Diese unpolitische Gewalt wird vorwiegend von jungen Menschen praktiziert, die all das konsumieren, was sie von den multinationalen Textil- und Kulturkonzernen vorgesetzt bekommen. Ohne politisches Profil und Absicht zur Veränderung. Veränderung im Sinn von Infragestellung der ungerechten Ordnung, im kleinen wie im großen Maßstab.
Die sich mit radikalen Worten und Gesten schmücken, während sie zu Hause aggressives Konsumverhalten an den Tag legen, verdienen keine Beachtung. Die gewalttätigen Unpolitischen sind auch Teil der neoliberalen Mode. Zu sehen bei Aufläufen in anderen Teilen Europas und im spanischen Staat. Spanisierung und Übertragung von Hollywood-Modellen machen keine Pause. Gerade die schwächsten Schichten sind es, die sich durch diese Vorstadt-Mode kontaminieren lassen. Die jüngsten Ereignisse in Donostia, mit Plünderungen von Geschäften, Angriffen auf Nachbarn und Brandstiftungen als Akte des Hooliganismus, bringen die Stadt mit Ibiza oder Kassel in Verbindung. Auch wenn es schwer zu akzeptieren ist, ähnelt die Verwestlichung des Baskenlandes der Verwestlichung der europäischen Städte. Unsere Besonderheit wird verwässert wie ein Zuckerwürfel.
Mit Alkohol, Amphetamin, Kokain, Handys und sozialen Netzwerken als Mittel und Ziel der Handlungen. Wie die Gruppen-Vergewaltiger, die ihre Untaten im Internet veröffentlichen, erklärten einige der unpolitischen Gewalttätigen in Donostia, dass sie bei der Plünderung der Klamottengeschäfte Gegenstände in ihrer Größe "mitgenommen" haben. Im Web kursieren Videos, angeblich von den Tätern eingestellt, die unverhüllt agieren. Warum diese Sichtbarkeit, die der Polizei die Identifizierung erleichtert? Sie wollen von ihren Peergroups wiedererkannt werden!
LINKE VERTEIDIGER
In einigen Foren war eine entschiedene Verteidigung dieser gewalttätigen Unpolitischen aus scheinbar progressiven Positionen zu lesen: sie lehnen sich gegen die Macht auf, konfrontieren sich mit der Polizei. Was soll politische Konfrontation in einer Gruppe sein, deren Sturmschrei gegenüber der Polizei "Schwuchteln, Hurensöhne" lautet? Obwohl es in diesen Gruppen auch Frauen gibt, sind es vorwiegend Macho-Männer, die in Aktion treten. Unterstützung auch von solchen, für die allein schon ein Angriff auf die Polizei auf linkes Bewusstsein schließen lässt. Ein Irrtum. Trumpisten, Lepenisten, Taliban, Anti-Castristen greifen ebenfalls die Polizei an. Die Plünderungen waren nicht politisch motiviert, Kleidung, Turnschuhe und Parfüme wurden nicht etwa an Migranten verteilt, sondern landeten im Privatbesitz der Angreifer. Unpolitische Gewalt gehört zur Kultur der Postmoderne, der Mode und der Selbstgefälligkeit. Sie haben nichts mit subversiven politischen Ansätzen zu tun. (QUELLE)
RÜCKBLICKE: * (1972) Ein Stadtpolizist wird von vermutlichen ETA-Leuten vor dem Kommissariat erschossen. * (1991) Ein ETA-Mitglied stirbt in Bilbo durch Schüsse der Ertzaintza. * (2000) Ein ETA-Kommando tötet in Zumarraga den PP-Stadtrat Manuel Indiano.
(2021-08-28)
RECHTE AFGHANISCHER FRAUEN
Afghanistan mobilisiert. In Bilbo, Donostia und Iruñea kam es zu Kundgebungen für die Rechte afghanischer Frauen. Dabei öffnet sich eine Kluft zwischen der berechtigten Verteidigung der Rechte afghanischer Frauen und der Forderung nach einer weiteren Besetzung des Landes durch Westmächte, um diese Rechte abzusichern. Auf Kundgebungen der bislang wenig bekannten Frauen-Vereinigung Euskal Elkartasun Feminista, wurde gefordert, dass die Taliban die Rechte der Frauen achten. Auch Vertreterinnen der baskischen Regierung schlossen sich der Mobilisierung in Bilbo an. Unter dem Motto "Die Rechte der afghanischen Frauen gehen uns alle an" nahmen die Direktorin des Frauen-Instituts Emakunde, die Direktorin für Menschenrechte, Opfer und Vielfalt, und der Direktor für Migration und Asyl teil.
Zu den Protestierenden gehörte auch eine Gruppe junger Afghaninnen, die Flaggen ihres Landes trugen. Sie skandierten Slogans gegen die Machtübernahme der Taliban und riefen "Feminismus ist international", "Afghanische Frauen sind unsere Schwestern" und "Wenn sie eine angreifen, greifen sie uns alle an". In einem abschließenden Manifest, erklärten die Organisatorinnen, im Land ereigne sich "ein Rückschlag bei Menschenrechten, insbesondere für Mädchen und Frauen".
Der Verband fordert Asyl und Zuflucht für die vor den Taliban fliehenden Menschen, eine dringende Zusammenführung afghanischer Familien, sichere Korridore für Frauen und Mädchen. Europäische Institutionen wurden aufgefordert, "Druck auf die internationale Gemeinschaft auszuüben, damit sie auf die Belagerung durch die Taliban reagiert". Sie kritisierten, dass die EU derzeit "keine aktiven Maßnahmen ergreift, um die Belagerung durch religiöse Extremisten zu beenden und der afghanischen Bevölkerung die Kontrolle über das Land zurückzugeben" – ein ziemlich unverschleierter Aufruf zur fortgesetzten Kriegsführung im schwer gebeutelten Land. In Iruñea wurden Slogans wie "Burka ist ein Gefängnis" skandiert. Noch deutlicher wurde die Sprecherin eines afghanischen Exilvereins aus Bilbo, die eine direkte Intervention der Westmächte forderte.
Dass die westlichen Besatzer Hunderttausende von afghanischen Mitarbeiter*innen zurücklassen, ohne die sie ihre Militärmission nicht hätten ausführen können, ist angesichts der Vergeltungsmotive der Islamisten ein Verbrechen, die Forderung nach Beachtung der Frauenrechte und nach Asylrecht ist berechtigt und konsequent. Einen neuen Krieg zu fordern, mit Folterern (Abu Graib), Vergewaltigern und Massenmördern aus den USA an der Spitze ist ein völlig inakzeptabler Fehler. Frauenrechte und Krieg stehen sich unvereinbar gegenüber.
RÜCKBLICKE: * (1963) Der US-amerikanische Bürgerrechts-Aktivist und spätere Friedens-Nobelpreis-Träger Martin Luther King hält in Washington seine berühmte Rede “I have a dream“. * (1976) Mehr als 50.000 demonstrieren zwischen Plentzia und Gorliz gegen die spanische Atompolitik und das im Bau befindliche AKW in Lemoiz (Lemoniz). * (1978) Ein Nationalpolizist wird in Hondarribia von einem ETA-Kommando getötet. * (1978) In Arrasate, Gipuzkoa, wird ein Guardia Civil von einem Kommando der Autonomen Antikapitalistischen Kommandos erschossen. * (1978) Ein GRAPO-Kommando erschießt in Barcelona einen Nationalpolizisten. * (2014) Der erfolgreichste baskische Fußballer aller Zeiten, Xabi Alonso, wechselt von Real Madrid zu Bayern München. Alonso wurde Weltmeister, zwei Mal Europameister, gewann zwei Mal die Champions-League mit Liverpool und Real. Das Kicken lernte er in Donostia bei Real Sociedad San Sebastián.
(2021-08-27)
DEMÜTIGUNG VON OPFERN
Die Gedenkstätte für die Opfer des Terrorismus erinnert an den franquistischen Polizeifolterer Melitón Manzanas (von ETA getötet) und vergisst dabei viele andere Opfer, unter anderem die des berüchtigten Folterers von San Sebastian. Im März begann die Stadtverwaltung von Iruñea (Pamplona) mit dem Anbringen von Gedenktafeln für bestimmte Opfer. Dabei gab es weder eine Tafel für José Luis Cano, der 1977 von einem Polizisten erschossen wurde, noch für Alejandro Gorraiz, der 1994 in seiner Wohnung durch eine von der spanischen Polizei geworfene Rauchbombe erstickt wurde.
Auch Sara Fernández, ein Opfer der Dispersions-Politik, blieb außen vor. Germán Rodríguez (Polizeiopfer 1978) ebenfalls. Und natürlich wurde auch Mikel Castillo, ein ETA-Aktivist, der unbewaffnet auf der Flucht war, als ihm der spanische Polizist Rafael Navarro in den Rücken schoss, nicht erwähnt. Der schnelle Finger am Abzug brachte Navarro das Verdienstkreuz der Polizei ein. Eine öffentliche Erinnerung an Mikel Castillo ist verboten. Tausende von Folteropfern leiden unter der andauernden Präsenz der Polizeikräfte, die sie der Hölle ausgesetzt haben. Sie werden bei Kontrollen identifiziert und müssen zusehen, wie Parteien und Institutionen die staatlichen Folterkräfte bei Veranstaltungen wie der jährlichen Parade der Guardia Civil in Iruñea hoch leben lassen. Diese Protzerei ist unerträglich.
Nur wenige Folterer wurden verurteilt, die meisten davon gleich wieder begnadigt. Einige, wie Sánchez Corbí, wurden sogar befördert und ausgezeichnet. Richter Marlasca, der die Misshandlungs-Anzeigen nicht untersucht hat, ist jetzt Innenminister. Enrique Rodríguez Galindo, Leiter des Folterzentrums Intxaurrondo in den dunkelsten Jahren, wurde für Entführung, Folter und Tod von Lasa und Zabala zu 75 Jahren Gefängnis verurteilt, hat aber nur vier Jahre abgesessen. Er wurde aus "gesundheitlichen Gründen" entlassen; siebzehn Jahre später starb er zu Hause. Die Kriterien für die Entlassung schwerkranker baskischer Gefangener könnten indessen nicht strenger sein. Denken wir nur an den im Endstadium krebskranken Gefangenen Josu Uribetxeberria. Eine Doppelmoral, die zum Himmel schreit.
Die Gedenkstätte für die Opfer des Terrorismus erinnert an Melitón Manzanas und vergisst dabei die Opfer des Folterers und Gestapo-Freundes von Donostia. Sie haben keinen Platz bei den Bemühungen, ETA zu delegitimieren, dem Hauptziel dieses Zentrums. Zu Konflikten haben immer zwei oder mehr Seiten gehört. Die eine zu würdigen und vor der anderen die Augen zu schließen ist kindisch, willkürlich und parteiisch. Ein solches Vorgehen verspricht keine würdige Lösung für alle Folgen des Konflikts.
RÜCKBLICKE: * (1975) Ein Kleinbus, in dem baskische Flüchtlinge mit Familien reisen, wird in Bardoze (Iparralde) beschossen. Alle bleiben unverletzt. * (1976) In Soweto verübt die Polizei des Apartheid-Regimes ein Massaker an 60 Personen. * (1980) In Irun stirbt Jesus Maria Etxebeste durch Schüsse der faschistischen Gruppe BVE. * (2009) Am Grab von Lasa und Zabala in Tolosa, beide von den faschistischen GAL-Gruppen ermordet, erscheinen faschistische Sprühereien.
(2021-08-26)
ANTIFASCHISMUS AUF DER STRASSE
Noch fehlen sechs Wochen bis zur Durchführung des Antifaschistischen Umzugs in Bilbao, doch die Vorbereitungen laufen bereits. Am 12. Oktober, wenn im spanischen Staat der unsägliche “Tag der Hispanität“ gefeiert wird, und mit Militärparaden der Völkermord in Lateinamerika gefeiert wird, deuten die Zeichen in Bilbo in die entgegengesetzte Richtung. Denn am Sagrado Corazón Platz beginnt um 12 Uhr mittags eine neue Ausgabe von Alarde Antifaxista, einer antifaschistischen Demonstration, die an den antifaschistischen Widerstand im Krieg von 1936 erinnert und auch den neuen Faschismus von 2021 im Auge hat.
Anfang 2019 entstand die Basis-Initiative Alarde Antifaxista, um das Erbe der Menschen, die gegen den spanischen Faschismus gekämpft haben, ins historische Gedächtnis zu rufen. Zunächst beschlossen etwa 30 Personen aus verschiedenen Gebieten, die ehemaligen Schützengräben des “Eisernen Gürtels“ (Wall zur Verteidigung Bilbaos gegen die aufständischen Franquisten) in der Gegend von Ganguren zu säubern, da sie in einem äußerst schlechten Zustand waren. Zugleich wurde eine Volksküche organisiert, an einem nahen Fronton wurde ein antifaschistisches Graffiti erstellt. An diesem Tag entstand die Idee, entlang der Gran Vía in Bilbo einen antifaschistischen Aufmarsch zu veranstalten und dabei die verschiedenen Bataillone zu simulieren, die unter dem Kommando des "Euzkadiko Gudorostea" (improvisierte baskische Armee) 1936 an die Front zogen, um gegen die Faschisten zu kämpfen.
Der 12. Oktober – Ankunftstag der Kolumbus-Eroberer in der “Neuen Welt“, im spanischen Staat lange “Tag der Rasse“ genannt, bevor der Begriff zu peinlich wurde – war dafür ein ideales Datum. Mit dieser Aktion sollen nicht nur die baskischen Gudaris und Milizionäre geehrt werden, die damals ihr Leben einsetzten für das Baskenland und eine republikanische Gesellschaft. Auch sollte deutlich gemacht werden, dass dieser Kampf notwendigerweise weitergeht und weitergehen wird, solange der Faschismus existiert sowie das System, das ihn antreibt und aufrechterhält.
Die Initiative ist Teil eines antifaschistischen und antirassistischen Kampfes, mit dem verschiedene Formen der Unterdrückung und Zerstörung angeprangert werden, die der Kapitalismus hervorbringt. Alarde Antifaxista ist eine Initiative, die sich dem Vergessen verweigert und das Erbe aller antifaschistischen Kämpferinnen, der Großmütter und Großväter erneut auf die Straße bringt. Denn faschistische Umtriebe sind gestern wie heute eine Gefahr.
Alarde Antifaxista ist der Zusammenschluss verschiedener ideologischer Tendenzen, das Zusammenkommen verschiedener politischer Familien, die ihre Wurzeln in der antifaschistischen Tradition von Euskal Herria haben. Alarde ist ein Instrument zur Mobilisierung, weil mit Wahlen und einer fragwürdigen Demokratie eine Aufarbeitung des spanischen Franquismus und eine Beendigung der Straffreiheit der damaligen Täter nicht möglich ist.
RÜCKBLICKE: * (1944) Verschiedene baskische Kämpfer ziehen mit der französischen Résistance und den alliierten Truppen siegreich in Paris ein. * (1974) Schmutziger Krieg: Ultrarechte legen sechs Bomben in Oñati, vier explodieren. * (1978) Nach einem ETA-Angriff auf eine Polizeikaserne in Gasteiz kommt es zu einem Schusswechsel, bei dem der zufällig vorbeikommende Rentner Jose Garcia Gastiain tödlich getroffen wird. * (1978) Portugalete: Brandanschlag gegen das Büro der Arbeiterpartei PTE, einer der Angreifer stirbt Tage später an Brandverletzungen. * (1983) Jahrhundert-Überschwemmungen in Bilbo, Bermeo, Laudio (Bizkaia). * (1987) Unter dem Auto eines HB-Stadtrats von Hondarribia wird eine Bombe entdeckt, es ist bereits der zweite Angriff auf den Politiker. * (1989) In Oiartzun (Gipuzkoa) wird der junge Antxon Ezponda entführt und gefoltert. * (2002) Formale Illegalisierung von Batasuna durch Richter Garzon von der Audiencia Nacional.
(2021-08-25)
EXTREME AUSBEUTUNG
Kapitalismus lebt von der Ausbeutung der Lohnabhängigen, das ist seit Marx und Engels wohl bekannt: dabei gibt es verschiedene Formen oder Stufen der Ausbeutung, angefangen beim deutschen Modell der Sozialpartnerschaft der 1960er Jahre bis zur Sklaverei. Auch bei Daimler in Gasteiz oder bei Volkswagen in Pamplona wird ausgebeutet, obwohl die Beschäftigten einen “relativ“ guten Lohn erhalten und durch starke Gewerkschaften einigermaßen abgesichert sind. Doch es geht auch anders.
Ein Unternehmer aus Bizkaia wurde verhaftet, weil er Arbeiter zwang, 26 Stunden am Stück für 5 Euro die Stunde zu arbeiten. In einem Lager im Industriegebiet von Zamudio (gleich neben dem Flughafen Bilbao) mussten die Leute sklavenähnliche Arbeit verrichten, von sieben Uhr morgens bis neun Uhr morgens am nächsten Tag, bis die Polizei davon Wind bekam. Die Verhaftung fand bereits am 17. August statt. Die Aktion begann, als sich mehrere Arbeiter bei der spanischen Polizeistation in Bilbo meldeten, weil sie von ihrem Arbeitgeber auf extreme Weise ausgebeutet wurden. Die Ermittler überprüften Schwere und Wahrheitsgehalt der geschilderten Tatsachen und gewährten den Opfern den Status von geschützten Zeugen.
Die Arbeiter erklärten, der Unternehmer habe keine Verträge mit ihnen abgeschlossen, da sie keine Aufenthalts-Genehmigung besaßen, der Lohn betrug fünf Euro pro Arbeitsstunde. Nach einem Arbeitsunfall und der Notwendigkeit zu ärztlicher Behandlung, wurden sie vom Eigentümer angewiesen, weder das Unternehmen noch den Ort zu erwähnen, an dem sie sich verletzt hatten. Gelegentlich mussten sie, wie der Unternehmer es nannte, einen "Marathon" absolvierten: 26 Stunden am Stück, mit einer Stunde Pause zum Mittagessen. Während der Nacht blieben sie auf dem Firmengelände eingeschlossen.
OHNE WOHNSITZ ODER VERTRAG
Bei einer polizeilich-behördlichen Inspektion wurden insgesamt acht Arbeiter festgestellt. Vier von ihnen hatten weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch einen Arbeitsvertrag. Nach der Verhaftung wurde der Unternehmer bei Auflagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Ihm wird vorgeworfen, Arbeitnehmer-Rechte verletzt zu haben, dafür droht eine Geldstrafe von mehr als 70.000 Euro wegen Verstoßes gegen die Arbeits- und Sozialversicherungs-Vorschriften.
RÜCKBLICKE: * (1721) Laut Vertrag von Den Haag müssen die französischen Truppen, die Donostia (San Sebastián) seit 1719 besetzt hielten, die Stadt räumen. * (1862) Luis Arana Goiri wird geboren, zusammen mit seinem Bruder Sabino gründet er 1895 die PNV, die Baskisch Nationalistische Partei. * (1979) In Gasteiz werden Justo Lopez und Felix Mingueta in einer Bar von der Polizei erschossen. * (1982) Beim Versuch, eine Bombe zu entschärfen, sterben zwei Sprengstoff-Spezialisten der Guardia Civil in Mungia, Bizkaia.
(2021-08-24)
JUGEND DURCH COVID ANGESCHLAGEN
Das Baskische Jugendobservatorium hat eine Studie veröffentlicht zur Situation junger Menschen. Danach hat sich während der Pandemie die Zahl der Jugendlichen, die wegen psychischer Probleme ins Krankenhaus eingeliefert wurden, um 50% erhöht. Magersucht, Suizid-Tendenzen und Angstzustände sind dabei die schwerwiegendsten Symptome. Die Studie vergleicht die ersten fünf Monate des Jahres 2019 mit dem gleichen Zeitraum des Jahres 2021. Beteiligt waren Ärztinnen der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der allgemeinen Psychiatrie eines Krankenhauses in Bilbao. Beide Einrichtungen stützen sich auf die Fälle, die im Krankenhaus eingingen. Die Studie unterteilt die psychischen Probleme Jugendlicher in drei Bereiche: Ess-Störungen (Magersucht), Selbstmord-Gedanken und posttraumatischen Stress. Sie haben zu einem Anstieg der Krankenhaus-Aufenthalte geführt.
Anorexie war das erste klinische Ereignis, das bereits im März 2020 auffiel, parallel zu den Wellen der Pandemie zunahm und bis 2021 heftiger wurde. Konkret wurde in Bizkaia im Jahr 2020 ein Anstieg der psychiatrischen Einweisungen von Jugendlichen aufgrund von Anorexia um 153% festgestellt. Suizidale oder selbstverletzende Verhaltensweisen werden seit Herbst 2020 wahrgenommen, der Anstieg hält unvermindert an. Eine dritte Auswirkung sind Angstsymptome oder posttraumatische Belastungsstörungen. Der Bericht stellt einen Anstieg dieser Fälle um 100% fest.
FAKTOREN
Die Ärztinnen weisen auf die Faktoren hin, die diese emotionale Notlage bei Jugendlichen hervorrufen. Erstens hat die Pandemie seit März 2020 zu einer massiven Isolation durch Einschluss geführt und die sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen, die zur normalen Entwicklung von Jugendlichen gehören, drastisch unterbrochen, bei vielen wurde die Persönlichkeits-Entwicklung gestört oder in Frage gestellt. Schulische Leistungen verloren an Bedeutung und damit das mit erfolgreichen Leistungen verbundene Selbstwertgefühl.
Zweiter Faktor ist die Ungewissheit über die Zukunft bzw. die Angst vor dem Verlust der Arbeit: Angst vor Krankheit, vor familiären und sozialen Konsequenzen. "Der Lebensstil änderte sich so dramatisch, dass es für viele Jugendliche so aussah, als gäbe es kein Leben mehr, als würde die Pandemie nie verschwinden", heißt es im Bericht. Einschränkungen der sozialen Kontakte, der körperlichen Nähe, der sozialen Aktivitäten und der Isolation von Schulgruppen während des gesamten Schuljahres forderten ebenfalls ihren Tribut, "weil dies den Jugendlichen eine Selbstkontrolle abverlangte, die sie zermürbte".
SCHULDGEFÜHLE
Dem Bericht zufolge hat die Gesellschaft den Jugendlichen im Herbst und Winter 2020 und bis heute falsche Botschaften vermittelt. "Sie wurden beschuldigt, die tödliche Krankheit in ihren Familien verbreitet zu haben, damit wurde dem ohnehin unsicheren Image der Jugendlichen eine allgemeine Schuldzuschreibung hinzugefügt", heißt es. Die Autorinnen des Berichts rügen, dass "in den Medien zu keinem Zeitpunkt eine Botschaft der Anerkennung für das außergewöhnliche Verhalten der Jugendlichen in dieser ganzen Zeit zu hören war“.
Sie räumten ein, dass das Gesundheits-System in dieser Zeit nicht in der Lage war, die Nachfrage nach psychosozialer Betreuung zu bewältigen. Erst wurde die persönliche Beratung ausgesetzt und später, als die Nachfrage nach Betreuung für Jugendliche stieg (vor allem ab Herbst 2020), war die Beratung überfordert. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen extrem gefährdet ist und es notwendig ist, "die beste und intensivste psychologische und psychiatrische Betreuung anzubieten, um eine möglichst schnelle und vollständige Genesung zu erreichen, und die Kräfte mit der Gesellschaft und der pädagogischen Welt zu bündeln".
RÜCKBLICKE: * (1721) Laut Vertrag von Den Haag müssen die französischen Truppen, die Donostia (San Sebastián) seit 1719 besetzt hielten, die Stadt räumen. * (1862) Luis Arana Goiri wird geboren, zusammen mit seinem Bruder Sabino gründet er 1895 die PNV, die Baskisch Nationalistische Partei. * (1979) In Gasteiz werden Justo Lopez und Felix Mingueta in einer Bar von der Polizei erschossen. * (1982) * Beim Versuch, eine Bombe zu entschärfen, sterben zwei Sprengstoff-Spezialisten der Guardia Civil in Mungia, Bizkaia. * (1980) Aurelia Jimenez aus Donostia stirbt durch Schüsse der Guardia Civil beim Einsammeln von Schrott bei einem Unternehmen. * (1994) In Montevideo sterben Fernando Morroni und Roberto Facal bei einer Demonstration gegen die Auslieferung baskischer Flüchtlinge durch Polizeikugeln.
(2021-08-23)
KAMPF ODER RANDALE
In Donostia wäre in der vergangenen Woche Fiesta gewesen. Wenn nicht Coronavirus dazwischen gekommen wäre. Das zweite Jahr in Folge. All jene, die mit diesem wiederholten Ausfall der geliebten Aste Nagusia nicht zufrieden waren, erfanden kurzerhand die “No-Fiestas” (Keine-Fiestas) und gingen auf die Straße, als wäre alles normal. Doch trinken auf der Straße ist ebenso verboten wie der Verzicht auf die Maske oder zu geringer Abstand. Insofern war klar, dass auf die Polizei Arbeit zukommen würde. So geschah es. In der Altstadt warteten die illegalen Versammelten gar nicht erst auf den Einsatz der Uniformierten, sondern begrüßten dieselben gleich mit Flaschen und Steinen. Das Ergebnis: 62 Festgenommene in einer Woche, eine stolze Zahl.
In der letzten No-Fiesta-Nacht steigerte sich der Aktionismus insofern, dass in der Innenstadt gezielt Läden aufgebrochen und ausgeraubt wurden. Alles roch förmlich danach, dass es sich um den Straßenkampf (kale borroka) handeln könnte, den die Jugend der baskischen Linken über Jahre hinweg praktiziert hatte, bevor ETA die Gewehre an den Nagel hängte. Dass sich unter den jungen Männern, die hartnäckig auf Fiesta bestanden, Kollegen mit Vorstrafen wegen Kleinkriminalität und Verstößen gegen die Covid-Auflagen befanden, war keine Überraschung. Spannende Frage war, ob die linke Jugend ebenfalls Karten im Spiel hatte.
In der Politik wollte sich dabei niemand allzu weit aus dem Fenster lehnen. Der PNV-Chef sprach von “Besoffen kämpfen“ (mozkorra borroka), was zumindest eine Anlehnung an die linke Praxis darstellte. Der Innensenator hingegen wies jegliche Vergleiche zurück. In dieselbe Richtung geht die entschiedene Ablehnung der baskischen Linken gegenüber den Plünderungen. Ganz ohne Polemik wollte der Polizeichef die Sache aber doch nicht abhaken. Es sei nicht auszuschließen, dass sich negationistische und marxistische Kräfte zu einem Marxismus-Negationismus“ zusammengeschlossen hätten. "Nach unseren Daten und dem Profil der Verhafteten können wir nicht erkennen, dass dies das Ergebnis einer Stadtguerilla-Strategie mit einem politischen Ziel ist. Doch die Konfrontation mit der Polizei ist Teil des Musters. Genau dasselbe wie in Katalonien, Frankreich oder Deutschland".
RÜCKBLICKE: * (1927) Die beiden aus Italien stammenden Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti werden wegen eines angeblichen Raubmordes in Massachusetts hingerichtet. * (1944) Zweiter Weltkrieg: Beginn der Schlacht um Stalingrad. * (1980) Aurelia Jimenez aus Donostia stirbt durch Schüsse der Guardia Civil beim Einsammeln von Schrott bei einem Unternehmen. * (1994) In Montevideo sterben Fernando Morroni und Roberto Facal bei einer Demonstration gegen die Auslieferung baskischer Flüchtlinge durch Polizeikugeln.
(2021-08-22)
JUGEND STIRBT AN COVID
Seit 23. Juni sind in im spanischen Staat 38 Personen unter 40 Jahren an Coronavirus gestorben. Dies geht aus den vorläufigen Berichten des Instituts Carlos III (Madrid) und des Netzes für epidemiologische Überwachung hervor. Die bislang tödlichste Welle in dieser Altersgruppe war die dritte, die im Dezember und Januar ihre Spuren hinterließ. Damals starben 114 Personen aus dieser Altersgruppe.
In der ersten Epidemiewelle wurden 94 Todesfälle bei Personen unter 40 Jahren registriert, in der zweiten waren es 84 und in der Welle um Ostern dieses Jahres 25, wobei bei allen Vergleichen zwischen den Wellen deren sehr unterschiedliche Dauer berücksichtigt werden muss. EIn Blick auf die Krankenhausbelegung lässt die Sorge der Expertinnen um das Covid-Schicksal junger Menschen größer werden.
In den letzten zwei Monaten (Juli, August) mussten 9.201 Personen unter 40 Jahren ins Krankenhaus eingeliefert werden, nur in der dritten Welle waren es mit 11.417 mehr, jedoch innerhalb eines Monats. Doch sind im Verhältnis dazu noch nie so viele unter 40-Jährige so schnell im Krankenhaus gelandet wie jetzt – die Klassenfahrten nach Mallorca, illegalen Partys und kollektiven Besäufnisse lassen grüßen. Auf den Intensivstationen ist die Situation noch extremer. In der fünften Welle mussten 632 Personen unter 40 Jahren intensiv betreut werden, in absoluter und relativer Hinsicht die höchste Zahl der gesamten Pandemie.
RÜCKBLICKE: * (1848) Die USA annektieren Neu-Mexiko. * (1922) Der irische Freiheitskämpfer Michael Collins wird ermordet. * (1989) “Schmutziger Krieg im Baskenland“: in einem gastronomischen Verein wird von Ultrarechten ein Explosivkörper deponiert. * (2009) In Ezkaba (Pamplona, Navarra) wird das Monument für die Opfer des Franquismus in der Gefängnis-Festung zerstört.
(2021-08-21)
FRANCOS ABWEHRBUNKER IN DEN PYRENÄEN
Junge Leute zwischen 18 und 24 Jahren suchen und bergen in den Navarra-Pyrenäen franquistische Bunker. Neben einheimischen Jugendlichen sind auch andere dabei aus verschiedenen Teilen Spaniens: aus Katalonien, Andalusien, Aragonien, den Balearen, Kantabrien, Kastilien-León, Kastilien-La Mancha, La Rioja und Murcia. In den ersten zwei Augustwochen waren sie in Lesaka, jetzt arbeiten sie in Eugi im Rahmen des Programms der Regierung von Navarra "Befestigte Grenze".
MEHR ALS 10.000 BUNKER
Die Betonbunker, um die sich das Arbeitscamp kümmert, befinden sich in der Gemeinde Eugi in den Pyrenäen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Frankreich entfernt. Sie wurden zwischen Ende der 1930er und den 1950er Jahren gebaut. Die Franquisten befürchteten eine Intervention des republikanischen Widerstands aus dem Norden oder ein Eingreifen der Verbündeten aus dem Zweiten Weltkrieg. So versuchte die Franco-Diktatur, die Grenze zwischen dem französischen und dem spanischen Staat zu schließen und zu befestigen, indem sie Tausende von Bunkern und militärischen Anlagen in den Pyrenäen errichten ließ, mehr als 10.000.
Die Arbeit der Freiwilligen umfassen die Säuberung, Bergung und Dokumentation der vorhandenen Strukturen und Befestigungen auf der Hochebene von Urkiaga, zahlreicher Luftschutzbunker, Unterstände und Schützengräben. Diese befinden sich entlang des Gipfels, auf beiden Seiten der Straße, die zur französischen Staatsgrenze führt, bis hin zum Fuß des Adi-Berges.
EIN RIESIGES, UNBEKANNTES WERK
Einige dieser unterirdischen Bauten werden nicht nur gereinigt und als Schutzhütten eingerichtet, sondern auch speziell beschildert und katalogisiert. Ergänzt wird das Werk durch Erläuterungen zum Bau dieser Befestigungen, zur Dokumentation der Epoche und durch archäologische Aufzeichnungen. Der Direktor des Jugendinstituts von Navarra: "Die Jugendlichen zeigen uns, dass sie sich für Freiwilligenarbeit, Kultur und Geschichte interessieren, weshalb die Regierung von Navarra diese Art von Programmen und Aktivitäten weiterhin anbieten wird".
KOOPERATIONSPROJEKTE
Dieses Projekt wurde gemeinsam vom Memoria-Institut Navarra und dem Jugendinstitut organisiert. Beide Einrichtungen arbeiten seit 2017 bei diesen Aktivitäten zusammen. Es wurden Workcamps durchgeführt, um den “Flaschenfriedhof“ von Ezkaba zu erneuern, Bauwerke in Auritz zu lokalisieren und zu säubern, Baracken der republikanischen Gefangenen in Igari und verschiedene franquistische Befestigungen wiederherzustellen. Hauptziel ist es, den Teilnehmer*innen einen integrativen Raum ohne Ausgrenzung zu bieten, um Wissen und Koexistenz unter Gleichen, Erfahrungsaustausch, Teamarbeit, körperliche und emotionale Entwicklung, Frieden, Gleichheit, Solidarität, Ökologie und Respekt für alle Kulturen zu erfahren.
Anfang August fand in Lesaka ein erstes Camp für junge Freiwillige statt. Sie widmeten sich der Säuberung, Bergung und Dokumentation der Bunker in diesem grenznahen Gebiet sowie der Säuberung einer Reihe von Baracken aus der Zeit des Baus der Landstraße Lesaka-Oiartzun durch den Aritxulegi-Tunnel. Diese Arbeiten wurden zwischen 1939 und 1941 von den sogenannten “Sklaven Francos“ ausgeführt, unter miserabelsten Bedingungen, Kälte und Hunger. Hier waren 1.756 politische Gefangene untergebracht.
RÜCKBLICKE: * (1791) Beginn der Revolution auf Haiti. 100.000 bewaffnete Sklaven erheben sich gegen die französischen Kolonisatoren. * (1988) In Lizarra, Nafarroa, tötet ETA mit einer Autobombe zwei Zivilgardisten. * (1994) In Berango, Bizkaia, wird ein Nationalpolizist aus Andalusien von einem ETA-Kommando erschossen.
(2021-08-20)
VON KABUL NACH BILBO IM ROLLSTUHL
Die afghanische Basketball-Spielerin Nilofar Bayat kann Kabul mit Einverständnis der Taliban verlassen. Der Basketball-Club für Rollstuhl-Fahrer*innen von Bilbao hat der afghanischen Spielerin ein Angebot zur Aufnahme im Club gemacht. Wenn es nach Bidaideak Bilbao BSR geht, wird Nilofar zusammen mit ihrem Mann in Bilbao aufgenommen und kann für das aktuelle Meisterteam spielen. Doch befindet sie sich noch am Flughafen von Kabul, wo weitere Hunderte von Menschen auf Flugzeuge warten. Mit Hilfe eines spanischen Kriegs-Berichterstatters wird versucht, mit spanischen Behörden in Kontakt zu kommen.
Der Verein aus Bizkaia hat der 28-jährigen Nilofar die Türen geöffnet. Der Präsident des Vereins, Txema Alonso, hat den internationalen Verband dieser Sportart und den spanischen Verband über seine Bereitschaft informiert, die Spielerin aus Afghanistan aufzunehmen. "Wenn man von so einem Schicksal hört, schaut man entweder zum Himmel oder man packt mit an. Wir haben mit einem Journalisten Kontakt aufgenommen, der Nilofar kennt. Sie kann zu uns kommen, wenn sie dies wünscht.“
Bidaideak hat bereits Absprachen mit der Regierungsstellen getroffen. "Sie ist bei uns willkommen ", betont der Präsident von Bidaideak, der Club arbeitet gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und für die Beseitigung von Hindernissen für die Eingliederung in die Gesellschaft mit Hilfe des Sports ein. "Ein Verein wie unserer macht nur auf der Grundlage von moralischen Werten Sinn", schließt Alonso, der inzwischen zu den Paralympischen Spielen nach Tokio aufgebrochen ist.
Das Leben von Nilofar in ihrem Heimatland war nicht einfach. Als sie zwei Jahre alt war, schlug eine Taliban-Rakete in ihrem Haus ein, tötete ihren Bruder und verletzte ihr Rückenmark. Seit acht Jahren spielt sie in der afghanischen Rollstuhl-Nationalteam für Basketball, ein Sport, den sie mit ihrem Mann Ramish, dem Kapitän des Rollstuhl-Teams der Männer teilt. Bidaideak will Nilofar beim Neustart helfen und ihr eine hoffnungsvollere Zukunft zu ermöglichen.
RÜCKBLICKE: * (1968) Truppen des Warschauer Pakts beenden in der Tschechoslowakei den Traum von einem “Sozialismus mit menschlichem Gesicht“, Ministerpräsident Dubcek wird nach Moskau entführt. * (1978) In Bilbao beginnt die Fiesta-Woche mit dem neuen Organisations-Modell: Stadtteilgruppen sind die Protagonisten. * (1993) Juan Calvo aus Bilbao stirbt an den Folgen der Folter der baskischen Ertzaintza-Polizei von Arkaute. * (1999) Bei der Eröffnung der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Sevilla schleichen sich verkleidete Basken in die Feier und zeigen auf der Bühne eine Solidaritätsfigur für die baskischen politischen Gefangenen. * (2003) Brandanschlag auf die linke Herriko Taberna in Leitza, Nafarroa.
(2021-08-19)
EXTREME ARMUT
Mehr als 500 Familien in Barakaldo (100.000 EW-Nachbarstadt von Bilbo) leiden im August unter Lebensmittelknappheit. Bisher haben diese Familien von Lebensmittelpaketen gelebt, doch der Nachschub stagniert und der Stadtrat ergreift keine Maßnahmen, um die Situation zu lindern. So die Kritik von Berri-Otxoak, Sozialinitiative aus dem Großraum. Anlässlich der Plenarsitzung des Stadtrats versammelten sich mehrere Personen vor dem Rathaus der ehemaligen Industriestadt mit leeren Lebensmittelpaketen, um das mangelnde Engagement der Kommunalverwaltung bei der Beseitigung der Armut anzuprangern, unter der seit der Pandemie immer mehr Menschen in der Stadt leiden. Zur Schau stellten sie Kartons mit Hülsenfrüchten, Nudeln, Milchtüten, Ölflaschen, Konserven, Hygieneartikeln und anderen lebensnotwendigen Gütern, ähnlich denen, die üblicherweise von karitativen Organisationen verteilt werden.
Der Lebensmittel-Mangel betrifft vor allem die Kinder dieser Familien: "Ohne Ferienlager oder Schulkantinen kann ihr Nahrungsmittel-Bedarf nicht gedeckt werden, was sich auf ihre Gesundheit auswirken kann, wenn nicht erforderliche Maßnahmen ergriffen werden.“ Angesichts der Notlage und ihrer weiteren Verschärfung in den nächsten Monaten ist es auffällig, dass die Abteilung für soziale Maßnahmen der Stadt den "Lebensmittelscheck", den im letzten Jahr 240 Familien zur kurzfristigen Linderung ihrer Notlage erhielten, diesmal nicht eingesetzt hat.
Mehr noch, sechs Monate nach Eröffnung der Antragsfrist für die soziale Nothilfe (AES) und nach Angaben der Initiavie Berri-Otxoak gegen soziale Ausgrenzung "ist uns keine einzige Familie bekannt, die diese Nothilfe bisher erhalten hat". Sie berichten weiter, dass "die Kommunalverwaltung deutlich gemacht hat, dass sie Anträge ablehnen oder die Beträge kürzen wird, da sie nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt hat, um den Anforderungen und Bedürfnissen aller Familien gerecht zu werden". Das Sozialamt stellt die antragstellenden Familien vor die Wahl, entweder die Wohnungs-Kosten zu tragen oder ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu decken: Lebensmittel, medizinische Versorgung, oder kommunale Ausgaben, Strom und Wasser.
Die im Gesetz für öffentliche Verwaltungen festgelegte Verpflichtung, die Antragsfrist für diese Leistungen zwölf Monate im Jahr offen zu halten, wurde erneut in eklatanter Weise verletzt, da sie in diesem Jahr auf den 21. Oktober vorverlegt wurde. Die Demonstranten forderten den Stadtrat für Soziales auf, "seine derzeitige Kürzungspolitik rückgängig zu machen, der Situation in der Stadt gerecht zu werden, die Rechte und Bedürfnisse aller Familien in der Gemeinde zu gewährleisten und die Gesetze zum Schutz der schwächsten Bevölkerungsgruppen einzuhalten". (QUELLE)
RÜCKBLICKE: * (1965) Beginn der Urteilsverkündung im ersten Auschwitz-Prozess in Frankfurt. * (2002) Tod des Bildhauers Eduardo Chillida (*1924), einer der berühmtesten baskischen Künstler des 20.Jh.
(2021-08-18)
ARCHÄOLOGIE STATT HOCHGESCHWINDIGKEIT
In Süd-Navarra, nahe der Stadt Tafalla, wurden archäologische Reste entdeckt, die aus der Eisenzeit stammen könnten. Die Zone liegt ausgerechnet auf der Strecke des umstrittenen Hochgeschwindigkeits-Zuges AHT-TAV, der seit 15 Jahren quer durch das Baskenland gebaut wird. Die Generaldirektion für Kultur hat nun eine Reihe von Prospektions-Arbeiten für die Gegend von La Gariposa beantragt, wo die archäologische Funde gemacht wurden. Die entdeckten Elemente befinden in der Nähe des Gebiets, das im archäologischen Inventar von Nafarroa dokumentiert ist als Ort einer römischen Stadt.
In Kürze wird ein Zaun um das etwa 5.000 Quadratmeter große Gebiet errichtet, um Plünderungen und unkontrollierte Schäden zu verhindern. Die Überreste deuten auf eine strukturierte Siedlung mit einer Einfriedung hin. Die Auswertung der Funde schließt nicht aus, dass in dem Gebiet, in dem sich die Gariposa-Anlage befindet, eine zweite Siedlung oder zumindest archäologische Strukturen erhalten sein könnten. Derzeit seien die verfügbaren Informationen unvollständig, es fehlen genaue Angaben über das Ausmaß, die Größe der Strukturen, ihre Chronologie, so die Regierung von Navarra. Die von der Generaldirektion für Kultur ergriffenen Maßnahmen sehen vor, diese Daten "genau und zweifelsfrei" zu klären.
SCHNELLZUG-KORRIDOR
Das betreffende Gebiet liegt im Abschnitt Süd-Tafalla des geplanten Korridors des Hochgeschwindigkeitszugs AHT-TAV von Navarra. Derzeit werden Entwässerungs-Arbeiten und notwendige archäologische Prospektionen durchgeführt, dabei wurde die Steinzeit-Entdeckung gemacht. Angeblich sind die Bauplanungen noch in einer frühen Phase, sodass nach dem derzeitigen Kenntnisstand die vorgesehenen Bau-Fristen nicht wesentlich verändert werden.
Der beauftragte Bauträger teilte mit, dass diese Art von Funden beim Bau von Eisenbahn-Infrastrukturen üblich sei, dabei werde "nach einem strengen Protokoll gehandelt, dessen Ziel es ist, alle archäologischen Überreste zu schützen, gemäß der Bestimmungen für Kulturerbe". Das bleibt zu hoffen, denn gerade in Navarra wurden in der Vergangenheit archäologische Funde erster Qualität für ein Parkhaus geopfert (Pamplona, Plaza del Castillo). Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass "keine Auswirkungen auf den geplanten Streckenverlauf zu erwarten sind". (QUELLE)
RÜCKBLICKE: * (1480) Eine Militär-Expedition Kastiliens landet zur Eroberung in Gran Canaria. * (1936) Der Schriftsteller Federico García Lorca aus Granada wird von Faschisten ermordet. * (1941) Die Nazis ordnen Euthanasie für Geisteskranke an. * (1947) Ein Sprengstoff-Depot der franquistischen Kriegsmarine explodiert in Cadiz, 150 Personen sterben. * (1986) Ein spanischer Militär wird in Legutiano (Araba) von einem ETA-Kommando erschossen.
(2021-08-17)
EZKABA-AUSBRECHER IDENTIFIZIERT
Mithilfe der DNA-Bank der Regierung von Nafarroa wurden die sterblichen Überreste eines weiteren Ausbrechers aus der Gefängnis-Festung Ezkaba (Mai 1938) identifiziert. Es handelt sich um Emiliano Miguel Portugal, seine Leiche war mit drei anderen zusammen 2018 in Larrasoaña exhumiert worden, einer konnte bislang identifiziert werden, die beiden anderen nicht. Was war Ezkaba? Die auf dem gleichnamigen Berg liegende Militärfestung stammt aus dem 19. Jahrhundert und trägt den Namen Alfonso XII oder auch San Cristobal. Ihr Bau wurde nach dem Ende des zweiten Karlistenkrieges (1878) begonnen und 1910 vollendet. Ihre Verteidigungsfunktion erfüllte Ezkaba nie, 1929 wurde die in die Bergkuppe eingelassene Festung zum Gefängnis umgewidmet. Nach dem Militärputsch der faschistischen Generäle waren hier mehr als 2.500 republikanische Gefangene verschiedener Ideologien eingesperrt.
Am 22. Mai 1938 (der Spanienkrieg war noch in vollem Gang) flohen 800 Gefangene aus der Festung und versuchten, über die nahe Grenze nach Frankreich zu gelangen. Da die Flucht jedoch schnell entdeckt wurde, schafften es nur vier der Geflohenen, die Grenze zu erreichen. Der Rest wurde wieder eingefangen, 206 von ihnen wurden umgehend dort erschossen, wo sie geschnappt wurden. Deshalb ist der Fluchtweg Richtung Norden mit vielen anonymen Gruppengräbern übersät. Einige davon wurden nach Ende des Franquismus entdeckt, geöffnet und die Leichen exhumiert. Um sie (und viele andere Toten aus Massengräbern der Kriegszeit) zu identifizieren, rief die navarrische Regierung (nachdem dies vorher von der baskischen Regierung praktiziert worden war) alle Familien von Kriegsverschwundenen dazu auf, DNA-Proben abzugeben, um die Identifizierung zu ermöglichen.
Emiliano Miguel Portugal ist nicht der erste, der wieder einen Namen hat und dessen Nachfahren nun wissen, wo er von den Faschisten durch ein Erschießungskommando ermordet wurde. Mit ihm zusammen in der Todesgrube lagen 80 Jahre lang die sterblichen Überreste von Leoncio de la Fuente Ramos aus Valladolid, die im vergangenen Jahr zugeordnet werden konnten, ebenfalls über eine DNA-Probe. Paulina Linzoain, damals ein junges Mädchen, hatte die Hinrichtung 1938 beobachtet und Jahrzehnte später davon berichtet. Dank ihrer Aussage wurde das Grab gefunden und 2018 exhumiert.
30 IDENTIFIZIERUNGEN
Damit ist die Zahl der von der Nafarroa-DNA-Bank identifizierten Überreste auf 30 gestiegen. Derzeit sind noch 274 Akten offen, viele Familien müssen noch kontaktiert werden, viele Leichen sind noch nicht gefunden und exhumiert. Aus diesen Gründen ruft das Erinnerungs-Institut Navarra zur Kooperation auf, um sowohl Gräber zu finden als auch um Verwandte von Flüchtigen ausfindig zu machen, deren genetische Proben neue Identifizierungen ermöglichen. Die Identifizierungen waren möglich dank der Arbeit von Forschern wie Fermín Ezkieta, Initiativen wie Txinparta, der Wissenschafts-Gemeinschaft Aranzadi und dem Gen-Labor des staatlichen Unternehmens Nasertic. Emiliano Miguel Portugal wurde am 15. Oktober 1916 in Santibáñez de Esgueva (Burgos) geboren wurde und war ledig. Er war 21 Jahre alt, als er nach der Flucht aus der Gefängnis-Festung San Cristóbal auf dem Berg Ezkaba erschossen wurde.
RÜCKBLICKE: * (1991) Im Stadtteil Morlans von Donostia entdeckt die spanische Polizei ein ETA-Kommando, beim Schusswechsel sterben die drei ETA-Mitglieder Iñaki Ormaetxea Antepara, Jokin Leunda Mendizabal und Patxi Itziar Agirre. Augenzeugen sprechen von einer regelrechten Exekution durch die Guardia Civil. Einsatzleiter ist Enrique Galindez, später berüchtigt und verurteilt wegen Folter, Drogendeal und Mord an den ETA-Mitgliedern Lasa und Zabala. * (1992) Vor einem Supermarkt in Donostia werden zwei Zivilgardisten von Intxaurrondo von einem ETA-Kommando erschossen. * (1995) Mumia Abu-Jamal, afro-amerikanischer Gefangener, dem ein Polizistenmord angehängt wird, soll exekutiert werden. Nach internationalen Protesten wird die Vollstreckung verschoben. * (2017) In Barcelona werden auf den Ramblas elf Personen, darunter Touristen, von einem islamistischen Kommando erschossen, 131 Verletzte.
(2021-08-16)
MARAVILLAS LAMBERTO, UNVERGESSEN
Maravillas Lamberto, 85 Jahre danach, eine Geschichte, die unvergessen bleibt. Nafarroa war eine Region, die von den aufständischen Faschisten 1936 und danach mit besonderer Grausamkeit bestraft wurde. In der Liste ihrer Verbrechen steht der Name des Mädchens Maravillas Lamberto: vergewaltigt, hingerichtet, den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Schockierend. Am 15. August jährte sich ihr Todestag zum 85. Mal.
Maravillas Lamberto war ein 14-jähriges Mädchen, das in Larraga lebte, einer kleinen Stadt in Nafarroa auf halbem Weg zwischen Lizarra und Tafalla. Ihr Vater, Vicente Lamberto, war Mitglied der Allgemeinen Gewerkschaft der Arbeiter (UGT). Am 15. August 1936, fast einen Monat nach dem Militärputsch gegen die spanische Republik, kam die Guardia Civil in sein Haus, um ihn zu verhaften. Maravillas, die älteste von drei Schwestern, wollte ihren Vater begleiten. Sie wurden ins Rathaus von Larraga gebracht. Lamberto wurde eingesperrt und das Mädchen nach oben gebracht, wo sie mehrfach vergewaltigt wurde. Beide wurden dann hingerichtet und der nackte Körper des Mädchens wurde den Hunden zum Fraß vorgeworfen. 85 Jahre danach ist die Erinnerung an dieses Verbrechen gegen jegliche Art von Menschlichkeit immer noch lebendig.
Die Tragödie der Familie endete damit nicht. Die Mutter, Paulina Yoldi, musste mit ihren beiden Töchtern, Pilar (10 Jahre) und Josefina (7), aus dem Dorf fliehen. Die Jüngste trat in ein Kloster ein, weil sie glaubte, dort studieren zu können, aber 30 Jahre lang wurde sie von den Klosteroberen wie eine Sklavin behandelt. Sie wurde nach Karachi (Pakistan) versetzt und durfte nicht zurückkehren. Schließlich gelang es ihr, nach Iruñea zurückzukehren, wo sie als Freiwillige in einer Suppenküche arbeitete und zum Bezugspunkt für die Aufrechterhaltung der antifaschistischen Erinnerung wurde. Die Leiche ihres Vaters, die in einem anonymen Graben gelandet war, wurde nie gefunden. Erst im Jahr 2012 brachte der Stadtrat von Larraga zumindest eine Gedenktafel für ihn an. Die Geschichte der Familie wird in dem Dokumentarfilm "Florecica" erzählt, der im September letzten Jahres veröffentlicht wurde.
Einer derjenigen, die viel dazu beigetragen haben, die Geschichte von Maravillas bekannt zu machen, ist der navarrische Liedermacher Fermin Balentzia mit seiner emotionalen Ballade, die im Internet 160.000 Mal aufgerufen wurde. In ganz anderem Stil nahm die Rockgruppe Berri Txarrak Jahre später einen Song mit dem Titel “Maravillas auf. Nach Jahrzehnten des vom Faschismus erzwungenen Vergessens trägt eine Straße in Iruñea (Pamplona) heute Maravillas Lambertos Namen, auf Initiative der vorigen Stadtregierung mit dem linken Bürgermeister Joseba Asiron. Auch ein besetztes Haus in der Altstadt trug ihren Namen. An diesem 85. Jahrestag war Maravillas lebendiger denn je.
RÜCKBLICKE: * (1975) Der Zivilgardist Antonio Pose wird von der bewaffneten Organisation FRAP in Madrid erschossen. * (1979) In Loiu wird der ehemalige Franco-Wächter Antonio Lopez von ETA-Leuten erschossen. * (1987) In Vitoria-Gasteiz werden zwei Polizisten mit einer ETA-Bombe getötet. * (2020) Der nach dem großen Erdrutsch auf einer teilweise illegalen Mülldeponie vermisste Arbeiter Alberto Sololuze wird sechs Monate nach dem Unfall bei den Umschichtungs-Arbeiten gefunden. Ein zweiter Arbeiter bleibt verschwunden.
(2021-08-15)
FILMPREIS FÜR KINO-MACHO
Trotz Vorwürfen häuslicher Gewalt soll der als Macho bekannte Schauspieler Johnny Depp beim ZINEMALDIA-Filmfestival San Sebastian 2021 (Donostia) für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden. Filmemacherinnen sind empört. Vor zwei Tagen hat das Direktorium des renommierten Filmfestivals angekündigt, Depp im September mit dem Ehrenpreis Premio Donostia auszuzeichnen. Doch die Entscheidung ist umstritten. Die Präsidentin des spanischen Verbands von Frauen in Kino und audiovisuellen Medien (CIMA), Cristina Andreu, hält eine Verleihung des Preises für unangemessen, solange sich Depp in einem Prozess befindet. Ihm wird häusliche Gewalt vorgeworfen. Zwar gelte die Unschuldsvermutung, so Andreu gegenüber der Nachrichten-Agentur EFE. "Wir sagen nur, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, ihm einen Preis zu verleihen, bevor wir nicht wirklich wissen, was passiert ist."
“FILMKUNST SOLL GEWÜRDIGT WERDEN”
Die Leitung des Festivals, das vom 17. bis 25. September 2021 zum 69. Mal stattfindet, hatte angekündigt, den Star von "Fluch der Karibik" als "einen der talentiertesten und vielseitigsten Schauspieler des zeitgenössischen Kinos" in einer Zeremonie am 22. September zu ehren. Dagegen erklärte der Direktor des Internationalen Filmfestivals von San Sebastian, José Luis Rebordinos, die Funktion des Festivals bestehe nicht darin, das Verhalten von Filmschaffenden zu beurteilen, "sondern jene Menschen zu würdigen, die einen außergewöhnlichen Beitrag zur Filmkunst geleistet haben". Eine überaus fragwürdige Haltung, mit der er genausogut den Mehrfach-Vergewaltiger Epstein einladen könnte.
Depp, dreimal für den Oscar nominiert, Gewinner eines Golden Globe, führt seit Jahren einen Rechtsstreit gegen seine Ex-Frau, die Schauspielerin Amber Heard. Sie beschuldigt ihn, gewalttätig geworden zu sein. Nachdem die britische Boulevard-Zeitung "Sun", Depp als "Frauenschläger " bezeichnet hatte, war der 58-Jährige gegen das Blatt wegen Verleumdung vorgegangen. Doch das Gericht befand, dass die in der Zeitung gegen Depp erhobenen Anschuldigungen "im Wesentlichen wahr" seien und dass zwölf der 14 ihm zugeschriebenen Übergriffe "stattgefunden" hätten. Zuletzt hatte Warner Bros. beschlossen, Depp aus der Besetzung des dritten Teils von "Phantastische Tierwesen" zu streichen.
RÜCKBLICKE: * (778) Schlecht bewaffnete baskische Soldaten überfallen im Pyrenäenort Roncesvalles (bask: Orreaga) die auf dem Rückzug befindliche Nachhut der Truppen Karls des Großen und schlagen sie vernichtend. Am Pass erinnert ein Rolands-Denkmal (Roldan). * (1936) Im navarrischen Larraga wird die 14-jährige Maravillas Lamberto von Franquisten vergewaltigt und zusammen mit ihrem Vater umgebracht. * (2015) Das Match um den spanischen Supercup (Meister gegen Pokalsieger) zwischen Athletic Bilbao und dem FC Barcelona gewinnen die Basken mit 4:0. Barcelona hatte beide Titel gewonnen, Bilbao durfte als unterlegenes Team im Cup-Finale den Supercup spielen und sorgte für eine kräftige Überraschung.
(2021-08-14)
SEXISMUS AUF DEM JAKOBSWEG
Eine Frau auf dem Jakobsweg. Allein. Auf einem einsamen Abschnitt des Jakobsweges in Asturien wird sie von einem Unbekannten verfolgt, der sich gleichzeitig masturbiert. Nach erfolgreicher Flucht erstattet sie Anzeige bei der Guardia Civil. Dabei wird ihr vorgeworfen, als Frau alleine den Santiago-Weg gemacht zu haben. "Heute, verfolgte mich ein Mann, während er sich einen runterholte. Die Guardia Civil schimpfte mich aus, weil ich allein ging. Das Problem bin nicht ich, sondern der verdammte Perverse, der hinter mir her war. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Angst. Ich bin querfeldein durch den Schlamm gelaufen. Er hat mich dazu verdammt, alle fünf Minuten nach hinten zu schauen. Das ist die Freiheit, die wir Frauen haben".
Es gibt immer mehr Frauen und Männer, die den Camino de Santiago (Jakobsweg) allein gehen. Männer tun dies im normalen Pilger-Rhythmus, Frauen gehen nicht allzu früh los und kommen nicht allzu spät am Tagesziel an, um in der jakobinischen Einsamkeit der völligen Einsamkeit (und eventuellen Bedrohung) zu entgehen. Wahrscheinlich wäre der Fall niemals bekannt geworden und schon gar nicht in die Medien gekommen, hätte es sich bei dem Sexismus-Opfer nicht um die Vizepräsidentin des Balearen-Parlaments und Abgeordnete von Podemos gehandelt: Die Erfahrungen von Gloria Santiago auf dem Santiago-Weg mit Sexisten und der spanischen Polizei.
RÜCKBLICKE: * (1947) Indien und Pakistan werden von Großbritannien unabhängig. * (1976) Die Guardia Civil erschießt in Almeria einen Jugendlichen, der Parolen malt. * (1979) Mauretanien verzichtet auf die Sahara und erkennt die Befreiungsfront Polisario als Vertreterin des saharauischen Volkes an. * (1979) Die spanische Polizei erschießt Pedro Tabanera, eines der meistgesuchten GRAPO-Mitglieder.
(2021-08-13)
VERGIFTETE KREDIT-GESCHENKE
Wovon andere träumen: dem Fußball-Club Athletic Bilbao wurde ein Kredit von 117 Millionen Euro angeboten, zinslos und in vierzig Jahren zurückzuzahlen. Dahinter stehen “Gönner“ des spanischen Fußball-Verbands und ein britischer Finanzierungsfonds. Bei so viel Großzügigkeit und Mäzenatentum stellte sich natürlich die Frage, was die Geldgeber zu diesem Angebot trieb, denn insgesamt ging es um sage und schreibe 2,1 Milliarden für alle 42 im Staate aktiven Proficlubs. Offiziell sollte es darum gehen, die Folgen der finanziellen Krise der Clubs durch die Pandemie zu lindern, richtig gut gemeint also. Doch als die Details (das Kleingedruckte) bekannt wurden, machten vier von 42 einen Rückzieher, darunter der Club aus Bilbo (sowie Real Madrid, Barça und Oviedo).
Mehrheitlich jedoch wurde der Vereinbarung zwischen dem Liga-Verband und dem britischen Risikokapital-Investmentfonds CVC zugestimmt. Demzufolge werden 2,1 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, die unter allen Ja-Sagern verteilt werden sollen: 17 aus der ersten und 21 aus der zweiten Liga. Athletic entgeht dadurch ein günstiges Darlehen in Höhe von 117,5 Millionen Euro, das innerhalb von drei Jahren in die Klubkasse fließen und in 40 Jahren zu null Prozent Zinsen zurückgezahlt werden sollte. Denn die Gegenleistung wäre, 10,95% der Fernsehrechte für die nächsten fünfzig Jahre den Aktionisten des Haifisch-Fonds in den Rachen zu werfen. Dies lehnte der Verwaltungsrat aus Bilbo ab. Die Millionen, so wurde analysiert, würde mindestens zehn Präsidentschaften konditionieren und finanziell belasten. "Das Darlehen würde den wirtschaftlichen Handlungs-Spielraum künftiger Vorstände einschränken, da sie das Geld vierzig Jahre lang zurückzahlen müssten", außerdem müssten sie einen Teil "des künftigen Club-Einkommens auf fünfzig Jahre" abtreten.
Der Madrider Oberkapitalist und Real-Präsident Florentino Pérez rechnete vor: Im günstigsten Fall (bei einer jährlichen Steigerung der verkauften TV-Rechte um 10%) würde der britische Risiko-Fonds seine Investition von 2,7 Milliarden um fast das Hundertfache auf 212 Milliarden multiplizieren. Im schlechtesten Szenario (jährliches Wachstum von nur 3%) würde die Rendite immer noch das Zehnfache betragen (21,3 Milliarden). Die Verantwortlichen von Athletic erschreckten und überzeugten diese Zahlen. Für den Risiko-Fonds (in diesem Fall praktisch ohne Risiko) ist die Investition in zehn Jahren amortisiert, danach kommen nur noch Gewinne. Die Clubs hingegen zahlen vierzig Jahre lang zurück und verpfänden ihre unkalkulierbaren TV-Einnahmen auf fünfzig Jahre.
Die Eile, die der Ligachef und Faschistenfreund Tebas den Vereinen gab, gefiel den Bilbainos gar nicht. In Donostia, Gasteiz, Osasuna, Eibar, Irun und Zornotza (baskische Erst- und Zweitligisten) wird die Geschichte offenbar anders gesehen, hier ist man bereit, seine Zukunft zu verpfänden. Die vergifteten Darlehen sollen nicht allein in Spieler-Gehälter fließen, zu 70% sollen sie für Infrastruktur, zu 15% für die Abfederung der Covid-Verluste und nur zu 15% für Kicker verwendet werden. Den Risiko-Kapitalisten ist dank ihrer Liga-Freunde ein Coup gelungen – die künftigen Verantwortlichen von Athletic werden sich in 20, 30 oder vierzig Jahren nicht die Haare raufen müssen.
RÜCKBLICKE: * (1521) In Tenochtitlan ergibt sich der Aztekenfürst Cuauhtemoc den kastilischen Eroberern unter Führung des Konquistadoren Hernan Cortes, der sich selbst zum Gouverneur und General-Kapitän ernennt. * (1924) Aufstand in der spanischen Kolonie Marokko, die Rif-Kabylen mit Abd el-Krim an der Spitze erheben sich. * (1926) Der kubanische Revolutionär und spätere Präsident Fidel Castro wird geboren. * (1961) Beginn des Mauerbaus in Berlin. * (1963) In Madrid verurteilt die Franco-Diktatur die Anarchisten Francisco Granados und Joaquín Delgado wegen Anschlägen zum Tode. * (1979) Der Stadtpolizist Manuel Ferreira wird von ETA in Portugalete erschossen. * (1984) Die Zivilgarde erschießt in Lasarte (Gipuzkoa) Pablo Gude Pego, Mitglied der Autonomen Kommandos.
(2021-08-12)
MÖRDERISCHE STROMPREISE
Der Strompreis auf den Großhandelsmärkten ist im spanischen Staat auf Rekordniveau gestiegen und wird aufgrund der Abhängigkeit vom Gas und von einem Tarifsystem, das die Preistreiberei der Unternehmen belohnt, kurz- und mittelfristig weiter steigen. Der Strompreis auf dem iberischen Markt hat am Montag mit einem Preis von 106,74 Euro pro Megawatt seinen historischen Rekord gebrochen, am Dienstag waren es bereits 111,88 Euro und am Mittwoch 113,99. Mitverantwortlich ist die Nutzung von Gas, ein teurer und schmutziger Brennstoff, der den Strompreis in die Höhe treibt. Doch: "Das Problem ist nicht der allein Gaspreis oder das CO2, sondern der Wille der großen Unternehmen", erklärt die Leiterin des Bereichs Energie von “Ökologen in Aktion“.
Alle Prognosen deuten auf einen Aufwärtstrend bei den Gas- und den Strompreisen. Der Preis für eine Flasche Butan hat sich dem für Erdgas, Strom und Kraftstoffe angepasst und erhöht den wirtschaftlichen Druck auf Familien inmitten der Pandemiekrise. Der Energiesturm setzt die Familien unter Druck und treibt ihre Ausgaben um mehr als 500 Euro pro Jahr in die Höhe.
Die konsumenten-feindliche Haltung der Energiemultis wird am Beispiel des baskischen Konzerns Iberdrola besonders deutlich. Iberdrola leerte in den vergangenen Monaten verschiedene Stauseen im Zentrum und im Süden des Staates, weil durch den Leerungsvorgang billiger Strom produziert werden konnte, der für teures Geld auf den Markt kommt und die Gewinnspanne steigen lässt. Für die Stausee-Anlieger bedeutet das, dass sie ausgerechnet im Sommer, in Trockenzeiten und Momenten von größter Notwendigkeit von Wasser, im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen sitzen. Gleichzeitig fallen Ausflugsziele und Naherholungsorte weg, kleine Gastbetriebe am Ufer müssen schließen. Das alles nur, weil die Energieriesen den Hals nicht voll kriegen. Menschenverachtender Kapitalismus in Reinform.
RÜCKBLICKE: * (1936) Während des Spanienkriegs werden in Barcelona die aufständischen Generäle Manuel Godet und Alvaro Fernandez wegen ihrer Putsch-Teilnahme hingerichtet. * (1975) In Ferrol stirbt Ramon Reboiras Noia, Mitglied der Organisation Unión do Povo Galego (Galicische Volkseinheit) nach Schüssen der Polizei in einem Hinterhalt. * (1989) Nach einer Schießerei mit einem Guardia Civil nimmt sich Jose Ramon Yerro in Pamplona das Leben.
(2021-08-11)
FREILEGUNG VON BUNKERN DER FRANCO-ZEIT
25 junge Leute aus Navarra arbeiten im Rahmen des Freiwilligen-Programms "Muga gotortua" (befestigte Grenze) an der Wiederherstellung von Bunkeranlagen aus der Zeit des Franquismus in den Pyrenäen. Eines der Ziele der Initiative ist es, die Erinnerung an die Sklaven Francos zu verbreiten. Dabei handelte es sich um Kriegsgefangene ud politische Gefangene, die auch im Winter unter miserabelsten Bedingungen Schwerstarbeit zu verrichten hatten.
25 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren nehmen an dem von der Regierung Navarras ins Leben gerufenen Freiwilligen-Programm "Befestigte Grenze" teil. Sie arbeiten an der Freilegung einiger Bunker des Schutzsystems, das Franco in den 1940er Jahren aus Angst vor einer republikanischen Invasion in den Pyrenäen Navarras errichten ließ. Neben einheimischen Jugendlichen nehmen auch junge Menschen aus Katalonien, Andalusien, La Rioja, Kantabrien und Murcia teil. Dies ist eines der sechs Freiwilligen-Programme, die das Jugendinstitut Navarra im Land fördert. Insgesamt sind 149 junge Leute beteiligt.
Seit 2017 organisieren die sozialliberalen Regierungen von Navarra jedes Jahr solche Aktivitäten zum Thema Historische Erinnerung. Bei dieser Gelegenheit werden die Bunker und ihre Umgebung analysiert, um weitere Infrastrukturen zu lokalisieren und zu katalogisieren, die Teil des franquistischen Schutzsystems waren. Auch die Baracken, in denen die Häftlinge untergebracht waren, die am Bau der Verbindungsstraße zwischen Lesaka und Oiartzun vom Aritxulegi-Tunnel aus beteiligt waren, wurden gereinigt. Zwischen 1939 und 1941 setzte das Franco-Regime 1.756 Gefangene für den Bau dieser Straße ein. Ein Sprecher der Regierung von Navarra hob das Interesse der Jugendlichen am "Lernen über die Geschichte und am Schutz der Erinnerung" hervor. Die Ministerin für institutionelle Beziehungen erinnerte ihrerseits daran, dass die Straße von Sklaven des Franco-Regimes (Kriegsgefangene, politische Gefangene) gebaut wurde und dass die Erinnerung an sie erhalten werden sollte.
"Die jungen Menschen müssen über den Terror und die Barbarei in der franquistischen Vergangenheit Navarras Bescheid wissen, um eine Gesellschaft des Friedens, des Zusammenlebens und der Achtung der Menschenrechte aufbauen zu können. Die Erinnerung ist eine grundlegende Ressource für die Zukunft, wenn es darum geht, eine gerechtere, solidarischere und demokratischere Gesellschaft aufzubauen." (QUELLE)
RÜCKBLICKE: * (1522) Die einen Monat zuvor eroberte Burg Amaiur, in der sich die letzten Verteidiger des Königreichs Navarra verschanzt hatten, wird gesprengt, um die letzten Merkmale des alten baskischen Königreichs zu tilgen. * (1924) Nachdem der spanische Dikator General Primo de Rivera den Rückzug der spanischen Truppen in Marokko ankündigt, kommt es zu einem allgemeinen Aufstand der Rif-Kabylen. Vorher hatten die Spanier deutsches Giftgas eingesetzt. * (1989) Die Mutter eines Gefängnis-Beamten in Granada stirbt bei der Explosion einer Briefbombe.
(2021-08-10)
DAS KÄMPFERISCHE LEBEN DER MARÍA CAMINO
Am 10. August 1936 (heute vor 85 Jahren) wurde die republikanische Lehrerin María Camino Oscoz Urriza von Franquisten ermordet. Grund: sie war Mitglied der kommunistischen Partei und der sozialistischen Gewerkschaft UGT. Außerdem war sie eine engagierte Lehrerin. Nach ihrer Festnahme am 31. Juli 1936 und 10 Tagen Gefängnis in Pamplona wurde sie geholt, ohne zu wissen, was auf sie wartete. In einer einstündigen Autofahrt wurde die 26-jährige auf die Urbasa-Hochebene gebracht, zum sogenannten “Balcón de Pilatos“. Von diesem sehenswerten und heute von vielen Tourist*innen besuchten “Pilatus-Balkon“ (ein Bergabgrund von 200 Metern Tiefe) wurde sie hinabgestoßen. Bis heute liegen ihre Überreste unten zwischen Dornen und Sträuchern, neben anderen unbekannten Toten, ein Massengrab von Frauen und Männern, die während des Spanienkrieges getötet wurden, weil sie der republikanischen Regierung die Treue hielten. Die Zahl der Toten an dieser Stelle ist unbekannt, weil der Ort schwer zugänglich ist und weil die rechten Regional-Regierungen Navarras keinerlei Interesse an Aufklärung hatten.
María Camino Oscoz Urriza, genannt Camino, wurde im Jahr 1910 in Pamplona geboren, als jüngste von 4 Geschwistern. Ihre Eltern Antonio und Anastasia starben bei der legendären Grippe-Pandemie von 1918. Camino fiel als gute Schülerin und Studentin auf und schloss ihr Studium mit guten Noten ab. In jungen Jahren wurde sie politisch aktiv. Sie beteiligte sich nach der Niederschlagung der Revolution von 1934 in Asturien am Aufbau einer Roten Hilfe zur Unterstützung der Gefangenen, die unter unmenschlichen Bedingungen in der Festung San Cristóbal von Pamplona inhaftiert waren. Camino und andere versorgten die Häftlinge trotz widrigen Wetters regelmäßig mit Kleidung und Essen, was ihnen im katholisch-reaktionären Pamplona keine Freunde einbrachte.
Caminos kurzes Leben bestand aus Anstrengung und Kampf. Sie gehörte zu jener unermüdlichen und hoffnungsvollen Strömung, die in der Zweiten Republik für ein radikales neues Bildungskonzept eintrat. Camino nahm an der Pädagogischen Woche vom 4. bis 11. September 1932 in Pamplona teil, ein Meilenstein in jener Zeit. Mit 24 Jahren kam sie (am 5.12.1934) als Lehrerin in die kleine Gemeinde Güesa. Nach zwei Jahren war sie in der Bevölkerung überaus beliebt, ihr emanzipatorisches Bildungskonzept fand Anerkennung. Bis sie am 31. Juli verhaftet und “offiziell“ aus dem Schuldienst entlassen wurde. An der Schule in Güesa findet sich eine Gedenktafel.
KOEDUKATION VON MÄDCHEN UND JUNGEN
Camino hatte als Lehrerin eine moderne Vorstellung von Bildung. Sie bat den Bürgermeister von Güesa, das veraltete Schulmaterial durch ein moderneres zu ersetzen. Entsprechende Briefe sind dokumentiert. Ihre Arbeit umfasste schlichte Dinge wie die Besorgung von Brennholz, um das Klassenzimmer im Winter zu beheizen. Bereits 1935 war sie sich der Bedeutung von Koedukation und Gleichstellung der Geschlechter bewusst. In einem anderen Brief schrieb sie: “Die Eltern dieser Mädchen haben Recht, wenn sie ihren Töchtern verbieten, die Dienerinnen ihrer Altersgenossen zu sein“. In ihrer Haltung war sie lange nicht die einzige, weitere 300 Lehrerinnen und Lehrer in Navarra bezahlten “ihren Einsatz für republikanische Werte mit öffentlicher Demütigung, Erniedrigung, Vergewaltigung und ihrer Ermordung“.
GEDENKEN
2018, genau 82 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod, organisierte die Stadtverwaltung von Güesa eine Gedenk-Veranstaltung zu Ehren der ermordeten Lehrerin. “Wir haben versucht, Camino vor dem Vergessen zu retten und ihr einen Teil ihrer Würde zurückzugeben“, sagte der Bürgermeister und wies auf zwei Bücher aus der Memoria-Bewegung hin: “El Escarmiento“ (Die Bestrafung) von Miguel Sánchez Ostiz und “Camino Oscoz y otras historias del 36“ (Camino Oscoz und andere Geschichten von 1936) von Joseba Eceolaza. Dank des Engagements mehrerer Einwohner*innen existiert in Güesa eine Reproduktion der Schule. Ein Klassenzimmer mit Materialien jener Zeit wurde zur Erinnerung an Camino Oscoz eingerichtet. Es steht offen für Besuche. (QUELLE)
RÜCKBLICKE: * (1819) Simon Bolivar kommt siegreich nach Santafé de Bogota (Kolumbien). * (1927) Ende des Krieges von Spanien gegen Marokko. * (1932) José Sanjurjo, spanischer General (und späterer Putschist mit Franco) versucht erfolglos einen Staatsstreich (Sanjurjada genannt). * (1936) Die Kommunistin und Lehrerin Maria Camino Oscoz wird von Franquisten gefoltert und ermordet. * (1989) Der Deportierte Juan Ramon Aranburu stirbt bei einem Badeunfall auf den Kapverden.
(2021-08-09)
POPO LARRE VERSCHWINDET
Viele wissen, dass es im spanischen Baskenland eine bewaffnet agierende Organisation mit Namen ETA gab. Nur wenige wissen, dass es auch im französischen Teil von 1972 bis 2000 eine solche Gruppe gab, die den Namen “Iparretarrak“ (IK) trug (die aus dem Norden). Einer der Militanten von IK war Jean-Louis "Popo" Larre. Nach einer Auseinandersetzung mit der französischen Polizei verschwand er 1983 spurlos, vor zwei Tagen jährte sich das Ereignis zum 38. Mal.
Es geschah am 7. August 1983 nach einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der Organisation Iparretarrak (IK) und der Gendarmerie, bei der ein Polizist getötet wurde. Zeugen sahen Popo Larre in einen Wald bei Léon fliehen. Die Polizei leitete sofort eine groß angelegte Operation ein, mit Hubschraubern, Suchteams, Spürhunden und Spezialkräften – Larre verschwand spurlos und für immer. Von den französischen Behörden wurden nie Versuche der Aufklärung gemacht. Für die Organisation Autonomia Eraiki (Autonomie aufbauen) stellt dies eine "offene Wunde", ein Akt des schmutzigen Krieges. Bis heute heißt es "Non da Popo?" (Wo ist Popo?), denn seither gibt es keinerlei Spuren von ihm.
Siebzehn Jahre waren vergangen, ohne dass es zu einer gründlichen offiziellen Untersuchung des Verschwindens kam. Im März 2000 begann auf Drängen der Familie des getöteten Polizisten in Paris ein Prozess zum "Fall Leon", der die Ereignisse vom 7. August 2003 aufklären sollte. In diesen 17 Jahren waren fünf Richter mit dem Fall befasst und unternahmen keinen einzigen Schritt. Popo Larre nahestehende Personen wurden Zeugen der Beseitigung von Beweismitteln, von 167 auf 37 reduziert, von widersprüchlichen Aussagen von Militär- und Polizeibeamten und mit Beweisen, dass das Gericht alles tat, um einen Prozess zu verhindern. Larres Familie ist davon überzeugt, dass kein Interesse an der Aufklärung des Verschwindens bestand. Eines der dunklen Kapitel der Ermittlungen ist die nicht erfolgte Exhumierung einer Leiche, die als Pascal Dumont identifiziert wurde, ein 15-jähriger verschwundener Jugendlicher. Die Polizei identifizierte eine Leiche in der Nähe von León als Pascal Dumont. Die Familie Dumont bestritt von Anfang an, dass es sich bei der Leiche um die ihres Sohnes handelt.
Vater Germain Dumont sagte aus, die Polizei habe ihn unter Druck gesetzt, die Identifizierung seines Sohnes anzuerkennen, die ihm gezeigte Leiche stimme nicht mit der seines Sohnes überein, weder das Alter, noch die Physis, noch Details wie die Badehose, die er trug. Das Grab trägt deshalb folgende Inschrift: "Hier ruht ein Unbekannter, der uns am 27.VIII.83 von der Gendarmerie und der Justiz aufgezwungen wurde." Das Gericht lehnte den Antrag auf Exhumierung ab, erst 20 Jahre nach dem Verschwinden von Larre wurde sie von einem Richter angeordnet. Dabei wurde festgestellt, dass die Nische Monate zuvor geplündert worden war.
RÜCKBLICKE: * (1936) Der Afro-amerikaner Jesse Owens gewinnt bei der Nazis-Olympiade in Berlin seine vierte Goldmedaille. * (1945) Nach Hiroshima erleidet auch die japanische Stadt Nagasaki die vernichtende Explosion einer Atombombe; in Abwesenheit von militär-strategischen Gründen kann nur von militärischen Studienzwecken ausgegangen werden. * (1992) Ende der Olympischen Spiele von Barcelona. * (1994) ETA tötet in Bilbao den angeblichen Drogenhändler Antonio Díaz. * (2020) Die Zahl der Covid-Ansteckungen in USA übersteigt 5 Millionen.
(2021-08-08)
TRIKOTS AUS SOUTHAMPTON
Was verbindet Southampton und Bilbao? Städte mit Ähnlichkeiten. Beide haben Häfen und Handels-Tradition. Auch im Fußball sind Parallelen zu finden. Dass das Trikot (rot-weiß gestreift) von Athletic an das des FC Southampton erinnert, hat seine Geschichte. Dabei spielt Juan Elorduy eine zentrale Rolle. Bis zum Jahr 1910 war die Kleidung der Bilbainos von Dunkelblau und Weiß geprägt, gleich wie ein anderer englischer Club: Blackburn Rovers.
Doch dann nahm das Schicksal seinen Lauf und die Athletic-Kleidung eine 180-Grad-Wendung. Der Spieler und Vorstandsbeirat Juan Elorduy reiste zu Weihnachten 1909 nach England, dabei erhielt er den Auftrag, 50 Blackburn-Trikots zu kaufen, um sie zu gleichen Teilen zwischen Athletic und der Madrider Athletic-Zweigstelle (der Keimzelle des heutigen Atlético de Madrid, das sich Jahre später abtrennte) aufzuteilen. Weil Elorduy keine Blackburn-Trikots auftreiben konnte und nicht mit leeren Händen zurückkehren wollte, kaufte er 50 Trikots des FC Southampton, deren charakteristisches Kleidungsstück ein rot-weiß gestreiftes Hemd war, immerhin auch die Farben der Flagge von Bilbao. So wechselte Athletic durch Zufall die Farben. Das neue Trikot wurde erstmals am 9. Januar 1910 in Hondarribia gegen Sporting de Irun getragen, ein Jahr später kamen die schwarzen Shorts hinzu.
Die Verbindungen zwischen den beiden Vereinen gehen weiter. Raimundo Lezama (1922-2007), legendärer Torhüter von Athletic, begann seine Karriere beim FC Southampton, nachdem er während des Spanienkriegs als “Kriegskind“ in die Stadt gebracht worden war. Sogar während des Zweiten Weltkriegs spielte er bei inoffiziellen Spielen für die "Saints", wie das Team aus dem Süden Englands genannt wird. In der modernen Ära war die englische Vereinslegende Matt Le Tissier 2015 der erste Preisträger des "One Club Man"-Preises, den Athletic solchen Spielern verleiht, die ihre ganze Karriere bei einem Verein verbracht haben (Messi scheidet nun aus). Auf den Tag genau fünf Jahre nach dem letzten Freundschaftsspiel zwischen den beiden Teams im St. Mary's Stadium, das mit einer knappen 0:1-Niederlage für Bilbao endete, trafen die beiden Teams gestern wieder aufeinander, diesmal hatte Athletic mit 3:1 die Nase vorn.
RÜCKBLICKE: * (1897) Der italienische Anarchist Michele Angiolillo tötet im baskischen Mondragon/Arrasate den spanischen Regierungschef Canovas de Castillo, als Vergeltung für die anti-anarchistische Repression in Katalonien. 12 Tage später wird Angiolillo hingerichtet. * (1938) In Mauthausen/Österreich eröffnen die Nazis ein Konzentrationslager, in das auch Basken und Spanier gebracht werden. * (2000) Ein ETA-Kommando tötet in Zumaia mit einer Autobombe den Präsidenten des Arbeitgeber-Verbands Gipuzkoa, José María Korta.
(2021-08-07)
VERNICHTUNG VON KULTURERBE
Im Jahr 2001 begannen in Iruñea (Pamplona) die Planungen zum Bau eines unterirdischen Parkplatzes auf dem zentrischen Plaza del Castillo, mit den Stimmen der rechten Mehrheit gegen die Stimmen der linken Opposition. Das Echo in der Bevölkerung ließ nicht lange auf sich warten, es wurde ein Manifest vorgelegt, dass die Tiefgarage von einem Referendum abhängig machen sollte, unterzeichnet von namhaften Persönlichkeiten und vielen sozialen Gruppen. Obwohl mehr als die gesetzlich erforderlichen Unterschriften vorgelegt wurden weigerten sich die Regierenden, das Referendum einzuberufen, weil das Verfahren "kompliziert" sei, hohe Kosten verursache und sie nicht wüssten, "was sie fragen sollen". Ihr Plan bestand darin, in 450 Tagen ein dreistöckiges Parkhaus mit einer Kapazität für 802 Fahrzeuge zu bauen. Die Auftragsvergabe wurde entschieden, das Unternehmen sollte zusätzlich den Betrieb der Tiefgarage auf 75 Jahre gesichert bekommen (obwohl das regionale Gesetz nur 50 Jahre zulässt). Eine Klage bestätigte diese erste Illegalität.
Es folgte eine unangekündigte nächtliche Aktion, bei der die 54 Platanen und 20 Konstantinopel-Akazien, die den Platz jahrzehntelang geschmückt hatten, von Arbeitern eines Madrider Unternehmens gefällt wurden, der Platz wurde mit Metallgitter eingezäunt. Der ersten Verblüffung in der Bevölkerung folgten tagelange Proteste mit Dutzenden von Verhaftungen und einem ehemaligen Stadtrat, der mit blutigem Kopf im Krankenhaus landete. Es folgte eine große Protestdemonstration, "Referendum jetzt" war die Parole. Dies zu verhindern, meldeten sich auch die Regionalregierung und der Staathalter der Spanier, alle ebenfalls stramm rechts. Das ersatzweise geplante informelle Volks-Referendum wurde aus Gründen der "öffentlichen Ordnung" verboten.
Der Oberste Gerichtshof von Nafarroa sah das anders und genehmigte die Durchführung. Die gestellte Frage, war einfach und klar: "Sind Sie mit dem Bau einer Tiefgarage auf der Plaza del Castillo einverstanden?“ Von 19.639 Stimmen waren 18.462 "Nein", 1.018 "Ja" und 103 "Weiß". Stadtrat und Regierung stellten sich erneut taub. Die Arbeiten schritten voran, die ersten archäologischen Überreste kamen zum Vorschein. Obwohl die der Rechten nahestehende akademische Welt darauf bestand, dass es keine bedeutenden Funde geben würde, da es sich um eine Stätte handele, die während der gesamten Geschichte der Stadt nicht genutzt worden sei.
Die Realität war anders, in dem ausgegrabenen Teil des Plaza del Castillo kamen prähistorische Strukturen zum Vorschein: ein hoch aufragender Menhir, eine römische Thermen, spätrömische und mittelalterliche Mauern, ein muslimischer Friedhof aus dem 8. und 9. Jahrhundert, das mittelalterliche Stadtviertel Zurriburu, Überreste von Klöstern und der Burg, die Ferdinand der Katholische nach der Eroberung im 16. Jahrhundert errichten ließ, ein Teil des Wasserversorgungs-Systems aus dem 18. und die Überreste des Haupttheaters aus dem 19. Jahrhundert. Mit anderen Worten: Die gesamte Geschichte der Stadt Iruñea konzentrierte sich auf den Untergrund dieses symbolträchtigen Ortes. In den Worten einer Expertenkommission, die Iruñea besuchte, um die Ergebnisse zu analysieren und die Plattform für die Verteidigung der Plaza del Castillo zu beraten: "Pamplona hat im Lotto gewonnen".
Doch anstatt diesen "Gewinn" zu nutzen, um den Kulturtourismus in der Stadt zu fördern, beschloss die Stadtverwaltung, dem Parkhaus Priorität einzuräumen (die Gewinn-Interessen des Bau-Unternehmens sollten nicht enttäuscht werden). Eine skandalöse Unterstützung erhielt das Projekt von dem navarrischen Kultur-Institut Príncipe de Viana, das eigentlich den Schutz des Kulturerbes zum Ziele haben sollte (es wurde im Franquismus gegründet). Ein privates Unternehmen, das von der beauftragten Baufirma als Sub-Firma mit den archäologischen Arbeiten beauftragt wurde, konzentrierte sich auf einige Überreste, während die Bulldozer ihre unerbittliche Arbeit fortsetzten und Lastwagen mit Erde und archäologischen Stücken füllten, die später auf einer Müllhalde auftauchten.
Eine Bürgerinitiative zum Schutz des Kulturerbes prangerte die Vorgänge im Parlament und vor Gericht an. Nach Ansicht der vorgelegten Daten gab der Richter bei der Wissenschafts-Gesellschaft Aranzadi ein unabhängiges Gutachten über die Ausgrabung in Auftrag. Trotz dieses Gerichtsbeschlusses wurden den Experten von Aranzadi (ein von der baskischen Regierung gefördertes Wissenschaft-Institut von großem Ruf) viermal der Zutritt zum Gelände verweigert. Der Bericht, den sie vorlegten, war “vernichtend“: die Ausgrabung wurde als archäologischer "Raubbau" bezeichnet, geschätzte 75% der gefundenen Überreste seien zerstört worden.
Als der Aranzadi-Bericht veröffentlicht wurde, hatte das navarrische Kultur-Institut (Príncipe de Viana) den Abriss der Bäder bereits genehmigt, der rechte Stadtrat für Stadtplanung war zurückgetreten. Doch der Skandal über die Zerstörung eines so unschätzbar wertvollen archäologischen Erbes hatte bereits die gesamte Gesellschaft erreicht. Antwort: Demonstrationen. Das Kulturinstitut Príncipe de Viana ging noch einen Schritt weiter und genehmigte den Abriss aller auf dem Platz gefundenen Überreste, mit Ausnahme der wichtigsten Mauer, die in den Parkplatz integriert werden sollte. Experten, die das Vorgehen der Rechten bis dahin nicht in Frage gestellt hatten, reagierten: Die Archäologen von Trama sprachen sich gegen den Abbau der römischen Thermen aus, und Francisco Javier Zubiaur, Direktor der Museen, des Kulturerbes und der Archäologie von Nafarroa, trat zurück, nachdem er sich geweigert hatte, den Abbau der auf dem Platz gefundenen Überreste zu unterstützen.
Aber UPN machte weiter. Nachdem die archäologischen Ausgrabungen nach dem Abbau der Überreste als abgeschlossen galten, wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen, die in Wirklichkeit trotz des diesbezüglichen Befehls nie ganz eingestellt worden waren. Am 4. Juni 2004 wurden die ersten Nutzer des Parkplatzes erwartet. So endete ein Projekt, das die Rechte gegen alle Widerstände, gegen die Meinung der Öffentlichkeit und der Fachleute vorantrieb. Eine einzigartige Gelegenheit ging verloren., die ereignisreiche Vergangenheit der Stadt zu konservieren und sichtbar zu machen.
RÜCKBLICKE: * (1983) Der Aktivist der militanten Gruppe Iparretarrak, Jean Louis “Popo“ Larre, verschwindet spurlos. Vermutet wird, dass die französische Polizei ihn erschoss und an unbekanntem Ort vergrub. * (1996) Ein Campingplatz, der in den Vorpyrenäen der Region Aragon auf überschwemmungs-gefährdetem Terrain gebaut wurde, wird nach heftigem Regen weggespült, 87 Tourist*innen sterben. * (2000) Im Stadtteil Bolueta von Bilbao explodiert ein Kleinwagen mit vier ETA-Aktivisten, die Sprengstoff transportieren. Die Explosion zerfetzt die Körper derart, dass erst Tage später deren Identität festgestellt werden kann.
(2021-08-06)
KOLONIALGESCHICHTE
Kolonialismus ist eines der nicht aufgearbeiteten Kapitel der Geschichte, sowohl im spanischen Staat wie im Baskenland. Die Folgen der Kolumbus-Expedition bedeuteten den Tod von wenigstens 70 Millionen Ureinwohner*innen, dennoch wird die Eroberung bis heute als Hit gefeiert. In Euskal Herria wiederum steht eine Reihe von Statuen, die baskische Kolonisatoren völlig unkritisch verherrlichen, Legazpi, Zabala, zuletzt die Feiern für den Weltumsegler Elkano, dessen “historische Leistung“ sich zum 500. Mal jährt. Wieder einmal kommen kritische Töne aus Lateinamerika, ein Kritiker legt den Finger in die Wunde.
Der neue peruanische Präsident Pedro Castillo hat sich mit einer stark anti-kolonialistisch geprägten Rede zum Amtsantritt einen Namen gemacht. "Drei Jahrhunderte Herrschaft, als Peru zur spanischen Krone gehörte, haben die Ausbeutung der Bodenschätze möglich gemacht. Die Entwicklung Europas wurde vor allem durch die Arbeit vieler unserer Vorfahren geleistet". Anwesend war auch der aktuelle spanische König, Erbe der Konquistadoren-Monarchie. Die Worte des peruanischen Staatschefs waren sicher auch auf ihn als Vertreter dieser Geschichte gemünzt. Doch hat die Geschichte gezeigt, dass die Borbonen eine harte Schale haben. Zumindest im Baskenland findet sowohl die Kolonial- wie auch die Monarchie-Kritik eine große Anzahl von Befürworter*innen.
RÜCKBLICKE: * (1825) Simon Bolivar erklärt Bolivien für unabhängig. * (1945) Obwohl der 2.Weltkrieg für Japan verloren ist, wirft die US-Luftwaffe die erste Atombombe der Geschichte auf die Stadt Hiroshima. Die japanische Stadt ist seit den 1980er Jahren mit der baskischen Stadt Gernika verbunden, die im April 1937 ebenfalls eine vernichtende Bombardierung erlitt. * (1890) In Auburn, New York findet die erste Hinrichtung mit dem elektrischen Stuhl statt. * (1962) Jamaika erklärt sich als unabhängig vom Britischen Imperium. * (1997) Im Exil in Mexiko wird der baskische politische Flüchtling Jose Luis Salegi aus Azkoitia tot aufgefunden.
(2021-08-05)
LGTBI-PHOBE ESKALATION
Auf einer Kundgebung in Gasteiz wurde gestern die Vergewaltigung einer Trans-Frau am vergangenen Sonntag verurteilt und gleichzeitig die Eskalation der machistischen und LGTBI-feindlichen Gewalt in den letzten Monaten angeprangert. Zum Protest aufgerufen hatten die feministische Bewegung Gasteiz und die Coordinadora Ekainak28. "Es ist klar, dass wir es mit einem gravierenden Fall von geschlechtsspezifischer Gewalt und LGTBI-Phobie zu tun haben. Mit diesem Vorfall sind es 15 Angriffe von LGTBI-Phobie in Araba in den letzten drei Monaten. Und im Jahr 2021 wurden im Baskenland vier Frauen ermordet", wurde am Ende der Kundgebung betont.
Bei der Vergewaltigung am Wochenende bedrohte ein Mann das 38-jährige Opfer mit einem Messer und griff sie im Stadtteil Abetxuko an, woraufhin sie wegen Verletzungen an verschiedenen Körperteilen im Krankenhaus behandelt werden musste. Die Frau meldete die Vergewaltigung kurz darauf bei der Stadtpolizei von Agirrelanda in der Nähe des Ortes des Übergriffs. Bereits am 22. Juli war eine 64-jährige Frau Opfer eines weiteren transphobischen Angriffs in der Altstadt von Gasteiz geworden. Angesichts der Zunahme dieser Angriffe betonten die Teilnehmer der Kundgebung, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. "Wir sind mit einer Zunahme von Aggressionen und Hassreden konfrontiert. Von Machismo, Rassismus und Transphobie".
"Der Faschismus, seine Verbündeten und Legitimatoren gewinnen auf den Straßen, in den Medien und in den Parlamenten an Raum. Faschismus, Machismus, Rassismus, LGTBI-Phobie sind keine tolerierbaren Meinungen oder Ideen. Es sind Verbrechen, die in all ihren Formen beseitigt werden müssen. Cis-Heterosexismus und LGTBI-Phobie bringen uns um". Darüber hinaus betonten die feministische Bewegung von Gasteiz und die E28-Plattform, dass es "angesichts dieses Angriffs wichtig ist, Brücken zwischen der feministischen Bewegung und der Gemeinschaft der Gender-Dissidenten zu bauen, mit einer gemeinsamen Agenda und gemeinsamen Aktionen".
"Es ist eine Priorität, einen Feminismus zu schaffen, der Transsexualität einschließt, der Realität und Gewalt zur Kenntnis nimmt, der transsexuelle Frauen ausgesetzt sind. Mit einer Stimme muss das gewalttätige System angegangen werden, das uns alle betrifft."
RÜCKBLICKE: * (1498) Auf seiner dritten Eroberungsreise betritt Kolumbus zum ersten Mal Festland, im späteren Venezuela. * (1937) Auf dem Friedhof Derio-Bilbao wird Juana Mir Garcia erschossen, eine in Pamplona geborene Journalistin, die in baskischen Zeitungen gegen die Faschisten schrieb. * (1939) Hinrichtung der “13 Rosen“, junge sozialistische Aktivistinnen, vier Monate nach dem Sieg der Faschisten. * (1961) Bei einem Brand wird die Stierkampf-Arena in Bilbao zerstört. * (1967) Das franquistische Regime lässt in Gipuzkoa den Ausnahmezustand ausrufen, es kommt zu 50 Verhaftungen. * (2001) Als Ehrung für die letztjährige Siegerin der Tour de France der Frauen, die Baskin Joane Somarriba, startet die Rundfahrt in Bilbao. Somarriba gewinnt das morgendliche Zeitfahren und geht nachmittags mit dem gelben Trikot in die zweite Etappe, die durch ihren Wohnort Sopelana führt.
(2021-08-04)
LAUBURU, DIE VIER KÖPFE
Wenn deutsche Reisende sich die Menschen im Baskenland genau anschauen, sind manche etwas befremdet. Jene, die ein Minimum von Geschichts-Bewusstsein mitbringen. Denn viele Baskinnen und Basken tragen um den Hals Amulette, die dem Hakenkreuz der Nazis ähnlich sind. “Haben wir es hier also mit einem Volk von Faschisten zu tun?“ Mitnichten. Denn die Swastika der Baskinnen heißt “lauburu“, wörtlich: Vierkopf, und symbolisiert die Grundelemente. Der Gebrauch dieses Symbols, das in Kirchen ebenso zu finden ist wie an Hauswänden und Friedhöfen, geht zurück auf Zeiten, die niemand so recht definieren kann. Lange vor sich die Nazis in ihrem Wahn ein Symbol aus fremden Kulturen aneigneten. Auf dem an dieser Stelle dokumentierten Foto ist eine griechische Goldmünze abgebildet, die mit Rosetten und einer Swastika verziert ist und aus dem 9. Jahrhundert vor Christus stammt, Fundort Skyros.
Das Swastika-Symbol ist deutlich älter als der Hinduismus und jede andere Religion. Das dem Hakenkreuz ähnliche Zeichen ist ein Sonnensymbol und wird mit verschiedenen antiken/prähistorischen Kulturen von Äthiopien bis Mesoamerika, Asien und Europa in Verbindung gebracht. Die Swastika hat wahrscheinlich paläolithische Ursprünge, die ältesten Funde in Osteuropa stammen aus der Zeit um 10.000 vor Christus. Lange bevor die Nazis das Symbol als Hakenkreuz verwendeten und dieses prähistorische Symbol in Verruf brachten, war es in Nordamerika und Ostasien als Glückszeichen verbreitet und beliebt.
Eine Swastika ist ein Kreuz mit vier etwa gleich langen, einheitlich abgewinkelten Armen. Sie können nach rechts oder links zeigen, recht-, spitz-, flachwinklig oder rundgebogen und mit Kreisen, Linien, Spiralen, Punkten oder sonstigen Ornamenten verbunden sein. Das Zeichen hat keine einheitliche Funktion und Bedeutung. Im Hinduismus, Jainismus und Buddhismus wird die Swastika bis heute als Glückssymbol verwendet. In der deutschen Kulturgeschichte wird ein heraldisches Zeichen, das der Swastika ähnelt, seit dem 18. Jahrhundert “Hakenkreuz“ genannt.
Im 19. Jahrhundert entdeckten Ethnologen die Swastika in verschiedenen Kulturen des Altertums. Einige verklärten sie zum Zeichen einer angeblichen indogermanischen Rasse der “Arier“. Die deutsche völkische Bewegung deutete das Hakenkreuz antisemitisch und rassistisch. Im Anschluss daran machten die Nationalsozialisten ein nach rechts gewinkeltes und 45 Grad geneigtes Hakenkreuz 1920 zum Kennzeichen der NSDAP und 1935 zum zentralen Bestandteil der Flagge des Deutschen Reiches. Weil das Hakenkreuz Ideologie, Gewaltherrschaft und Verbrechen des Nationalsozialismus repräsentiert, ist die politische Verwendung hakenkreuzförmiger Symbole seit 1945 in Deutschland, Österreich und weiteren Staaten verboten.
RÜCKBLICK: * (1526) Tod des baskischen Seefahrers Juan Sebastián Elcano, geboren 1487 in Getaria (Gipuzkoa), Angehöriger der Magallan-Expedition, die zwischen 1519 und 1522 die erste Weltumsegelung schaffte. Elcano kam zurück, Magallan nicht. * (1914) Der deutsche Reichstag billigt die Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg.
(2021-08-03)
ERSTE EUTHANASIE FÜR EINE BASKIN
Die Baskin Eskarne ist die erste Frau, die ihr Leben nach dem neuen Sterbehilfe-Gesetz beendet hat. Am 25. Juni 2021 trat das vom spanischen Kongress verabschiedete Sterbehilfe-Gesetz in Kraft. Weniger als einen Monat später war eine Baskin namens Eskarne die erste Person, die ihren Wunsch erfüllen konnte, ihr Leben zu beenden. Die 86-Jährige hatte nach dem Inkrafttreten des Euthanasie-Gesetzes den Eingriff beantragt, "mit dem Ziel, ihr Leben zu beenden". Vor einigen Tagen starb sie, sagte ein Sprecher der Vereinigung “Derecho a Morir Dignamente“ (Recht auf Sterben in Würde) im Interview bei Radio Euskadi.
Eskarne (bzw. ihre Familie) hatte wie gesetzlich vorgeschrieben einen Antrag beim Hausarzt gestellt hat, der in einem Gespräch prüfen musste, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Der musste über die Möglichkeit einer alternativen Behandlung informieren sowie "zum Nachdenken auffordern", bevor 15 Tage später der Antrag erneut gestellt werden konnte. Der Antrag wurde bestätigt, ein zweiter Arzt trat in Erscheinung, der einen weiteren Bericht über die Situation der Person erstellte. Mit beiden positiven Berichten ging es dann zur Beurteilungs-Kommission, bei der ein dritter Arzt und ein Jurist bestätigten, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind, und einen entsprechenden Bericht erstellten. Schließlich wurde mit einem vierten Arzt der Zeitpunkt der Lebensbeendigung verabredet. Das gesamte Verfahren darf höchstens 40 Tage dauern, kein Schritt darf ausgelassen werden.
Bisher gibt es "zwei oder drei weitere Personen" mit "eindeutigen" Fällen, die einen Antrag auf Einleitung des Verfahrens gestellt haben. "Sie sind sehr zufrieden mit dem Empfang und der Unterstützung, die ihnen von den Mitarbeitern von Osakidetza geboten wurde." In einem Interview erklärte Eskarnes Sohn, dass sie bereits vor zehn Jahren, damals noch in gutem gesundheitlichen Zustand, eine Patientenverfügung hinterlegte, in der sie ihren Wunsch nach Sterbehilfe für den Fall äußerte, dass sich bestimmte Lebensumstände einstellen würden. "Unser Fall war klar, bei den Ärzten gab es keinerlei Zweifel. Sie war nicht bei Bewusstsein, sie war seit mehreren Jahren keine bewusste Person mehr und sie wollte sterben."
Nach Erledigung aller Formalitäten begaben sich am 23. Juli, weniger als einen Monat nach Inkrafttreten des Gesetzes, Mitarbeiter*innen der baskischen Gesundheits-Behörde Osakidetza in die Wohnung der Familie, um Eskarne das Mittel zu verabreichen, das ihrem Leben ein Ende setzen sollte. "Alles ging sehr schnell, ohne Komplikationen, es lief gut und natürlich. Es ist ein kalter Vorgang, aber gleichzeitig auch sehr menschlich, ein würdiges Ende, überhaupt nicht gewaltförmig. Im Schlafzimmer, mit allen, die sie liebte, an ihrer Seite. Es ist nicht leicht, so zu sterben, aber sie war nicht mehr in diesem Leben, und wollte es auch nicht", sagte der Arzt.
DER PRÄZEDENZFALL VON MARIBEL
Diese Gelegenheit hatte Maribel Tellaetxe im März 2019 nicht, als sie starb. Zwölf Jahre zuvor hatte sie ihre Alzheimer-Diagnose erhalten. Die Familie dieser Frau aus Portugalete reichte im Kongress in Madrid Tausende von Unterschriften ein, für die Entkriminalisierung der Euthanasie und der ärztlich assistierten Selbsttötung. Zwei Jahre später gipfelten diese Bemühungen in einem Gesetz.
RÜCKBLICKE: * (1492) Die Katholischen Könige von Kastilien weisen mit dem Alhambra-Dekret alle Juden aus. * (1936) Der schwarze US-Athlet Jesse Owens gewinnt bei der Olympiade im Berlin der Nazis im 100-Meter-Lauf die erste von vier Goldmedaillen. * (1985) In Luyano (Araba) tötet ETA mit einer Bombe einen Zivilgardisten.
(2021-08-02)
MEHR SEXISTISCHE STRAFTATEN IM BASKENLAND
Straftaten “gegen die sexuelle Freiheit“ nehmen in der Autonome Region Baskenland (Euskadi) derzeit zu, wenigstens 188 Frauen wurden Opfer eines derartigen Verbrechens in Araba, Bizkaia und Gipuzkoa. Die vom Frauen-Institut der baskischen Regierung Emakunde erhobenen Daten zeigen, dass die sexistischen Straftaten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 um 13,2% zugenommen haben. Die Zunahme dieser Art von Übergriffen erfolgte vor allem in den Monaten Mai und Juni und stellt eine Trendwende dar, denn bis April letzten Jahres waren die (angezeigten) sexistische Übergriffe von Monat zu Monat zurückgegangen.
ANSTIEG UM 22% IN GIPUZKOA
Im Januar waren die Zahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 20% gesunken (28 im Jahr 2021 gegenüber 35 im Jahr 2020); bis Februar betrug der Rückgang 30,5%, bis März 26% und bis April 9,4%. In den ersten fünf Monaten insgesamt ist die Zahl der Opfer jedoch um 1,5% gestiegen, ein Prozentsatz, der zum Ende des ersten Halbjahres deutlich zugenommen hat. Aufgeschlüsselt nach Regionen ist der Anstieg der Opfer dieser Art von sexistischen Straftaten mit 22% vor allem in Gipuzkoa bemerkenswert (64 im Jahr 2020 gegenüber 78 in diesem Jahr). Bizkaia verzeichnete einen Anstieg von 9,6% (83 Angriffe 2020 gegenüber 91 in diesem Jahr), während es in Araba keine Veränderung gab (19 Fälle sowohl 2020 wie auch 2021).
Die Regional-Polizei in Nafarroa warnte bereits zu Beginn des Jahres vor einem negativen Aufschwung, nachdem in den vorangegangenen Monaten aufgrund von Teil-Lockdowns, Mobilitäts-Einschränkungen und dem Wegfallen von Fiestas eine rückläufige Tendenz zu verzeichnen gewesen war. Was nichts anderes bedeutet als: Fiestas (mit Alkohol und Drogen) verschärfen das Problem von Frauen und Mädchen, sich auf der Straße sicher zu bewegen. Kalte Zahlen, hinter denen Schicksale, Angst und persönliches Leiden stecken. Nicht nur in 188 Fällen, die Dunkelziffern (aufgrund von Nichtanzeigen) sind bekanntlich deutlich höher.
RÜCKBLICKE: * (1483) Der Priester Tomás de Torquemada wird vom Papst zum Generaldirektor der spanischen Inquisition ernennt. * (1968) Meliton Manzanas, spanischer Polizist, Folterer und Nazi-Kollaborateur stirbt beim ersten tödlichen ETA-Anschlag in der Geschichte. * (1975) Die bewaffnete Organisation GRAPO führt ihr erstes tödliches Attentat gegen einen Zivilgardisten durch.
(2021-08-01)
MASSEN
Obwohl Massentourismus de facto wieder zugelassen ist, sind kulturelle Massenveranstaltungen aus bekannten Gründen mega-out. Wer sich darüber beschwert, hat die Zeichen der Zeit nicht begriffen. Und wer im Baskenland behauptet, dass nichts mehr möglich und alles verboten sei, lebt in der falschen Wirklichkeit. Zwar funktionieren die Dinge nicht nach den alten Schemen, aber sie laufen, den Umständen angepasst. Für die Macherinnen des Kunst- und Kultur-Festivals “Azken Muga“ war schon der vergangene Sommer eine Herausforderung, die mit Bravour bestanden wurde. Die Ausgabe 2021 soll dahinter nicht zurückfallen.
“Azken Muga“ ist Baskisch und bedeutet “Letzte Grenze“. Gemeint ist die ehemalige Grenze zwischen den baskischen Provinzen Nafarroa und Gipuzkoa. Zwischen Bergen und Tälern war bis in die 1950er Jahre Schmuggel und Vieh-Diebstahl angesagt. Um das zu verhindern, wurde eine Polizeitruppe aufgestellt, die Mikeletes. Unter dem Gipfel des Balerdi-Berges standen Schlagbaum und Unterkunft, von der heute nur noch Ruinenreste zu sehen sind. Vor sechs Jahren entwickelten Künstlerinnen verschiedener Sparten ein für das Baskenland neues Konzept von Kunst und Kultur: raus aus den Museen und Konzertsälen – rein in die Natur.
Konkret heißt das: auf dem Zarate-Pass zwischen den Dörfern Azkarate (Nafarroa) und Bedaio (Gipuzkoa) werden Skulpturen aufgebaut, es gibt Musik, Tanz, Theater, kleine Ausstellungen, Käse-Wettbewerbe und Info-Veranstaltungen, zwischen einer großen Wiese und einem kleinen Buchenwäldchen. Und falls das Wetter nicht mitspielt, kommt der Plan B zum Einsatz – runter ins Tal, in einen Fronton, ein Kulturhaus oder eine Kirche in den Dörfern, für die Massentourismus ein Fremdwort ist. Denn hier verlieren sich nur Eingeweihte oder neugierige Natur-Liebhaberinnen, die im Tourismus-Geschäft bekanntlich rar gesät sind. Der Azken-Muga-Eintritt ist frei, Anmeldung erwünscht. Wenn keine Veranstaltungen angesagt sind, stehen die Skulpturen am Zarate-Pass auf jeden Fall zur Ansicht bereit. Jedes Jahr sind es andere Künstler*innen, die hier ihre Kreativität ausstellen, aus verschiedenen Regionen und Ländern. Auch Germans aus dem Wendland waren schon vertreten, ein Besuch, der zu einem Gegenbesuch baskischer Kreativer bei der “Kulturellen Landpartie“ in der ehemals “freien Republik“ führte.
Massen werden bei Azken Muga weder befürchtet noch erwartet, auch in diesem Jahr wird es übersichtlich bleiben, nicht zuletzt deshalb, weil vor dem künstlerischen Genuss eine anderthalb Kilometer lange Bergwanderung notwendig ist. Dass die Pandemie nicht vorbei ist, wissen alle, kein Grund, der gegen die Teilnahme am Festival spricht. Massen sind out, Masken stören wenig, es kann auch anders gehen.
RÜCKBLICKE: * (1498) Auf der dritten Kolumbus-Eroberungsreise ist zum ersten Mal Festland in Sicht: später Venezuela genannt. * (1834) In allen Territorien des Britischen Imperiums wird die Sklaverei verboten. * (1936) Zwei Wochen nach dem Militärputsch in Spanien beginnt in Berlin die Nazi-Olympiade. * (1970) Yasir Arafat erklärt seine Absicht, Palästina mit bewaffneten Aktionen zu befreien. * (2010) In der Stadt Lares auf Puerto Rico stirbt im Alter von 91 Jahren die Unabhängigkeits-Kämpferin Lolita Lebron. Zusammen mit drei anderen hatte sie 1954 einen bewaffneten Angriff auf das US-Repräsentantenhaus in Washington durchgeführt, um auf die koloniale Situation Puerto Ricos und die Unterdrückung durch die USA aufmerksam zu machen. Die vier gaben 30 Schüsse ab, fünf Politiker wurden verletzt. Sie verbrachten 25 Jahre in US-Gefängnissen. Bei ihrer Verhaftung rief Lolita Lebron: “Ich bin nicht gekommen, um jemanden zu töten, sondern um für Puerto Rico zu sterben“.
ABBILDUNGEN:
(0) Txondorra (FAT)
(1) Letzte Grenze (FAT)
(2) Sexismus
(3) Legale Sterbehilfe
(4) Swastika
(5) Homophobe Eskalation
(6) Kolonialgeschichte
(7) Kulturerbe vernichtet
(8) Athletic, Southampton
(9) Popo Larre
(10) Maria Camino
(11) Sklavenarbeit
(12) Strompreis
(13) Vergiftete Kredite
(14) Sexismus Jakobsweg
(15) Filmpreis für Macho
(16) Maravillas Lamberto
(17) Ezkaba-Ausbrecher
(18) Archäologie
(19) Extreme Armut
(20) Von Kabul im Rollstuhl
(21) Francos Bunker
(22) Jugend stirbt an Covid
(23) Randale
(24) Jugend angeschlagen
(25) Ausbeutung
(26) Alarde Antifa
(27) Opfer dritter Klasse
(28) Frauenrechte
(29) Jugendgewalt
(30) Maquis
(31) Kaxilda
(ERST-PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-08-01)