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Todesschwadrone in Iparralde aktiv

Am 25. September 2019 waren es genau 34 Jahre seit dem Anschlag auf die Hotelbar Monbar in Baiona (frz: Bayonne). Hinter dem Attentat, das vier baskische Flüchtlinge das Leben kostete, steckte eine Todesschwadron, die unter dem Kürzel G.A.L. agierte und innerhalb von vier Jahren mehr als 20 ins französische Baskenland Geflüchtete ermordete. Hinter dieser Gruppe von Polizisten und Rechtsradikalen, so sollte sich Jahre später herausstellen, standen wichtige Köpfe der sozialdemokratischen PSOE-Regierung.

Zwischen 1983 und 1987 begingen die Todesschwadrone GAL in Iparralde eine Reihe von tödlichen Anschlägen gegen baskische Flüchtlinge. In den 1990er Jahren stellte sich heraus, dass hinter der Terrorgruppe Mitglieder aus der PSOE-Regierung unter Gonzalez steckten. Einige Politiker und Polizisten wurden verurteilt.

Wenn von der baskischen Untergrund-Organisation ETA die Rede ist, fällt schnell der Begriff “Terrorismus“. Gerne vergessen wird, dass ETA im tiefsten Franquismus gegründet wurde und einen Kampf begann gegen ein diktatorisches Regime, das durch einen Militärputsch (1936) und einen Krieg gegen eine demokratische gewählte Regierung zustande kam. ETA war nicht immer eine bewaffnete Organisation, die ersten 10 Jahre beschränkte sie sich auf Sabotage und symbolische Aktionen wie das Aufhängen von baskischen Fahnen. Ende der 1960er Jahre verschärfte das Regime die Repression und der Konflikt eskalierte.

monbar002Unterschlagen wird bei der Darstellung der ETA-Geschichte in der Regel, dass es sich um einen historischen Konflikt handelt, denn der spanische Staat wird von vielen im Baskenland als Kolonialmacht erlebt. Diese Zentralmacht bediente sich regelmäßig – nicht nur im Franquismus – wenig “demokratischer“ Mittel. Kommissionen der UNO und unabhängige Experten haben mehrfach festgestellt, dass die spanische Polizei über Jahrzehnte hinweg systematisch gefoltert hat. Im Baskenland ist von 10.000 Betroffenen seit 1960 die Rede. Seit 60 Jahren gab es immer wieder Todesgruppen aus Ultrarechten, Söldnern und Polizisten, die extralegale Mordkampagnen gegen “den Separatismus“ führten. Ein Beispiel sind die GAL – Antiterroristische Befreiungs-Gruppen.

Attentat im Monbar-Hotel Bayonne

Jener Mittwoch im September 1985 hatte für Agustín Irazustabarrena Urruzola aus dem gipuzkoanischen Astigarraga, “Legrá“ genannt, mit guten Nachrichten begonnen. Am Morgen hatten ihm die französischen Behörden mitgeteilt, dass sein Flüchtlingsstatus für weitere zehn Jahre verlängert werde. Agustín machte Pläne für ein Abendessen mit Freunden in einem Haus nahe des Hotels Monbar. Deshalb gingen sie in der dortigen Cafeteria einen Aperitif trinken.

In der Bar befand sich Agustín in Gesellschaft von José María Etxaniz Maiztegi, Sabin Etxaide Ibarguren und Iñaki Asteasuinzarra Pagola. Es war gegen 21.45 Uhr, als zwei Bewaffnete den Gastraum betraten. Einer ging ans Ende der Bar, der andere positionierte sich am Eingang, damit niemand flüchten konnte. Die beiden Individuen feuerten wild aus ihren Pistolen. Irazustabarrena, Asteasuinzarra und Etxaniz waren sofort tot, Etxaide wurde schwer verletzt ins Bayonner Krankenhaus Saint Paul gebracht. Dort starb er gegen 23.15 Uhr. Eine fünfte Person, Jean Iriart, wurde an der Hand verletzt.

Die Geschwindigkeit der Ereignisse ließen den vom Anschlag betroffenen Flüchtlingen keine Chance auf Reaktion. Irazustabarrena erhielt zwei Schüsse in den Kopf, zwei weitere in die Brust und in den Unterleib; Etxaniz wurde zwei Mal im Kopf und zwei Mal in die Seite getroffen; Asteasuinzarra erhielt einen einzigen Schuss ins Herz und Etxaide wurde ebenfalls in den Kopf getroffen.

monbar003Verfolgungsjagd

Im Gegensatz zu vielen anderen Attentaten der sich selbst als “Antiterroristische Befreiungs-Gruppen“ bezeichnenden Todesschwadron hatte der Anschlag im Monbar-Hotel ein anderes Ende. Üblicherweise gab es bei jenen “Éclat” genannten Operationen keine Resultate in Form von Festnahmen der an den parapolizeilichen Aktionen beteiligten Täter. Im Fall Monbar wurden die Mörder noch am selben Abend verhaftet. Nach den Schüssen flüchteten sie zu Fuß, wurden jedoch von mehreren Personen verfolgt, die sich in jenem Moment in anderen Bars der Pannecau-Straße befanden. Während der Flucht warfen die Attentäter ihre Waffen in den Errobi-Fluss, sie konnten aber am folgenden Tag von Polizeitauchern sichergestellt werden.

Nach ein paar Minuten Rennerei stießen die Mörder auf eine Polizeipatrouille, die auf Hinweis der Verfolger die beiden Flüchtenden festnahm. Sie wurden identifiziert als Mitglieder der “Hampa Marsellesa“, einer Mafiagruppe aus Marseille: der 41-jährige Lucien Mattei, vorbestraft zu 20 Jahren Haft wegen Waffenhandel, sowie der 22-jährige Pierre Frugoli, der aus Anlass des Nationalfeiertags am 14. Juli vom Präsidenten der Republik begnadigt worden war. Zwei Jahre später, im Dezember 1987 wurden sie vor Gericht gestellt und wegen des Monbar-Attentats zu lebenslanger Haft verurteilt.

Frugoli hatte vor der französischen Polizei zugegeben, vom spanischen Polizeikommissar José Amedo angeheuert worden zu sein, um den Anschlag im Monbar-Hotel durchzuführen. Zwei Millionen Peseten für jeden toten Flüchtling hatte er dafür von Amedo erhalten, einer schillernden Figur bei jenen Todesschwadronen, der ein paar Jahre später selbst ins Gefängnis musste. Am Vortag hatten sich die beiden Söldner in Donostia (San Sebastián) im Hotel Orly mit Amedo und Michel Domínguez getroffen. Das politische Sondergericht Audiencia Nacional im spanischen Staat eröffnete parallel zum Verfahren in Frankreich ein Verfahren, bei dem hohe Funktionäre des spanischen Geheimdienstes angeklagt waren (Juan Alberto Perote und Alfonso Manglano), sowie der berüchtigte Amedo selbst. Dieses Verfahren wurde – wie in vielen ähnlichen Fällen – im Jahr 2001 eingestellt.

Als Antwort auf die Ermordung der vier Flüchtlinge kam es zu zahlreichen Protesten, in Gipuzkoa wurde ein Generalstreik ausgerufen und in den übrigen baskischen Territorien sogenannte Kampftage, die von verschiedenen Mobilisierungen begleitet wurden.

Repression gegen Beerdigungsfeiern

Die Leichen der vier Flüchtlinge wurden Tage später in ihre jeweiligen Heimatstädte gebracht, wo am 28. September Gedenkveranstaltungen für sie organisiert wurden. Zur Ehrung für den 31-jährigen Jose Maria Etxaniz Maiztegi “Potros“ in Urretxu, der seit 1975 im Exil war, kamen mehr als 3.000 Personen. Die Anwesenheit einer großen Anzahl an Polizeikräften führte zu Zusammenstößen. Nachbarn und Personen aus anderen Orten begleiteten den Sarg auf dem halben Kilometer zwischen dem Haus der Etxaniz-Familie und dem Friedhof.

Zu einer ähnlichen Polizeipräsenz kam es in Zestoa, Gipuzkoa, beim Abschied von Sabin Etxaide Ibarguren “Eskumotza“, 31 Jahre alt und seit 1982 im Exil in Iparralde. Engmaschige Polizeikontrollen verhinderten die Teilnahme vieler Personen an den Feierlichkeiten, die in Stille abliefen, nur unterbrochen von spontanen Rufen wie “Gora Sabin!“ (Es lebe Sabin!) und dem Absingen der baskischen Hymne “Eusko Guadriak“ (Baskische Soldaten) nach der Beerdigung auf dem Friedhof.

Iñaki Asteasuinzarra Pagola “Beltza” wurde in seiner Geburtsstadt Hernani geehrt, ebenfalls begleitet von einem völlig unverhältnismäßigen Polizeiaufgebot. Die Beamten konnten dennoch nicht verhindern, dass viele Personen zur Trauerfeier für den im Alter von 35 Jahren ermordeten Flüchtling kamen. Tausende begleiteten den Sarg bis zum Friedhof. Dort wurden nur Familienangehörige und Nahestehende zugelassen, nach einem kategorischen Verbot der Guardia Civil.

monbar004Die Asche des 33-jährigen Agustín Irazustabarrena Urruzola mit Spitznamen “Legrá“ (verheiratet, ein Sohn) wurde am selben Tag auf den Weiden von Santiagomendi verstreut – auf vorherigen Wunsch des Toten. In Anbetracht der vielen Polizeikräfte wurde per Mund-Propaganda zu einer Ehrung auf dem Berg aufgerufen. Nach der Ehrung wurde die Asche des Toten auf eine Ikurriña (baskische Fahne) geschüttet und in den Wind gestreut.

GAL – Spanische Todeschwadrone

Die Grupos Antiterroristas de Liberación, kurz GAL (deutsch: Antiterroristische Befreiungsgruppen), waren verdeckt agierende paramilitärische Gruppen, die in der Zeit von 1983 bis 1987 als Todesschwadronen in Spanien und Frankreich aktiv waren und die Bekämpfung der baskischen Untergrundorganisation ETA und des baskischen Separatismus zum Ziel hatten. Die Kommandos trugen zwar die Bezeichnung einer Antiterroreinheit, agierten jedoch selbst mit terroristischen Mitteln. Sie waren für die Morde an 28 mutmaßlichen ETA-Mitgliedern oder Sympathisanten verantwortlich, von denen jedoch nachweislich etwa ein Drittel keinerlei Beziehung zu ETA gehabt hatte. (2)

Im Auftrag der Gonzalez-Regierung

Die GAL-Gruppen wurden illegal von hohen Funktionären der spanischen Regierung während der Amtszeit des sozialistischen Ministerpräsidenten Felipe González ins Leben gerufen. Sie wurden vom Innenministerium (Ministerio del Interior de España) für den Kampf gegen ETA geführt, finanziert und protegiert. Nach Aufdeckung der Aktivitäten der GAL wurden der verantwortliche Innenminister und mehrere hohe Staatsbeamte zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (die durch Strafnachlässe stark verkürzt wurden).

Die GAL-Kommandos verübten sowohl Anschläge auf (tatsächliche und vermeintliche) ETA-Mitglieder als auch auf ETA-Sympathisanten. Den Auftakt der Aktivitäten der GAL-Kommandos bildete die Entführung und die anschließende Ermordung der ETA-Aktivisten José Antonio Lasa und José Ignacio Zabala im Oktober 1983 sowie die Entführung von Segundo Marey im Jahr 1984. (2)

Der Fall Lasa / Zabala

Die jungen Basken Lasa und Zabala nahmen – laut späterem Gerichtsurteil – zusammen mit einem dritten ETA-Mitglied 1981 an einem Raubüberfall im spanischen Baskenland teil. Der Anführer des Kommandos wurde verhaftet, Lasa und Zabala flüchteten über die Grenze nach Frankreich. “Dort wurden sie am 15. Oktober 1983 von einem GAL-Kommando entführt und unter der Leitung des Generals der Guardia Civil und Kommandanten der Kaserne Intxaurrondo, Rodriguez Galindo, tagelang verhört und schwer gefoltert. Sie wurden danach ohne jegliches gerichtliches Verfahren mit einem Genickschuss getötet und in Busot, Alicante, in ungelöschtem Kalk verscharrt, bis ihre sterblichen Überreste 1985 von einem Jäger entdeckt wurden. Erst 1995 wurden die Leichen identifiziert.“ (2)

monbar005Galindo, die beiden mutmaßlichen Hauptausführenden Dorado und Bayo (Polizisten der Nationalpolizei) und andere wurden später in einem langwierigen und umstrittenen Prozess der Entführung und des Mordes für schuldig befunden und von der Audiencia Nacional de España zu langen Haftstrafen verurteilt (die von den spanischen Justiz-Behörden stark reduziert wurden). (2)

Vorwiegend in Iparralde aktiv

Die Anschläge der GAL wurden schwerpunktmäßig auf französischem Gebiet verübt. In ihrer aktiven Zeit von 1983 bis 1986 begingen die GAL-Kommandos insgesamt 28 Morde, darunter am 20. November 1984 an Santi Brouard in Bilbao. Brouard war Führer der baskischen links-nationalistischen Partei Herri Batasuna. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass mehr als ein Drittel der GAL-Opfer keinerlei Beziehung zum Terrorismus hatte. Diese Periode des Anti-Terror-Kampfes des spanischen Staates wird in Spanien als “la guerra sucia“ (schmutziger Krieg) bezeichnet. (2)

Das Bekanntwerden der Hintergründe der GAL-Aktivitäten in den 1980er Jahren und insbesondere die (teils gerichtlich bewiesene, teils vermutete) Verwicklung hochrangiger Mitglieder der spanischen Regierung bis hin zum damaligen Ministerpräsidenten González hat wesentlich zur Niederlage der spanischen Sozialisten (PSOE) bei den Parlamentswahlen im Jahr 1996 beigetragen. Die PSOE hat sich jedoch auch nach dieser Niederlage nicht zur Verantwortung in Bezug auf die Aktivitäten der GAL bekannt. (2)

Während der Gerichtsprozesse zu den Geschehnissen rund um die GAL ist festgestellt worden, dass die Attentate und Entführungen der GAL in der Hauptsache durch französische Söldner durchgeführt wurden, die von spanischen Polizisten angeheuert worden waren. Die Finanzierung der Gruppen, so die Erkenntnisse der Ermittler, erfolgte aus speziell bereitgestellten Fonds und wurde vom spanischen Innenministerium über Mittelsmänner durchgeführt. Unter anderem wurde auch der (sozialdemokratische) Innenminister José Barrionuevo 1998 wegen der Aktivitäten der GAL zu 10 Jahren Haft verurteilt (die er nicht komplett absitzen musste). (2)

Verurteilungen

Im Zusammenhang mit den Prozessen zu den GAL-Kommandos wurden u.a. folgende bekannte Personen verurteilt: José Barrionuevo, Innenminister. Rafael Vera, zuständiger Direktor für die Staatssicherheit. Ricardo García Damborenea, Generalsekretär der PSOE in Bizkaia. Francisco Álvarez-Cascos, Leiter des Antiterrorkampfes des spanischen Staates. Miguel Planchuelo, Leiter der “Informationsbrigade“ (Brigada de Información) in Bilbao. José Amedo, Polizist.

Bereits vor den GAL waren in Spanien – insbesondere während der Diktatur Francisco Francos – bewaffnete Gruppen tätig, die sich schwerpunktmäßig im Kampf gegen ETA betätigten. Hierzu gehören die Gruppen Triple A, Batallón Vasco Español (BVE), Comandos Antimarxistas, Grupos Armados Españoles und Antiterrorismo ETA (ATE). (2)

monbar006Postfranquismus

Manche politische Beobachter gehen davon aus, dass die Aktionen der GAL indirekt dazu beigetragen haben, das Überleben von ETA bis in die 1990er Jahre und darüber hinaus zu sichern. Ausgangsüberlegung dieser Ansicht ist, dass die Verwicklung des spanischen Staates in die Aktivitäten der GAL dazu beitrug, die unter baskischen Nationalisten verbreitete These zu festigen, nach der es auch nach dem Ende von Francos Diktatur einen Krieg zwischen dem spanischen Staat und dem Baskenland gab. Diese Position wurde von ETA zur Rechtfertigung eigener Anschläge vertreten und führte zu Sympathien auch im Ausland. (2)

Die Ansicht, der Franquismus habe nie wirklich geendet und der sogenannte “demokratische Übergang“ sei eine Farce gewesen, weil alle Akteure aus dem Franquismus in Amt und Würden geblieben waren und die Franquisten sich selbst eine Amnestie organisierten, wird jedoch auch von vielen Linken außerhalb des Baskenlandes geteilt. Mittlerweile auch von konservativen Parteien in Katalonien und dem Baskenland. Sie alle fordern eine Wiederholung bzw. Aktualisierung des “demokratischen Übergangs“ im spanischen Staat.

Die Organisation ETA hat vor mehr als 11 Jahren de facto ihren bewaffneten Kampf beendet, vor zwei Jahren die Waffen abgegeben und sich vor einem Jahr aufgelöst. Von einem „Friedensprozess“ ist die Rede. Zu einem realen Friedensprozess gehört auch die Aufklärung der staatlichen Verbrechen und die juristische Aufarbeitung der Verantwortung.

ANMERKUNGEN:

(1) “34 años del atentado Monbar en Baiona” (34 Jahre nach dem Monbar-Attentat von Bayonne) Tageszeitung Gara, 2015-09-24 (Anm: die Jahreszahl wurde aktualisiert) (LINK)

(2) GAL – Grupos Antiterroristas de Liberación, Wikipedia (LINK)

ABBILDUNGEN:

(1) Politisches Plakat GAL (internet)

(2) Monbar-Attentat (gara)

(3) Monbar-Attentat (gara)

(4) Monbar-Attentat (gara)

(5) Beerdigungsszene (wikipedia)

(6) GAL-Darstellung (facebook)


(PUBLIKATION baskultur.info 2019-10-10)

 

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