Baskischer Journalist in Polen inhaftiert
Am 28. Februar 2022 wurde der baskische Journalist Pablo Gonzalez in Polen bei seiner Arbeit verhaftet. Vorwurf: Spionage. Seither wurde weder seiner Familie in Bizkaia noch seinem Anwalt ein Kontakt erlaubt. Lediglich der spanische Konsul hatte Zugang. Verschiedene Geheimdienste sind involviert, Ukraine, Polen und Spanien. Die Lebenspartnerin von Pablo Gonzalez, Oihana Goiriena, im Interview mit dem katalanischen Journalisten Josep Rexach Fumanya: "Ich empfinde Wut auf die spanischen Geheimdienste".
Pablo Gonzalez ist ein Opfer des Ukraine-Krieges. Seine kritische Berichterstattung passte nicht in das eindimensionale Bild, das in Europa von diesem Krieg gezeichnet wird. So geriet er ins Visier des ukrainischen und spanischen Geheimdienstes. Ein russischer Spion soll er sein. Ohne Rechte eingesperrt in der EU.
Seit fast zwei Monaten ist Pablo González in Polen inhaftiert. Obwohl es sich um ein EU-Land handelt, wird er in Isolation und Einzelhaft gehalten. Seine Familie konnte nicht mit ihm sprechen, seine Verteidigung, von Rechtsanwalt Gonzalo Boye koordiniert, wird daran gehindert, die in Polen bestellte Pflichtverteidigerin zu kontaktieren. Pablo wird vorgeworfen, Spionage zu betreiben und dem russischen Geheimdienst anzugehören. Für all dies droht ihm eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren. Oihana Goiriena, Lebenspartnerin von Pablo Gonzalez antwortete auf einen Videoanruf. Sie koordiniert die Proteste, damit der Fall in der öffentlichen Erinnerung bleibt. (1)
Oihana Goiriena, die Lebensgefährtin des in Polen inhaftierten baskischen Journalisten Pablo Gonzalez kämpft dafür, dass sein Fall nicht vergessen wird. “Die letzte Nachricht, die ich von ihm erhielt, ist vom 1. April, als der Konsul ihn besuchte. Seitdem habe ich nichts mehr gehört“. Bei Fall Gonzalez geht es nicht allein um dessen Person, es geht auch um Pressefreiheit und unabhängige Berichterstattung, die angesichts eines machtpolitisch geprägten Krieges besonders in Frage gestellt ist. Deutlich wird auch die völlig abwesende Rechtsstaatlichkeit in Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Das Interview:
Wann haben Sie das letzte Mal mit Pablo González gesprochen?
Am Morgen des 28. Februar 2022. Er rief mich an, um mir mitzuteilen, dass er festgenommen wurde, und um den Anwalt und seine Mutter zu informieren. Es ging sehr schnell. Er sagte mir, dass es ihm gut ginge, dass sie ihm sogar Kaffee gegeben hätten und dass er drei Stunden lang festgehalten worden sei. Das war um sieben Uhr morgens.
Und seither haben Sie nicht mehr mit ihm gesprochen?
Nein.
Was haben Sie dann unternommen?
Ich habe versucht, den Anwalt zu kontaktieren und nicht in Panik zu geraten. Da er vor kurzem auch in der Ukraine inhaftiert war, habe ich die Sache nicht ganz so ernst genommen, wie sie sich später darstellte. Aber ich war nervös, denn ich hätte nie gedacht, dass er verhaftet werden könnte. Ich hatte Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte, weil er viel unterwegs ist. In Armenien verfehlten ihn einige Granaten nur knapp. Das habe ich auch befürchtet, als er im Donbass war.
Was ist das Letzte, das Sie von ihm gehört haben und über welche Kanäle?
Das letzte Mal habe ich am 1. April von ihm gehört, als der Konsul ihn besuchte. Seitdem habe ich nichts mehr erfahren. Bevor der Konsul ihn besuchte, nahm ich Kontakt mit ihm auf, um ihm eine Reihe technischer Fragen zu Paketzustellungen und zum Pflichtverteidiger zu stellen. Ich habe ihm auch das Echo aller Solidaritäts-Bekundungen, die für seine Freilassung koordiniert wurden, sowie Botschaften von seinen Freunden und seiner Familie geschickt. Ich wollte ihn daran erinnern, dass er nicht allein ist, dass wir gemeinsam mit dem Anwalt Lobbyarbeit machen. Nach einer so langen Zeit, in der er nichts von uns gehört hat, wer weiß, was er dann denkt. Ich wollte, dass er sich nicht hilflos fühlt und weiß, dass wir ihn kontaktieren wollen, aber sie uns nicht lassen.
Erreichen ihn die Briefe?
Nein, kein einziger. Zumindest bis zum 1. April hat er keine Briefe bekommen. Der Konsul bestätigte uns, dass ihn keines der Schreiben erreicht hatte, die wir ihm geschickt hatten. Wir hatten ihm zwei Umschläge geschickt, die keine Geheimnisse enthielten. Zeichnungen von seinen Kindern und Beschreibungen zu unserem täglichen Leben. Der Konsul hatte uns gesagt, dass im Gefängnis die Briefe geöffnet, übersetzt und überwacht werden. Aber Pablo hat nichts erhalten.
Wie erklärt der Konsul dieses Ausmaß der Isolationshaft?
Der Konsul konnte Pablo erst am 7. März treffen, ich fragte ihn, ob das normal sei. Der Anwalt hatte noch keinen Kontakt mit ihm aufnehmen können, und uns wurde nicht einmal ein Telefongespräch gestattet. Der Konsul sagte mir, dass die Bürokratie in Polen in der Tat sehr kompliziert und kostspielig ist. Am 1. April fragte ich ihn erneut, ob dies normal sei. Er sagte nicht mehr ja ...
Woher stammen Pablos russische Verbindungen?
Er wurde in Moskau geboren, weil sein Großvater mütterlicherseits zu den Kindern der Republik gehörte, die zu Beginn des Bürgerkriegs 1937 nach Russland evakuiert wurden. Sein Großvater heiratete eine Russin, seine Mutter wurde in Russland geboren und heiratete einen Russen. Pablo wurde dort geboren. Als er neun Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden und seine Mutter beschloss, zunächst nach Bilbao und dann nach Katalonien zu ziehen. Tatsächlich ist er in Barcelona aufgewachsen. Dort studierte er Slawische Philologie. Als er fertig war, besuchte er seine Großeltern, die in Euskadi lebten, und so lernten wir uns kennen. Er reist mindestens zweimal im Jahr nach Moskau, um seinen Vater zu besuchen.
Und dort ist er Pavel Rubtsov.
Ja, sein offizieller Name dort ist Pavel Rubtsov. In der Tat sprechen wir ihn hier alle mit Pavel an. Niemand nennt ihn Pablo. Das gefällt uns mehr. Er besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft und behielt seinen russischen Pass. Aber als er mit neun Jahren hierher kam, gab ihm seine Mutter, die geschieden war und nicht mehr den Nachnamen ihres Mannes trug, ihren Nachnamen Gonzalez, damit er einen spanischen Familiennamen hätte und um die Verwaltung zu erleichtern. Und so wurde er von Pavel zu Pablo.
Verschiedene Informationen, die nicht aus Polen stammen, deuten darauf hin, dass Pablo zum Zeitpunkt seiner Verhaftung zwei Kreditkarten russischer Banken und zwei Pässe mit unterschiedlichen Identitäten bei sich trug.
Diese Information hat mich ebenfalls über die Medien erreicht. Wir wissen nicht, ob das den Tatsachen entspricht, da wir keinen Zugang zu der Akte haben. Aber es ist möglich, denn er hat zwei Pässe. Der eine trägt den Namen Pablo González Yagüe, der andere einen russischen Pass als Pavel Rubtsov. Es könnte also durchaus möglich sein. Was die Karten anbelangt, sein Vater hat ihm gelegentlich Überweisungen aus Mieteinnahmen der Familie zukommen lassen. Es könnte sein, dass er eine Karte auf den Namen seines Vaters dabei hatte.
Sie haben dies vorhin kurz erwähnt. Pablo wurde im Februar von den ukrainischen Geheimdiensten festgenommen und verhört. Warum? Was wurde er gefragt?
Er hatte eine Live-Schaltung für (den spanischen Fernseh-Kanal) La Sexta gemacht, die Kamera hatte militärische Bewegungen im Hintergrund aufgezeichnet. Das ärgerte die Ukrainer, sie nahmen seinen Pass, fragten ihn nach seinen Personalien und luden ihn zu einer Aussage nach Kiew vor. Das muss ziemlich absurd und surreal gewesen sein. Sie beschuldigten ihn, pro-russisch zu sein, und brachten dies mit seiner Zusammenarbeit mit der baskischen Zeitung Gara in Verbindung. Er werde von ETA finanziert und ETA werde von Russland finanziert. Sie haben alles durcheinander geworfen. Sie behaupteten auch, dass (die Sparkasse) Laboral Kutxa und (die Industrie-Kooperative) Mondragón Corporación (MCC) von Russland finanziert würden. Sie forderten ihn auf, die Ukraine zu verlassen. Aber nur verbal. Er setzte sich mit dem spanischen Konsul in der Ukraine in Verbindung, der ihm mitteilte, dass es keine formale Anklage gegen ihn gäbe, er solle aber überlegen, was er tun wolle. Und dann erfuhr Pablo, dass der CNI auch bei uns zu Hause aufgetaucht war.
Wie verlief der Besuch des spanischen CNI-Geheimdienstes?
Surrealistisch. Es kamen acht Personen mit zwei Lieferwagen. Ein paar von ihnen beobachteten unser Haus und das Haus nebenan, und zwei Leute kamen zu mir. Und sie fingen an, alles zu erzählen, was sie über Pablo wussten: dass er häufig nach Moskau reist, dass sein Vater Russe ist, dass er hierhin und dorthin gezogen ist, dass er so und so studiert hat, dass seine Mutter so und so heißt, dass er ich weiß nicht wo wohnt, dass das Haus, in dem wir wohnen, auf den Namen meines Vaters eingeschrieben ist ... Dieser Moment war erschreckend. Ich war fassungslos, denn ich hatte das Gefühl, dass wir beobachtet wurden. Wenn der Schock nachlässt, fängt man an, darüber nachzudenken und sieht, dass es für einen Geheimdienst vielleicht gar nicht so schwierig ist, an Informationen zu kommen.
Und was wurden Sie gefragt?
Es war kein Verhör, wie es in einigen Medien veröffentlicht wurde. Sie stellten eine Reihe von Fragen, aber ich hatte nicht den Eindruck eines Verhörs. Sie wollten zeigen: "Schaut, was wir über euch wissen, wir beobachten euch". Das war mein Gefühl.
Und was wurde über Pablo gefragt?
Sie haben mich immer wieder gefragt, was Pablo machen würde. Ob er kommen oder nach Polen gehen würde. Jetzt macht die Frage Sinn. Zu jenem Zeitpunkt befand er sich noch in der Ukraine, wo er ebenfalls vom Geheimdienst verhört worden war, und beschloss, zurückzukehren.
Warum haben sie ihn nach Polen gefragt?
Ich weiß es nicht, ich bin mir nicht sicher. Und als Pablo hierher kam, war er überrascht von allem, was geschehen war.
Und dann brach der Krieg aus.
Am 24. Februar war er bereits auf dem Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze, vier Tage später wurde er verhaftet.
Alles deutet darauf hin, dass es eine Koordination zwischen dem spanischen und dem ukrainischen Geheimdienst gab. Welche Gefühle wecken diese Akteure in Ihnen? Empfinden Sie Wut?
Gegenüber Polen, ja, wegen der Behandlung. Die Ukraine hat sich darauf beschränkt, ihn verbal auszuweisen. Ich wünschte, Polen hätte dasselbe getan. Und ich bin auch wütend auf die spanischen Geheimdienste, weil sie mit Polen und der Ukraine zusammenarbeiten. Ja, Wut und Ohnmacht.
Die große Hoffnung ist, dass es sich um ein Missverständnis handelt?
Ich hoffe es. Schließlich wissen wir, dass alle Journalisten, die sich in Konfliktgebieten bewegen, unter Beobachtung stehen, so ist das nun einmal. Wir wissen auch, dass Pablo auf einer von dem Milliardär Soros finanzierten Liste stand und dass er darauf als pro-russisch galt. Vielleicht haben sie ihn überwacht, ihn beobachtet, herausgefunden, dass er einen russischen Pass hat, dass er Russisch spricht, dass er sich in diesen Regionen bewegt, und daraus ihre falschen Schlüsse gezogen. Ich hoffe, sie haben sich geirrt.
Wie beurteilen Sie die Rolle der spanischen Behörden in diesen Wochen?
Nicht besonders. Erstens, weil sie gelogen haben. Außenminister Albares erklärte, die Pflichtverteidigerin sei von der spanischen Botschaft bestellt worden. Das ist eine Lüge. Das ist nicht der Fall. Sie wurde von dem Gericht ernannt, das den Fall behandelt. Sie sagten auch, dass Pablo darum gebeten hatte, den Fall geheim zu halten. Auch das ist eine Lüge, denn er hat uns durch den Konsul wissen lassen, dass er will, dass wir weiter Lärm machen, dass er unschuldig ist und dass er nichts zu verbergen hat. Ich habe den Eindruck, dass die spanische Regierung die polnische Regierung schützt. Aber eigentlich sollte sie Pablo schützen, der spanischer Staatsbürger ist. Sie sind Pablo gegenüber verpflichtet, nicht Polen. Ich weiß nicht, wie sie ihn behandeln, denn sie haben Polens Vorgehen akzeptiert. Polen respektiert nicht das Recht auf eine effektive Verteidigung, auf eine direkte Kommunikation mit der Familie oder andere Verfahrensgarantien.
Die polnische Regierung hat eine vorläufige Festnahme bis zum 29. Mai angeordnet. Was kann danach passieren?
Wir wissen es nicht, aber ich glaube nicht, dass er entlassen wird. Als der Konsul mir die offizielle Anklage mitteilte, sagte er mir auch, dass Pablo eine dreimonatige Untersuchungshaft erwarte, was in solchen Fällen sehr häufig verlängert werde. Dann käme es zur Verhandlung mit einer Strafe, die je nach Schwere des Falles zwischen einem und zehn Jahren betragen könnte. Und wenn man sieht, was ihm vorgeworfen wird, nämlich Spionage, dann ist das die Höchststrafe. Ich habe das Gefühl, dass sie die Untersuchungshaft verlängern werden. Wer weiß, für wie lange. Der Anwalt sagt mir, dass sie uns für dumm verkaufen und mit der Zeit spielen, indem sie bei uns Unterlagen in doppelter Ausfertigung anfordern.
Von wem haben Sie Unterstützung erhalten?
Ich war sehr überrascht von der Unterstützung durch die Leute in unserem Dorf. Und wenn ich nach Gernika fahre, der Hauptstadt der Gegend, halten mich die Leute auf der Straße an, und alle machen mir Mut. Und das wissen wir sehr zu schätzen. Politisch haben wir grundsätzlich Unterstützung von EH Bildu erhalten, das ist die einzige Partei, die direkt Stellung bezogen hat.
Und der Lehendakari (der baskische Ministerpräsident)?
Nein. Wir wissen, dass er sich mit Pedro Sánchez getroffen hat, der ihn über die Situation von Pablo befragt hat, aber mehr nicht.
ANMERKUNGEN:
(1) “Oihana Goiriena: Siento rabia por los servicios secretos españoles" (OG: Ich habe eine Wut auf die spanischen Geheimdienste) Autor: Josep Rexach Fumanya, Interview mit Oihana Goiriena (LINK). Original in katalan: “Oihana Goiriena: Sento ràbia pels serveis secrets espanyols”, Josep Rexach Fumanya, VillaWeb. Traducido por Leticia Palacios. LQSomos. (LINK) (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Pablo Gonzalez (lqsomos)
(2) Interview Oihana (heraldo aragon)
(3) Pablo Gonzalez (info libre)
(4) Pablo Gonzalez (naiz)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-04-23)