Gegen Krieg und Waffenhandel
Anti-Militarismus, Kriegsdienst-Verweigerung und Ziviler Ungehorsam haben im Baskenland eine lange Tradition. Bekannt sind vor allem die Gruppen Kakitzat und KEM-MOC. Kakitzat ist eine anti-militaristische Plattform, die in den 1980er Jahren nach ersten Versuchen der Wehrdienst-Verweigerung gegründet wurde. Nach dem Beginn der Kampagne gegen die allgemeine Wehrpflicht und die PSS, besser bekannt als Insumisión (Ungehorsam), konnte sich Kakitzat im gesamten Baskenland konsolidieren und verbreiten.
1982 trat der spanische Staat in die NATO ein, 1986 fand ein Referendum statt. In Euskadi wurde die NATO-Mitgliedschaft mit 67% abgelehnt, in Navarra mit 56%, in Katalonien und auf den Kanaren mit jeweils 53%. Insgesamt wurde die NATO mit 56% der Stimmen befürwortet.
Seither ihrer Gründung ist Kakitzat (baskisch: Mischung aus Kacke und der Farbe Khaki) als Organisation zu einem Bezugspunkt im anti-militaristischen Kampf im Baskenland geworden (1). Ihre Arbeitsweise basierte immer auf der Dynamik autonomer Aktion, die von den verschiedenen Gruppen der Koordination entwickelt wurden. Entwickelt wurde eine Reihe von gemeinsamen Kriterien, die dazu dienten, gemeinsame Kampagnen durchzuführen, sowohl unter den Gruppen der Plattform selbst, wie auch in der Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie KEM-MOC (2) oder Gasteizkoak (3), einer Gruppe, die sich die Erforschung der baskischen Militärindustrie zum Ziel gesetzt hat.
Nach der Totalverweigerungs-Kampagne und stets aus anti-militaristischer Sicht setzt sich dieses Kollektiv weiterhin für eine Gesellschaft ein, die andere Werte vertritt als die derzeit vorherrschenden, eine Gesellschaft, die friedliche Lösung von Konflikten und Formen des Zusammenlebens unterstützt, die auf Zusammenarbeit, Gleichheit und der Schaffung einer gerechteren Welt beruhen. Das Gegenteil von dem, was die militärische Logik beinhaltet, die Hierarchien, blindes Vertrauen, unkritisches Denken und die (scheinbare) Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln propagiert.
Die Mittel und Wege, die Kakitzat im Kampf um die Erreichung dieser Ziele einsetzt, sind gewaltloser ziviler Ungehorsam, Mobilisierung der Bevölkerung und Gegeninformation. Wert gelegt wird auch auf Kooperationsnetze mit anderen Kollektiven, da Kakitzat davon ausgeht, dass Zivilgesellschaft und soziale Bewegungen miteinander verbunden sein müssen, um der Einführung ungerechter Gesetze entgegenzutreten. Insbesondere bei der Lösung von Konflikten sollen die Mitglieder der Zivilgesellschaft zu wirklichen Protagonisten werden.
Aus diesem Grund ist es für Kakitzat unerlässlich, dass Entscheidungen auf horizontale Weise getroffen werden, wobei die Beteiligung der Gesellschaft die Ebene ist, auf der diese Entscheidungen beruhen.
Heutiger Aktions-Schwerpunkt der der anti-militaristischen Plattform liegt bei der Denunzierung von Militärausgaben, in Form von gemeinsamen Kampagnen mit anderen sozialen Bewegungen. Dazu kommt die Teilnahme an Protest-Märschen, um Militäreinrichtungen oder Waffenfabriken anzuprangern, die Beteiligung an Kampagnen gegen den Kauf von kriegerischem und sexistischem Spielzeug. Auch die Teilnahme an Kampagnen, die die von den USA und der NATO in verschiedenen Ländern durchgeführten Militärmanöver delegitimieren, wie es in Afghanistan, im Irak oder heute in der Ukraine der Fall war und ist. (1)
Baskische Waffenproduktion
80% der baskischen Rüstungs-Produktion wird an Länder wie Saudi-Arabien und Israel verkauft. Deshalb fand am 15. April 2023 ein Fahrrad-Protest-Marsch durch den Großraum Bilbao statt, bei dem die Umwandlung der Rüstungs-Industrie in eine zivile Industrie gefordert wird sowie die Ablehnung jeglicher Militärausgaben. (4)
Mehrere anti-militaristische, umweltpolitische und internationalistische Gruppen hatten Tage zuvor vor dem Sitz der Provinzverwaltung von Bizkaia den "Fünfzehnten Fahrrad-Marsch gegen Krieg, Militär-Ausgaben und die Rüstungsindustrie" vorgestellt. Hier startete die Gruppe von Radler*innen, die sich vor den Niederlassungen der Unternehmen versammeln wird, die mit den wichtigsten Rüstungs-Fabriken im Großraum Bilbao zusammenarbeiten: ITP Aero in Barakaldo (ehemals Precicast PCB) und SENER in Getxo. Dort war das Ziel des Marsches.
Die Hauptziele dieses Marsches war die Anprangerung des zunehmenden Regierungs-Engagements in baskischen Unternehmen aus diesem Sektor. Angesichts der Kürzungen im Gesundheitswesen, bei den Renten, der Gleichstellungspolitik, bei den Sozialleistungen und den Möglichkeiten des Zugangs zu angemessenem Wohnraum sind solche Ausgaben widersinnig und gegenüber der Bevölkerung nicht zu vertreten. Die Coronavirus-Pandemie und der derzeitige Anstieg der Lebenshaltungs-Kosten hat diese problematische Situation für große Teile der Mittel- und Unterschicht zusätzlich verschärft.
An der Präsentation der Protesttour hatten Personen in ihrer üblichen Radfahrkleidung teilgenommen (Fahrräder, Trikots, Helme, Shorts), um die Umstellung der baskischen Waffenproduktion auf zivile Zwecke und ein Ende der Militärausgaben zu fordern.
Beklagt wurde, dass die Militärausgaben im spanischen Staat in diesem Jahr Rekordwerte erreicht haben: 27,6 Milliarden Euro, was 2,17% des Brutto-Inlands-Produkts entspricht. Die sozialliberale Regierung von Pedro Sánchez hatte beschlossen, den Haushalt des Verteidigungs-Ministeriums um 26% auf 12,8 Milliarden Euro zu erhöhen.
Zusätzlich werden 10 Milliarden Euro für Kampfflugzeuge, Raketen, U-Boote und Kriegsschiffe investiert: Leopard- und Pizarro-Panzer, Eurofighter- und F35-Kampfflugzeuge und F2000-Kampfflugzeuge, U-Boote der S-80-Klasse, Angriffs-Hubschrauber der Klassen Tiger, NH-90 und Chinook CH47, daneben A400-Militärtransportflugzeuge, F-100- und F-110-Fregatten sowie Raketen vom Typ Meteor, Harpony Taurus und mehr. Hinzu kommen 4 Milliarden Ausgaben für die sogenannten passiven Militärklassen, die um 9,5% erhöht wurden.
Die aufrufenden Gruppen hatten erklärt, dass es "nach Angaben des Verteidigungs-Ministeriums hundert baskische Unternehmen gibt, die für die Militär-Industrie produzieren, und dass das Baskenland mit dieser Industrie einen Jahresumsatz von 750 Millionen Euro erwirtschaftet, womit es in der Liste der Regionen nach Madrid und Andalusien beim Umfang der Rüstungsproduktion den dritten Platz im Staat einnimmt".
"80% der baskischen Militärproduktion gehen an Länder wie Saudi-Arabien, den Hauptkunden des Staates in diesem Sektor, der diese Waffen im Krieg gegen das jemenitische Volk einsetzt. Oder sie werden an die Verteidigungs-Ministerien und Streitkräfte Spaniens, der Vereinigten Staaten, Mexikos, Brasiliens, Marokkos und Israels verkauft, wobei ein Gewinn von rund 150 Millionen Euro erzielt wird", wurde bei der Vorstellung angeprangert.
Ein Beweis für die zunehmende institutionelle Verflechtung der baskischen Behörden mit der Militärindustrie ist, dass die baskische Regierung die baskische Kriegsindustrie mit 100 Millionen Euro aus ihrem Haushalt subventioniert. Dabei handelt es sich um Waffenfabriken, die hauptsächlich mit dem Luftfahrt-Sektor verbunden sind, wie die Firma ITP Aero, die in Barakaldo in einer Tochtergesellschaft für die Herstellung von Komponenten für das militärische Transportflugzeug Airbus A400M und für das europäische Kampfflugzeug verantwortlich ist.
"ITP Aero räumt ein, dass das militärische Geschäft heute 29% seines Gesamtvolumens ausmacht, was auf die Beteiligung am europäischen Kampfflugzeug Eurofighter und die Wartung von Flugzeugen der Luftwaffe zurückzuführen ist, deren Auftragswert sich auf 111,5 Millionen Euro beläuft", so die Gruppen weiter.
SENER wiederum ist ein führendes europäisches Unternehmen in den Bereichen "Antriebs- und Kontrollsysteme (ACC)" und "Nachrichten-, Überwachungs-, Aufklärungs- und integrierte Systeme" für die Flugkörper TAURUS KEPD 350, IRIS-T, RBS 70 NG, METEOR und NSM. Außerdem arbeitet es im Rahmen des Programms "VULCAN" mit dem israelischen Rüstungs-Unternehmen "Israel Aircraft Industries ltd" bei der "Entwicklung neuer Materialien für die Luftfahrt" zusammen.
Kurz gesagt, mit dieser "BiziMartxa" (ein Wortspiel mit dem baskischen “bizi“ als Leben und dem spanischen “bici“ als Fahrrad) wird gefordert, der Verschwendung von Ressourcen im Zusammenhang mit Militärausgaben ein Ende zu setzen und die Umwandlung der Militär-Industrie in eine zivile Industrie zu fordern, so wie es der Radhersteller Orbea in der nahen Vergangenheit getan hat. Das Unternehmen, das sich einst der Herstellung von Pistolen, Revolvern und allen Arten von Handfeuerwaffen widmete, die Menschenleben forderten, stellt heute Fahrräder her und fördert damit einen gesunden und umweltfreundlichen Lebensstil.
Organisiert wurde der Fahrrad-Protest-Marsch von den Organisationen: Eguzki, Ekologistak Martxan (beide Ökologie), Biziz bizi (Radfreundinnen), Kakitzat, KEM-MOC, La Guerra Empieza Aquí (alle drei Anti-Militarismus), Komite Internazionalistak und Ongi Etorri Errefuxiatuak (Willkommen Flüchtlinge.
ANMERKUNGEN:
(1) Kakitzat (LINK)
(2) KEM-MOC, Total-Verweigerer-Organisation. Artikel bei Baskultur.info: “Anti-Militarismus – Totalverweigerung gegen Krieg“, 2022-12-03 (LINK)
(3) Gasteizkoak (baskisch, wörtlich: die aus Gasteiz) ist eine Forschungsgruppe, die Information zur militärischen Produktion und zum Waffenhandel im Baskenland zusammenstellt und publiziert. Baskultur.info publizierte den Artikel „Baskischer Waffenhandel – Produktion im Wert von 800 Millionen Euro“, 2017-06-17 (LINK). Am 2022-04-03 veröffentlichte Baskultur.info den Artikel “Kriegsgewinnler – Ukraine und baskische Rüstungsindustrie“ (LINK)
(4) “El 80% de la producción militar vasca se vende a países como Arabia Saudita o Israel“ (80% der baskischen Militärproduktion wird an Länder wie Saudi-Arabien und Israel verkauft), Ecuador-Etxea, 2023-04-12 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Anti-Militarismus (viento sur)
(2) Bizi Martxa (kakitzat)
(3) Kakitzat (ecuador etxea)
(4) Militarismus (rres)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-04-16)