oesterreich01Österreicher als Kämpfer für Franco

Mitte Juli 2016 jährt sich der Ausbruch des Spanischen Kriegs von 1936 bis 1939 zum 80. Mal. Noch sind lange nicht alle Aspekte dieses militärischen Aufstands erforscht, der in einem Völkermord endete. Dass rund 1.400 Österreicher damals für die linke Republik mitkämpften war bisher kaum bekannt. Auch nicht, dass im Lager der spanischen Faschisten 140 Österreicher aktiv waren. Ein zweiter Aspekt dreht sich um die Aufarbeitung des Franquismus und die Darstellung des Diktators in Spanien selbst.

Die Beteiligung von österreichischen Kämpfern im Krieg von 1936 dokumentiert das mehr als 220 Seiten dicke Werk "Auf Francos Seite. Österreicher in den Reihen der Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg", unter diesem Titel beackert ein junger Geschichtswissenschaftler historisches Brachland. Dass es überhaupt noch möglich war, die Teilnahme von Österreichern auf der Seite der aufständischen spanischen Faschisten nach 1936 zu dokumentieren, spricht für den Instinkt des 1986 in der Steiermark geborenen Autors Jakob Matscheko, füllt doch die Literatur zum "Guerra Civil" sowohl in Spanien als auch außerhalb ganze Bibliotheken.

Warum aber ausgerechnet über die internationale Unterstützung der Truppen des aufständischen nationalistischen Generals Francisco Franco - abgesehen von jener des faschistischen italienischen Diktators Benito Mussolini und Hitler-Deutschlands - so wenig bekannt ist, erklärt der junge Historiker durchaus schlüssig auch damit, dass Franco selbst stets "den patriotischen Kampf der Spanier gegen die kosmopolitische Republik" betonte. Er hatte also gar kein Interesse daran, viel Wind um die ausländischen Helfer zu machen. (1)

"Kreuzzug" unterstützen

Auch die Gegenseite - und in Folge die linksgerichtete Geschichtsschreibung über den Spanischen Bürgerkrieg beispielsweise in der ehemaligen DDR - wollte die ausländische Beteiligung an der Franco-Bewegung nicht groß herausstreichen. Eine allfällige Freiwilligkeit nationaler Kämpfer, die nicht aus Spanien kamen, passte nämlich nicht in das Propaganda-Schema, das den heroischen freiwilligen Kampf auf republikanischer Seite hervorstrich, den "Ausländern" der Gegenseite aber unterstellte, von ihren faschistischen Regierungen in den Krieg gezwungen worden zu sein.

Insgesamt dürften für die Nationalisten rund 90.000 Ausländer gekämpft haben, darunter vorwiegend marokkanische Söldner. Während sich diese (muslimischen) Soldaten laut Autor wohl für später bessere Perspektiven für ihren Wunsch nach Unabhängigkeit erhofften, waren die weiteren Beweggründe mannigfaltig. Zumeist steckten einfach ideologische Gründe dahinter, es handelte sich um Anhänger des Nationalsozialismus oder ähnlicher faschistischer und extrem rechter Bewegungen. Dazu kamen beispielsweise auch viele Freiwillige aus dem (erz)katholischen Lager, die Francos "Kreuzzug" gegen die gottlose rote Barbarei unterstützen wollten. Darunter auch zahlreiche Frauen, etwa aus Irland oder Großbritannien, die sich vorwiegend im Sanitätsdienst engagierten. (1)

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Profit und Karriere

Anhand der Beispiele der rund 140 Österreicher zeigt der Verfasser jedoch auch andere Motive auf, wie zum Beispiel Profitgier (so gelangten wahrscheinlich österreichische Waffen von Steyr oder aus der Fabrik Hirtenberg auf verschiedenen illegalen Wegen nach Spanien) oder Karrierestreben. Letzteres traf vor allem auf jene "Ostmärker" zu, die sich nach dem Anschluss im Jahr 1938 der "Legion Condor" Nazi-Deutschlands anschlossen, einer verdeckten Fliegertruppe der deutschen Wehrmacht, die unter anderem die baskische Stadt Guernica (Gernika) in Schutt und Asche legte. Der bekannteste unter ihnen war der Journalist Anton Emmerich Zischka, der sich als Propagandist für die Legion ins Zeug warf und nach dem Zweiten Weltkrieg bis ins hohe Alter als Sachbuchautor zu vorwiegend technisch-wirtschaftlichen Themen reüssierte. (1)

Lücke der Geschichtsschreibung

Jakob Matscheko hat die aus Österreich stammenden Condor-Legionäre namentlich erfasst und auch andere exemplarische Beispiele von Franco-Anhängern angeführt, die den nationalistischen Rebellen sich selbst, Geld, Propagandamittel, Spionage-Know-How oder diplomatisches Networking zur Verfügung stellten. Erwähnt werden auch die zumindest zeitweise durchaus freundschaftlichen Bande, die Otto Habsburg, Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl, zu Franco knüpfte. Wobei er diese während des Zweiten Weltkriegs offenbar auch dazu nutzte, tausenden Personen die Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime nach Spanien zu ermöglichen. Die meisten anderen Personen, die in diesem Buch Erwähnung finden, sind weit weniger prominent, ihre Lebensläufe wegen der Zeitumstände aber durchaus exemplarisch und allein dadurch interessant. Zweifellos gelingt es Matscheko, eine wichtige Lücke in der einschlägigen Fachliteratur zum Thema "Spanischer Bürgerkrieg" aufzufüllen. Auch wenn der Verdacht besteht, dass sie wahrscheinlich noch lange nicht geschlossen ist. (1)

Der englische Historiker Antony Beevor schrieb ein neues Buch über den Zweiten Weltkrieg, in einem Interview wurde er gefragt, ob es überhaupt möglich sei, 75 Jahre nach Ausbruch des Krieges noch zu neuen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen zu kommen, worauf Beevor antwortete (2): “Jedes Land hat seine eigene Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg. Daher haben alle dazu tendiert, den Zweiten Weltkrieg durch das Prisma der Erfahrungen und Erinnerungen des eigenen Landes zu sehen. Für die Amerikaner begann der Krieg nicht vor Dezember 1941. Die Russen glauben, dass er erst im Juni 1941 begann. Andererseits wissen die meisten Europäer, dass er im September 1939 in Polen seinen Anfang nahm. Aber für die Chinesen hatte er bereits im Jahr 1937 begonnen, mit dem Chinesisch-Japanischen Krieg. Und viele in Spanien sind davon überzeugt, dass alles im Jahr 1936 losging. Mit dem Militärputsch von General Francisco Franco und seinen nationalistischen Truppen, um die Zweite Spanische Republik zu stürzen. Ich musste also all diese verschiedenen Kriegsschauplätze zusammenbringen, um zu zeigen, wie sie einander beeinflussten. Man muss auch aufzeigen, dass der Zweite Weltkrieg nicht nur ein monolithischer Zusammenprall war, sondern ein Konglomerat von verschiedenen Konflikten. Geschichte kann nicht einfach verräumt werden, ist nie zu Ende. Die Aufgabe des Historikers ist es, sie zu verstehen und dieses Verständnis dem Leser zu vermitteln“. (3)

Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg

Zur Beteiligung von ausländischen Kämpfern und Kämpferinnen schrieb Science ORF.at zum 70. Jahrestag des Franco-Militäraufstands: “Menschen, die in einem anderen Land kämpfen, nicht als Berufssoldaten oder Söldner, sondern als Freiwillige mit politischen Idealen - das ist heute kaum vorstellbar. Im Spanischen Bürgerkrieg vor 70 Jahren war es Realität. Fast 35.000 Männer und Frauen aus 53 Staaten gingen nach Spanien. Auf der Seite der Republik kämpften sie gegen den Putsch der Faschisten. Auch knapp 1.400 Österreicher waren darunter. Vor 70 Jahren, am 18. Juli 1936 begann mit dem Putsch von General Francisco Franco der spanische Bürgerkrieg. Die blutige Auseinandersetzung zwischen Republik und Aufständischen entwickelte sich rasch zu einem Konflikt, der international ausgetragen wurde. Franco, der Führer der faschistischen Falange, wurde von Hitler und Mussolini mit Soldaten und Waffen unterstützt. Auf Seiten der Republik stand die Sowjetunion, die Militärberater, Geheimdienstler und Politpropagandisten nach Spanien schickte. Die demokratischen Regierungen Europas hielten sich dagegen offiziell aus dem Konflikt heraus. Nicht so ihre Bürger. Zehntausende meldeten sich bei den Internationalen Brigaden, einem Freiwilligen-Heer, das von der Komintern initiiert wurde“. (4)

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Ärger um spanische Enzyklopädie

Ein weiteres Kapitel der Aufarbeitung des Spanischen Krieges von 1936 bis 1939 hat ebenfalls Science-ORF thematisiert. In diesem Fall geht es um die innerspanische Aufarbeitung des Aufstands, gleichzeitig geht es um die fragwürdige Darstellung seiner Initiatoren, die zeigt, wie nahe das heutige politische Establishment noch zum franquistischen Regime steht und wie wenig Aufarbeitung bisher betrieben wurde. Vor allem Linke, Faschismus-Opfer und Vertreterinnen der baskischen und katalanischen Peripherie kritisieren vehement, was sich bei der Erarbeitung einer historischen Enzyklopädie ereignet, die künftigen Generationen als historischer Schrittmacher dienen soll.

ORF: “Ein geschichtliches Lexikon hat in Spanien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Das Standardwerk der Königlichen Akademie, das eine Sammlung von Biografien enthält, lässt Franco in einem positiven Licht erscheinen: Der Diktator sei allenfalls ‘autoritär‘ gewesen“. (5) Viele sehen in einer solchen Darstellung eine unverantwortliche Verharmlosung Francos, sowie eine Rechtfertigung von Aufstand, Krieg und Kriegsverbrechen der spanischen Faschisten.

“War Francisco Franco im Grunde doch kein schlechter Mensch? War sein Regime, das von 1939 bis 1975 in Spanien geherrscht hatte, nicht so grausam und brutal, wie man bislang annahm? Diesen Eindruck jedenfalls erweckt ein lexikalisches Werk, das von Spaniens Königlicher Akademie für Geschichte herausgegeben wird“. "Franco machte sich einen Namen durch den kühlen Mut, den er im Felde an den Tag legte", heißt es in dem Standardwerk des "Spanischen Biografischen Lexikons". "Er errichtete ein autoritäres, aber kein totalitäres Regime“. Die in dem Lexikon enthaltene Biografie des "Caudillo" (Führer) bezeichnet Franco nicht als "Diktator", sondern als "Generalísimo" oder "Staatschef". (5)

Die Ermordung von weit über 100.000 Regimegegnern und die systematische Verfolgung von Oppositionellen bleiben unerwähnt. Der spanische Bürgerkrieg (1936-1939), den Franco mit einem missglückten Militärputsch ausgelöst hatte, wird an anderer Stelle als ein "Kreuzzug" oder "Befreiungskrieg" eingestuft. Die verzerrte und verharmlosende Darstellung des Franco-Regimes löste unter Wissenschaftlern und Intellektuellen eine Welle der Entrüstung aus. "Was da geschehen ist, ist eine Schande", meinte der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa. "So etwas darf man in der heutigen Zeit nicht zulassen." Der britische Historiker und Spanien-Experte Paul Preston betonte: "Die Darstellung Francos ist eindeutig franquistisch. Ich hätte mehr Objektivität erwartet". (5)

Die spanische Regierung forderte, das Werk an bestimmten Stellen umzuschreiben. Madrid fördert die Erstellung des Lexikons mit 6,4 Millionen Euro Steuergeldern. Das Werk soll einmal 50 Bände umfassen, in denen die Kurz-Biografien von mehr als 43.000 Persönlichkeiten der spanischen Geschichte gesammelt sind. Über 5.000 Biografen arbeiten seit zehn Jahren an dem Lexikon, von dem jetzt die ersten 25 Bände erschienen sind. Einige Autoren beklagten sich bitter darüber, dass die Passagen über Franco die Arbeit vieler Experten in ein schlechtes Licht gerückt hätten. "Man sollte die erste Ausgabe zurückziehen und eine korrigierte Version erstellen", meint der Literaturkritiker Miguel García Posada, der für das Lexikon die Biografie des Poeten Federico García Lorca verfasst hatte. (5)

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Bedenkliche Auswahl von Biografen

Die Königliche Akademie muss sich nun vorhalten lassen, sich bei der Auswahl einiger Biografen vergriffen zu haben. Der Autor des Franco-Porträts, der 87-jährige Historiker Luis Suárez, ist eigentlich ein Mittelalter-Experte. Er sollte die Franco-Biografie schreiben, weil er - anders als andere Historiker - das Archiv der Franco-Stiftung nutzen durfte. Suárez steht mit dieser Stiftung in Verbindung, die von der Familie des im November 1975 verstorbenen Diktators betrieben wird. Der Ärger um das biografische Lexikon brachte die Königliche Akademie auch als Institution ins Zwielicht. Die fast 300 Jahre alte Einrichtung im Herzen der Madrider Altstadt muss sich vorhalten lassen, innerlich erstarrt zu sein und die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Fast die Hälfte der - auf Lebenszeit ernannten - 36 Mitglieder ist über 80 Jahre alt. Der Akademie gehören nur zwei Frauen an. Die Sitzungen werden traditionell mit einem Gebet eröffnet. Die Teilnehmer sind überwiegend Historiker, die sich mit den glorreichen Zeiten in der spanischen Geschichte befassen. Direktor Gonzalo Anes räumte ein, dass Modernisierung anstehe. Die Akademie müsse mehr Frauen aufnehmen und sich auch zeitgenössischen Themen annehmen. (5)

ANMERKUNGEN:

(1) Science-ORF, Buchhinweis: “Österreicher als Kämpfer für Franco“. Autor: Edgar Schütz/APA. Buch: Matscheko, Jakob: Auf Francos Seite. Österreicher in den Reihen der Faschisten im Spanischen Bürgerkrieg. Promedia-Verlag, Wien 2015. Edition Kritische Forschung. 224 Seiten, 20,00 Euro. ISBN 978-3-85371-400-3. Das Buch wurde am 24.11.2015 im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands/DÖW (Wien 1, Wipplingerstraße 6-8) vorgestellt. (Link)

(2) Antony James Beevor (*1946) britischer Historiker, der u.a. Werke über den Zweiten Weltkrieg verfasst hat: Schlacht von Stalingrad, Luftlandeschlacht um Kreta, Normandie Landung, Schlacht um Berlin, sowie ein Werk zum Spanischen Bürgerkrieg. (Wikipedia)

(3) Österreichischer Rundfunk, Interview: Edgar Schütz/APA. (Link)

(4) “Österreicher im Spanischen Bürgerkrieg“, Science-ORF. (Link)

(5) Science ORF: „Ärger um spanische Enzyklopädie“, 3.6.2011, Hubert Kahl. (Link)

FOTOS:

(1) Ausstellung des Vereins Askatasunarte über das KZ Gurs in Südfrankreich (Foto Archiv Txeng)

(2) Ausstellung des Vereins Askatasunarte über das KZ Gurs in Südfrankreich (Foto Archiv Txeng)

(3) Ausstellung des Vereins Askatasunarte über das KZ Gurs in Südfrankreich (Foto Archiv Txeng)

(4) Ausstellung des Vereins Askatasunarte über das KZ Gurs in Südfrankreich (Foto Archiv Txeng)

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