Die Buch- und Musik-Messe in Durango
Die seit 50 Jahren im bizkainischen Durango stattfindende Buch- und Musikmesse „Durangoko Azoka“ ist eines der wichtigsten Ereignisse im baskischen Kulturleben. Gewidmet ist die Azoka der baskischen Sprache und Kultur, Publikationen in baskischer Sprache stehen im Vordergrund. Aber auch die spanische Sprache hat ihren festen Platz: mit Musik und Literatur, die sich um baskische Themen bemüht. Schon Wochen vorher wirft die Durango-Messe ihre Schatten voraus, an dieser Stelle geht es um Musik.
Wie jedes Jahr im Dezember wird die Buch- und Musikmesse in Durango zum Schaufenster für Neuheiten in der baskischen Musikszene: Folk, Rock, Elektronik, Jazz - alles ist dabei.
Bis die Sängerin Anne Etchegoyen (1) oder der Liedermacher Mikel Urdangarin ihre neuen Alben vorstellen, muss auf das Jahr 2017 gewartet werden. Die Mehrzahl der anderen bedeutenden Künstlerinnen aus dem Bereich der baskischen Musik werden bereits Anfang Dezember in Durango vorstellig, wenn die 51. Ausgabe der Azoka (Messe) ihre Tore öffnet. Die Stände werden kaum ausreichen, um all die tönenden Neuheiten von Oskorri, Zea Mays, Gatibu, Gari, Korrontzi oder Ruper Ordorika dem Publikum zu präsentieren –die genannten Namen sind jene der bekanntesten Gruppen und Einzelkünstlerinnen, die regelmäßig zur Vorweihnachtszeit neue Werke offerieren. Daneben gibt es auch Musik von Willis Drummond, Etsaiak, Txuma Murugarren, Bide Ertzean, Labrit, Hesian, Inero ero Ni, sowie Neuauflagen von Anje Duhalde oder Gontzal Mendibil (2).
Insbesondere der diskografische Abschied der legendären Folkgruppe Oskorri (3), fast genau ein Jahr nach dem musikalischen Abschied im Arriaga-Theater Bilbao am 22. November 2015, wird der Azoka ihren Stempel aufdrücken. Oskorri (baskisch: Abendrot) war eine baskische Folk-Band um den vielseitigen Musiker Natxo de Felipe, die 1971 gegründet wurde und sich der Wiederbelebung der baskischen Kultur verschrieben hatte. Ihre Musik verbindet traditionelle baskische und moderne Instrumente und Einflüsse. Das testamentarische Album heißt „Hauxe da despedidia” (bask: Das ist der Abschied) und dokumentiert das Bilbo-Konzert im Format einer Doppel-CD, mit DVD und Buchbeilage. Inbegriffen eine CD mit „unveröffentlichten Aufnahmen und musikalischen Ereignissen, die auf unsere Wurzeln deuten“, so in der Werbung des Elkar-Verlags, die Arbeit wird schon im November vorgestellt. Elkar editiert gleichzeitig die Wiederkehr von Ruper Ordorika mit „Guria ostatuan“ (in der Herberge Guria), ein Album mit neuen Songs in der für den Sänger und Gitarristen üblichen Athmosphäre von „Klassik und Zeitgenössischem“.
Ebenfalls im November vorgestellt wird die neue Platte von Gari, dem ehemaligen Sänger von „Hertzainak“, eine der legendären Rockgruppen der 80er-Jahre (4). Es handelt sich um ein Gemeinschaftprojekt mit den Musikern von „Maldanbera“, die Platte heißt „Estutu“ (Drücken), sie ist von Pop geprägt und wurde von Jon Agirrezabalaga produziert, dem Gitarristen von „We are Standard“. Zu ihrem – sage und schreibe – 50-jährigen Jubiläum erscheint auch die mythische Gruppe Oskarbi mit einer neuen Platte wieder auf der Bühne, genauso wie Pantxoa Carrere, die Hälfte des bekannten Duos „Pantxoa eta Peio“, er debütiert solo mit „Anaitasunean” (In Freundschaft). Xabi Solano, der Trikitilari (Akkordeonist) und Frontman der Folkrock-Gruppe „Esne Beltza“ veröffentlicht sein erstes Solo-Album „Ereñotzu“, inklusive Partituren-Heft für das von ihm gespielte atonische Akkordeon, ein ebenso klassisches wie aktuelles baskisches Instrument (5).
„Gatibu“ und „Zea Mays“
Eine der meisterwarteten Scheiben auf der Messe ist jene der Rock-Gruppe „Gatibu“, der Titel ist noch nicht bekannt. Es wird die siebte Platte sein, wie die vorherige („Euritan dantzan“, Tanz im Regen, 2014) beinhaltet sie sieben Themen, „live und rockig“, darunter „Igelak“ (Frösche), ein Song, der für den gleichnamigen Film von Patxo Telleria komponiert wurde. Auch die allseits beliebte Rockgruppe „Zea Mays“ kehrt mit einem neuen Album zurück, bereits das achte, mit schönen Songs wie „Enbata“ (Sturm), in Zusammenarbeit mit Santi Balmes (der Lider von „Love of Lesbian“), in Euskara singt er das Thema „Orain“ (Jetzt).
Das Label Baga-Biga stellt sich auf der Azoka mit drei Veröffentlichungen vor: die Ska-Gruppe „Hesian“ (Am Zaun) aus Navarra feiert ihr Zehnjähriges mit alten und neuen Stücken: „Behar zaitut“ und „Ezin ahaztu“ (Ich brauche dich – Ich kann nicht vergessen) und mit speziellen Gästen; zum zweiten die Heavy-Gruppe „Etsaiak“ (Feinde), die sich mit drei neuen Stücken auf der Scheibe „Etsaiak Eroak“ (Verrückte Feinde) verabschiedet, um das neue Projekt „Auo Etsaiak“ (ggg) vorzustellen; und schließlich die Folkgruppe Korrontzi, die mit „Korrontzi Benefic“ eine Soli-Platte für die NGO „Gizakien Lurra“ präsentiert, auf der ein Konzert in Basauri aus dem Jahr 2013 beinhaltet (CD und DVD). Das Label verlegt auch das Buch „Euskal musika kosmikoak” (Baskische Kosmik-Musik) des Soziologen Josu Larrinaga (Baskische Universität EHU-UPV), eine Chronik der baskischen Volksmusik.
Bei den Publikationen von „Gaztelupeko Hotsak“ (Klänge aus Gaztelupe) spielt Txuma Murugarren mit seiner siebten Platte die wichtigste Rolle. Der Sänger und Gitarrist aus Bizkaia stellt „Zerbait ari da gertatzen hor“ (Irgendwas passiert da) vor, eine Mischung aus Power Pop, Country und Blues, zusammen mit seinem musikalischen Gast Gaizka Isunza von „Audience“. Im selben Label publiziert die Gruppe „Bide Ertzean“ ihr Album „Zutaz kantatzeko“ (Für dich singen), ein Musikprojekt mit Buch, das die Geschichte der Gruppe aus Tolosa (Gipuzkoa) beschreibt und eine Sammlung von Besonderheiten darstellt. Beteiligt ist das Label auch am Album „Gu geu“ (Wir selbst) von Stablues, sowie „Izarrik gabeko zerua“ (Himmel ohne Sterne) des jungen Sängers Igor San Juan aus Aretxabaleta (Gipuzkoa). Dazu gehört auch das Sub-Label Errabal, bei dem unter anderem Jazz-Scheiben von Víctor Antón Group, Broken Brothers Brass Band, Juan de Diego Trío, RS Faktor, Alberto Arteta Group und Nevermind Trio publiziert werden.
Die aus Iparralde (Nord-Baskenland) stammende Rock-Gruppe Willis Drummond kehrt am 18.November ebenfalls mit einer neuen Arbeit zurück: „Tabula rasa“ – am selben Tag stellt die Dark-Rock-Gruppe „Inoren ero Ni“ (ccc) das Album „IENNEI“ vor. Bereits vor Zeiten publizierte Platten werden ebenfalls bei der Azoka vertreten sein, darunter das Album der jungen Sängerin Izaro; die zweite experimentelle Arbeit des Duos Neighbor; die Rückkehr von The Allnighters aus Gasteiz (Vitoria), in jenem Fall mit Rythm and Blues; des Liedermachers und Rockers Etxe; das Debüt der Poprock-Gruppe Liher; die dritte Publikation von Last Fair Deal; die Best of der „Carniceros del Norte“ (Schlächter des Nordens); die CD von „Begiz Begi“ (von Auge zu Auge) nach dem Erfolg bei dem Bandwettbewerb Banden Lehia; daneben „Toni Metralla y los Antibalas“; und ein Live-Album des Labels Bonberenea mit Gruppen wie Belako, El Columpio Asesino, Glaukoma oder Nueva Vulcano, sowie die Schallplatte von Belarminak (Ohrenschmerz).
Überregionales
Vertreten sind bei der Azoka auch baskische Gruppen und Musikerinnen mit Ausstrahlung über die baskischen Grenzen hinaus. Bemerkenswert ist die Rückkehr von „La Oreja de Van Gogh“ (Van Goghs Ohr) mit dem Album „El planeta imaginario“ (span: Der eingebildete Planet), das am 4.11. vorgestellt wurde, fünf Jahre nach „Cometas en el cielo“ (Kometen am Himmel), das Stück „Verano“ (Sommer) wurde vorab vorgestellt. Die ehemalige Sängerin der Gruppe, Amaia Montero, hat für den Film „100 Meter“ ein Lied aufgenommen; Diego Vasallo, übrig vom Duo „Duncan Dhu” hat soeben „Baladas para un autorretrato” produziert (Balladen für ein Selbstgemälde); Viento Smith, das Parallel-Projekt der Getxo-Gruppe McEnroe arbeitet noch an einer Publikation; und das Trio „Los Brazos“ (Die Arme) stellt ein neues Live-Album vor.
ANMERKUNGEN:
(1) Artikel bei Baskultur.info: „Ane Etxegoyen, Sängerin – Baskische Musik in Iparralde“ (Link)
(2) Information aus dem Artikel „Oskorri, Zea Mays, Korrontzi, Gatibu y Ordorika marcan el sonido de la Azoka”, publiziert in der baskischen Tageszeitung Deia am 24.10.2016 (Link)
(3) Oskorri (baskisch für Abendrot) ist eine baskische Folk-Band um den Bandleader Natxo de Felipe, die 1971 gegründet wurde und sich der Pflege der baskischen Kultur verschrieben hat. Ihre Musik verbindet traditionelle baskische und moderne Instrumente und Einflüsse. * Band-Geschichte: Das bilbainische Ensemble entstand Anfang der Siebzigerjahre, zur Zeit der baskischen kulturellen Bewegung Ez Dok Amairu, die um 1965, hauptsächlich in den Städten des Baskenlandes, entstanden war und sich gegen die Unterdrückung der baskischen Sprache und Kultur durch das Franco-Regime richtete. Die Bewegung manifestierte sich musikalisch durch ein Kollektiv von Musikern und Liedermachern (wie zum Beispiel Mikel Laboa), das durch Konzerte für den Gebrauch der baskischen Sprache warb. Die Gründer von Oskorri stammten aus dem Umfeld dieser Bewegung. Ihr erstes Konzert gab die Band im März 1971 – damals noch als Quartett, mit Bandleader Natxo de Felipe als einzigem bis heute noch der Band angehörenden Gründungsmitglied – an der Universidad de Deusto. Durch ihren urban geprägten Hintergrund waren sie jedoch stärker mit der Pop- und Rockmusik der damaligen Zeit vertraut als mit traditionell baskischer Musik. Dies spiegelte sich noch in den ersten Songs der Band wider, die jedoch bereits in baskischer Sprache gesungen wurden. Die Musiker begannen jedoch bald, sich für traditionelle baskische Instrumente, Lieder und Literatur zu begeistern und verarbeiteten diese Einflüsse in folgenden Kompositionen, in denen sie traditionelle und moderne Musikelemente mischten. * Ihre ersten Schallplatten (1975–1980): Mit dem Ende des Franco-Regimes Mitte der 1970er Jahre eröffneten sich der Band neue Möglichkeiten, ihre Musik einem breiteren Publikum zu präsentieren. Außerdem gelang es, einen Plattenvertrag bei CBS zu erhalten und endlich das Songrepertoire aufzunehmen, das Oskorri bereits seit geraumer Zeit erfolgreich bei Live-Konzerten erprobt hatte. Bei den ersten Aufnahmen im Jahr 1975 gehörten bereits die Gitarristen Bixente Martinez und Antón Latxa zur Band, die auch heute noch zur Besetzung gehören und seitdem zusammen mit Sänger Natxo de Felipe den Stil der Band wesentlich geprägt haben. Die ersten Veröffentlichungen offenbarten starke Bezüge zur baskischen Literatur. Nach zwei Singles erschien 1976 ihr erstes Album Gabriel Arestiren Oroimenez, eine Hommage an den 1975 verstorbenen Autor Gabriel Aresti, der als bedeutender Vertreter der baskischen Literatur des 20. Jahrhunderts gilt. Die zehn Stücke dieser LP basieren zum Teil auf Gedichten Arestis. Beim zweiten Album Mosen Bernat Etxepare 1545 von 1977 wurde erneut auf baskische Literatur als Inspiration zurückgegriffen. Anstatt eines zeitgenössischen Werks wurden diesmal einige traditionelle Tänze bearbeitet. Im Mittelpunkt des Albums standen jedoch Vertonungen der Gedichte Bernat Etxepares, dem Autor des ersten bekannten literarischen Werks in baskischer Sprache mit dem Titel Linguæ Vasconum Primitiæ aus dem Jahr 1545. Dieses Album unterschied sich musikalisch von seinem Vorgänger. Es gilt als ernsthafter und komplexer als das leichter und fröhlicher wirkende Debütalbum. Im Frühling 1978 begab sich die Band auf ihre erste Europa-Tournee, unter anderem mit Auftritten in Deutschland, der Schweiz und Frankreich. * Die 1980er Jahre: In den 1980er Jahren stießen neue Mitglieder zum Kern der Band, der weiterhin aus de Felipe, Martinez und Latxa bestand, die ihre Ideen einbrachten, so wie der später als Solokünstler erfolgreiche Trikitixa-Spieler Kepa Junkera. Größere Bekanntheit in Mitteleuropa erlangte Oskorri Mitte der 1980er Jahre durch die Veröffentlichung einer Schallplatte namens Musik aus dem Baskenland durch das westdeutsche Folk Freak-Label im Jahr 1984. Die Platte enthielt im Grunde kein neues Material, sondern eine Zusammenstellung der beliebtesten Songs der Band, jedoch neu aufgenommen und teilweise in neuen Versionen. Durch gute Verkaufsergebnisse überzeugt, übernahm Elkar, die baskische Plattenfirma der Band diese Produktion und veröffentlichte sie noch im selben Jahr unter dem Titel Alemanian euskaraz auf dem heimischen Markt. (Wikipedia)
(4) Die Rockgruppe Hertzainak (Hüter des Volkes, 1981 bis 1993) war eine der bekanntesten Bands des sogenannten „Rock Radical Vasco“, einer Rock-Tendenz, die vor allem durch ihre kämpferischen Texte berühmt wurde. An ihrem Anfang stand die Euskara-Version eines Clash-Songs. Ihre ersten Platten zeichneten sich aus durch die Mischung von Punk-Provokation und tanzbaren Rhythmen aus Reggae und Ska, dabei bezogen sich die Texte jeweils auf die politische Situation im Baskenland. „Pakean utzi arte” (Bis sie uns in Frieden Lassen) zum Beispiel wurde komponiert in Erinnerung an Javier San Martín Goikoetxea Piti, einen Aktivisten der Comandos Autónomos Anticapitalistas. Der erste Auftritt von Hertzainak war an Silvester 1981 in der baskischen Hauptstadt Gasteiz-Vitoria. 1982 verließ Xabier Montoia Gamma die Gruppe, um „M-ak” zu gründen, er wurde von Iñaki Garitaonaindia „Gari“ ersetzt. Das Konzert im Anoeta-Sportpalast in Donostia (San Sebastián) 1993 bedeutete das Ende der Gruppe, nicht jedoch das Ende der musikalischen Aktivitäten ihrer Mitglieder. Txanpi (Luis Javier Saiz) und Kike (Enrique Sáenz de Villaverde) schlossen sich der Gruppe „Doctor Deseo” an, Gari begann eine Solokarriere, Josu Zabala engagierte sich in Gruppen wie Zazpi Eskale (Sieben Bettler) und „Gu eta Gutarrak“ (Wir und die unseren) und gehört heute zum Staff der bekannten Kultur-Einrichtung Kafe Antzokia in Bilbo (Bilbao). (Wikipedia)
(5) Artikel Baskultur.info: „Esne Beltza – Schwarze Milch aus dem Baskenland” (Link)
FOTOS:
(1) Baskische Alboka-Spielerinnen bei der Arbeit (Foto Archiv Txeng – FAT)
(2) Zea Mays beim Konzert 2015 (Foto Archiv Txeng – FAT)
(3) Ruper Ordorika (Foto Archiv Txeng – FAT)
(4) Trikitixa, das atonische baskische Akkordeon (Foto Archiv Txeng – FAT)
(5) Zea Mays (Foto Archiv Txeng – FAT)