Verwandtschaft mit dem Baskenland
Vor einem Jahr, am 25.Februar 2014 starb in Mexiko während einer Tournee überraschend das Gitarrengenie Paco de Lucia. Dass der im andalusischen Algeciras geborene Musiker eine baskische Verbindung hatte und längere Zeit im bizkainischen Durango lebte, ist wenig bekannt. Seine erste Ehefrau Casilda Varela stammte aus dieser Kleinstadt bei Bilbao. Ein seltsames Paar: er der Nicht-Gitano mit dem antifaschistischen Gitano-Herzen, sie die Tochter eines faschistischen Generals.
(2015-03-28) Eine ganze Zeit lang lebte der weltbekannte Flamenco-Gitarrist (1) in Durango im Stadtteil Pinondo in der Villa"Eche Zuria" (Baskisch: weißes Haus), dem Familienbesitz seiner Frau. Aus dieser Familie stammen zumindest zwei wichtige Figuren der baskischen Geschichte. Der Großvater von Casilda Varela Ampuero, José María Ampuero Jáuregui, war ein Karlist, der sich für die baskische Sprache und Kultur begeisterte. In Enzyklopädien wird er als Mann beschrieben, der Baskisch sprach und schrieb. Unter anderem war er Schriftsteller, er starb 1917 in der Villa Eche Zuria. Zu Lebenszeiten präsidierte er 1885 die feierlichen Euskara-Feste in Durango (Jaialdi Euskeraskuak). In der Bizkaia-Regierung übte er verschiedene Ämter aus und war unter anderem Bürgermeister von Durango und Provinzabgeordeneter im spanischen Parlament, den Cortes. Später über mehrere Legislaturen hinweg auch Senator für Gipuzkoa. Die "Jaialdi Euskeraskuak" von 1885 gingen auf seine Initiative zurück.
Casildas Vater, José Enrique Varela Iglesias, war einer jener Generäle, die zusammen mit Franco im Juli 1936 gegen die Zweite Spanische Republik putschten und den sog. Spanischen Bürgerkrieg auslösten. Die Familie hatte in Durango mehrere Anwesen, das Eche Zuria gehört ihr bis heute. Casilda Varela Ampuero trug denselben Namen wie ihre Mutter, sie wurde 1945 in Bilbao geboren. Ihr Vater, der in Cadiz geborene Faschisten-General Varela wurde bekannt durch die Besetzung von Madrid während des Krieges. In der Diktatur hatte er das Amt des Armee-Ministers inne, er starb 1951. (2)
Der Musiker Paco
Paco wurde 1947 in Algeciras geboren als Francisco Sánchez Gómez, bei der Heirat mit Casilda im Jahr 1977 war er bereits ein weltbekannter Meister der sechs Saiten und wurde als weltbester Famenco-Spieler gehandelt. Seinen Künstlernamen erhielt er im Stadtteil La Bajadilla, weil seine Mutter Lúzia Portugiesin war.
Obwohl er als Famenco-Gitarrist in die Musikgeschichte einging, war er selbst kein Gitano (3), anders als die große Mehrheit der berühmten Flamenco-Akteure der Geschichte. Als Gitarrist verband er den traditionellen Flamenco mit neuen Elementen, insbesondere aus den Bereichen Klassik und Jazz. Auch seine beiden Brüder widmeten sich der Gitarre und dem Flamenco. Mit fünf Jahren erhielt er von seinem Vater, selbst Gitarrist, eine Gitarre. Der Vater wurde zum Lehrer. Mit elf hatte Paco seinen ersten öffentlichen Auftritt, ein Jahr später erhielt er beim Flamenco-Festival von Jerez de la Frontera einen Preis. Im frühen Alter von 15 Jahren machte er seine erste Tournee durchs Ausland, mit 17 war die erste Schallplatte fällig, mit 20 das erste Solowerk auf Vinyl.
Danach begann eine künstlerische Arbeit zusammen mit dem Flamencosänger Camarón de la Isla, ein Meilestein im musikalischen Wirken von Paco de Lucía. Der früh gestorbene Camarón war Gitano (4). Innerhalb von 15 Jahren produzierten die beiden Musiker zwölf gemeinsame Alben. Gleichzeitig produzierte und arbeitete Paco mit anderen Flamenco-Künstlern wie Fosforito, Chato de la Isla, Bambino, Enrique Montoya, Antonio Mairena, Juan el de la Vara und El Sevillano. Der internationale Durchbruch gelang Paco de Lucía 1973 mit den Werken "Fuente y caudal" und dem Hit "Entre dos aguas". Weltbekannt wurde Paco, als er mit den weltbekannten Gitarristen Al Di Meola und John McLaughlin Tourneen machte und das legendäre Livealbum "Friday Night in San Francisco" einspielte (1980). Dieses Album machte Musikgeschichte. Nach zwei weiteren gemeinsamen Arbeiten endete das Trio. Auch im Bereich Filmmusik war Paco aktiv, 1983 er machte die Musik zu Carlos Sauras Flamenco-Film "Carmen" und stellte sich in dem Film außerdem selbst dar.
"Durch den Kontakt mit den vielseitigen Weltgitarristen bewies de Lucía seine Offenheit und Experimentierfreude, blieb jedoch nach wie vor dem Flamenco treu. In einem Interview erklärte er: 'Ich habe nicht die Stile vermischt, sondern einfach mit Musikern anderer Sparten zusammengespielt'. Paco de Lucía beschäftigte sich zudem mit klassischer Musik. Bekannte Interpretationen sind beispielsweise 'Interpreta a Manuel de Falla', 'Doce canciones de García Lorca' oder das 'Concierto de Aranjuez', das er im Beisein des Komponisten Joaquín Rodrigo aufnahm." (1)
Ein Jahr vor der Hochzeit im jahr 1977 erlitt der Musiker in Madrid kurz nach Francos Tod einen faschistischen Angriff. Paco de Lucía ging durch die Hauptallee der spanischen Hauptstadt, als Mitglieder einer ultrarechten Gruppe ihn auf den Boden warfen und gezielt auf seine Finger traten, um ihm die körperlichen Werkzeuge seiner Arbeit zu zerstören. Allem Anschien nach reagierten die Neofaschisten mit diesem Angriff auf eine öffentliche Erklärung des Musikers. Im Fernsehen hatte er die musikalische Fähigkeit eines Gitarrenspielers in einem Metapher mit der Politik in einen Zusammenhang gebracht: "Die linke Hand sucht, sie ist intelligent; die rechte Hand exekutiert" –in spanischer Sprache lautete der Satz"La mano izquierda es la que busca, la inteligente; y la derecha, la que ejecuta" – "ejecutar" bedeutet sowohl ausüben, umsetzen, aber auch hinrichten, darin ist der doppelte Sinn von Pacos Aussage zu suchen.
Als Anekdote ist überliefert, dass der Priester Nicolás Alzola Gerediaga Bitaño als enger Freund der Familie Ampuero der Kulturgesellschaft Geredia in Durango ein Konzert mit dem Flamenco-Meister anbot. Geredia Elkartea organisiert seit 1965 die baskische Buchmesse in Durango. Die Vertreter der Kulturgemeinschaft verwarfen diesen Gedanken jedoch, weil er ihnen nicht angemessen erschien.
Musikalisches Werk
Paco de Lucía pflegte die Flamenco-Tradition, entwickelte jedoch gleichzeitig seinen eigenen Stil. Sein perlender, harmonischer und glasklarer Gitarrenklang hat viele heutige Flamenco-Gitarristen beeinflusst. Bei der Begleitung des "Cante" bereicherte er die Liedmelodien durch neue Akkorde auf der Gitarre. Seine Platten aus den 1970er und 1980er Jahren mit dem vielseitigen Sänger Camarón de la Isla und mit Fosforito gelten heute als Klassiker. (1)
Er probierte gern neue Stile aus und spielte mit Musikern anderer Richtungen zusammen. Sehr bekannt wurde die 1995 veröffentlichte, spanisch anmutende Komposition "Have You Ever Really Loved A Woman" von Bryan Adams aus dem Film "Don Juan DeMarco", bei der de Lucía als Begleitgitarrist mitwirkte. Auch im deutschsprachigen Sektor hat er Kooperationen ausprobiert. Auf dem Album Sphinx der deutschsprachigen Künstlerin Julia Neigel ist er bei dem Lied "Paradies" als Solist zu hören. (1)
Auszeichnungen
Paco de Lucía wurde 2004 mit dem Asturien-Preis in der Kategorie "Kunst" ausgezeichnet. Der Preis wird alljährlich in Kategorien wie Sport, Geisteswissenschaften oder internationale Kommunikation vergeben. In derselben Kategorie wurden auch schon Pedro Almodovar, Woody Allen und 2007 Bob Dylan geehrt. Das Album "Al verte las flores lloran" zusammen mit Camarón de la Isla aus dem Jahr 1969 wurde in die Liste The Wire's "100 Records That Set The World On Fire (While No One Was Listening)" aufgenommen. (5)
Am 25. Februar 2014 erlag Paco de Lucía während eines Aufenthalts in Mexiko einem Herzinfarkt.
QUELLEN:
(1) Paco de Lucía: Wikipedia
(2) Die Information zu diesem Artikel entstammt einer Publikation in der baskischen Tageszeitung Deia vom 1.3.2015 unter dem Titel "El payo antifascista y la hija de general Varela" (dt: Der antifaschistische Nicht-Gitano und die Tochter des Generals Varela)
(3) Gitanos: Die Kalé (von rom. kalo "schwarz") sind eine Untergruppe der Roma hauptsächlich in Spanien (dort auf Spanisch Gitanos genannt), Portugal (Ciganos) und Südfrankreich (frz. Gitans). Als auf der iberischen Halbinsel alteingesessene Gruppe werden sie nach Sprache und Kultur unterschieden von den erst seit dem 19. Jahrhundert dort zugewanderten Roma aus Osteuropa, für die sich im Spanischen die unterscheidende Fremdbezeichnung Hungaros (eigentlich: "Ungarn") eingebürgert hat. Die Sprache der Kalé, von ihnen selbst Caló und in der Sprachwissenschaft auch Ibero-Romani genannt, ist keine Romani-Sprache mehr, sondern eine Para-Romani-Sprache, da sie nicht nur in Lautung und Wortschatz, sondern auch in Syntax und Morphologie so stark durch ihre romanischen Kontaktsprachen geprägt ist, dass sie als deren Variante, und nicht mehr als Romani-Variante gilt. Die Kalé waren traditionell als Pferdehändler tätig und sind berühmt als Musiker und Tänzer für den spanischen Flamenco. Die Kalé sind, ebenso wie andere Roma, in ganz Europa Zielscheibe rassistisch motivierter Aktionen bis hin zur Ausgrenzung und Absprechung gleicher Rechte. Wikipedia.
(4) Camarón de la Isla: richtiger Name José Monje Cruz,* 1950 in Cádiz, † 1992 in Badalona, war der bekannteste Flamenco-Sänger der Neuzeit. Bereits die Mutter war in der Region als Flamenco-Sängerin bekannt. Sie starb 1986. Der Vater, Juan Luis Monje Nuñez, wurde 1911 in der Nähe von Conil geboren und starb in den 1960er Jahren. Er arbeitete als Schmied in der eigenen Schmiede und war ebenfalls als Flamenco-Sänger im Heimatort angesehen. Camarón kam als eines von acht Kindern zur Welt. Die Gitano-Familie führte ein Leben in einfachen Verhältnissen. Den Künstlernamen Camarón (deutsch: Sandgarnele) erhielt er in seiner Kindheit von seinem Onkel Joseíco. Dieser wurde ihm aufgrund seiner schlanken Figur, seiner hellen Haut und blonden Haare gegeben. Der Zusatz de la Isla (deutsch: von der Insel) bezieht sich auf seinen Geburtsort San Fernando, der auf einer Halbinsel liegt. Wikipedia.
(5) The Wire's "100 Records That Set the World on Fire (While No One Was Listening)", in der Übersetzung: 100 Schallplatten, die die Welt in Brand setzten (während niemand zuhörte) ist eine Auflistung von Musikalben des britischen Avantgarde-Musikmagazins "The Wire". Die Liste umfasst 19 Seiten und erschien im September 1998 in der 175. Ausgabe auf den Seiten 22 bis 41. Sie wurde später um 30 weitere Schallplatten ergänzt. Im Wire-Archiv wird die Liste als "Gegengift zu all den anderen Bestenlisten des Jahrhunderts" bezeichnet.
ABBILDUNGEN:
(1) Tageszeitung Deia.com
(2) Plattencover, Foto Archiv Txeng
(3) Plattencover, Foto Archiv Txeng
(4) Plattencover, Foto Archiv Txeng