Schattenboxen im spanischen Parlament
Das franquistische Spanien hatte nach dem Krieg von 1936 bis 1939 die Absicht, 7.300 Soldaten der nazistischen Legion Condor zu belohnen oder entschädigen. Die aktuelle spanische Regierung Rajoy hat auf parlamentarische Anfrage hin mitgeteilt, ihr sei nicht bekannt, ob diese Entschädigungen ausgeführt wurden oder nicht. Das läge „an der langen Zeit, die vergangen ist seit jenen Ereignissen“. An der Aufarbeitung des Franquismus hatte die PP-Regierung allerdings noch nie auch nur das geringste Interesse.
Nach dem der Krieg 1939 entschieden war, wurde im Franco-Regime darüber nachgedacht, einen Teil der Legion Condor Soldaten zu belohnen, die Nazi-Deutschland als Unterstützung für den Militärputsch nach Spanien geschickt hatte. Die Legion hatte Gernika und weitere baskische Städte bombardiert.
Vom Franco-Regime geplant war die Belohnung oder Entschädigung für die Hilfe, die deutsche Soldaten als Teil der Legion Condor den aufständischen Truppen geleistet hatten, gegen die demokratisch gewählte republikanische Regierung. Es sei unbekannt, ob solche Zahlungen tatsächlich geleistet worden seien, teilt die spanische Regierung (2017) mit. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass es zu diesen Zahlungen kam.
Die Belohnungs-Initiative des Franco-Regimes zugunsten von Nazisoldaten wird in zwei Schreiben kommentiert, mit denen die aktuelle spanische Regierung (Rajoy) auf zwei Anfragen von Jon Iñarritu geantwortet hat. Iñarritu ist als Abgeordneter der linksbaskischen Koalition EH BILDU Mitglied des spanischen Senats, der zweiten Kammer des spanischen Parlaments. Der Abgeordnete hatte nach möglichen Vergütungen von Seiten des spanischen Staates an Mitglieder der Legion Condor in Form von Pensionen oder Entschädigungen gefragt, die auch an Angehörige jener Flieger der Hitler-Armee geleistet worden sein könnten. Eine gleichlautende Anfrage bezog sich auf Militärs der faschistischen italienischen Luftwaffe von Benito Mussolini, die ebenfalls am Militärputsch beteiligt waren und mehrfach die Zivilbevölkerung bombardierten. (1)
Die Antworten der PP-Regierung (Partido Popular – Volkspartei) (2) wurden ausgerechnet am 26. April 2017 unterschrieben, am 80. Jahrestag der Bombardierung und Zerstörung der baskischen Stadt Gernika (span: Guernica). In den Schreiben wird kommentiert, dass „nach der Konsultierung der in historischen Archiven verfügbaren Dokumentation“ bestätigt werden kann, dass „ungefähr 7.300 Mitglieder der Legion Condor für den Bezug einer Belohnung vorgeschlagen wurden“. Benutzt wird in den Antworten der spanischen Regierung das Wort „recompensa“, das auf Deutsch sowohl „Belohnung“ wie „Entschädigung“ bedeuten kann.
Über den Zeitpunkt der Initiative macht die Regierung keinerlei Angaben. Außerdem sei es nicht möglich, mögliche Empfänger solcher Entschädigungen zu unterscheiden. Die deutsche und die italienische Armee seien dabei nicht voneinander zu differenzieren. „Aufgrund der Zeit, die vergangen ist seit den Ereignissen, auf die sich die Anfragen beziehen, kann nicht geklärt werden, ob die Zahlungs-Vorschläge umgesetzt wurden oder nicht“, heißt es in den Antworten. Auch wird keine Angabe gemacht, welche Kriterien zur Zahl von 7.300 Kandidaten geführt hat, denn es waren weit mehr Soldaten, die insgesamt über mehr als zwei Jahre hinweg in der Legion Condor Dienst taten; geschätzt werden 25.000.
Vertrag mit Franco
Die Antworten der spanischen Regierung enthalten keine weitere Angaben, weder über den Zeitpunkt des Zahlungs-Vorschlags, noch darüber, von welcher Seite die Initiative seinerzeit ins Spiel gebracht worden war. Dennoch wird seit Langem vermutet, dass die Zahlungen Teil des Vertrages waren, den die Bundesregierung am 29. Mai 1962 mit dem Franco-Regime abschloss. In diesem von der Regierung Adenauer ausgehandelten Vertrag, der nach dem Tod des spanischen Diktators bekannt wurde, heißt es offiziell, dass die Bundesrepublik sich dazu verpflichtet, den Mitgliedern der „Blauen Division“ (spanisch: División Azul) oder ihren Hinterbliebenen Renten zu zahlen. Die „Blaue Division“ war eine Truppe von spanischen freiwilligen Faschisten, die an der Seite der Wehrmacht in der Sowjetunion kämpften (3). Viele starben bei diesem Kampf für die Nazis oder wurden im Verlauf des Zweiten Weltkriegs verletzt. Die Bundesregierung hat erst im Jahr 2015 auf Anfrage der Partei Die Linke eingeräumt, dass solche Pensionen bis zum heutigen Tag gezahlt werden (4). Konkret handelt es sich um 50 Nutznießer/innen (41 Soldaten, acht Witwen und eine Waise), der Umfang der Zahlungen beläuft sich auf ca. 100.000 Euro. Der Vertrag regelt „Zahlungen für Opfer des Krieges“, aus seinem Wortlaut geht jedoch nicht genau hervor, welche Beträge das franquistische Regime an die Soldaten des Naziregimes zu leisten hätte, die für den faschistischen Militärputsch kämpften. Dennoch ist es überaus wahrscheinlich und logisch, dass solche Zahlungen von spanischer Seite erfolgten, wenn die Bundesrepublik auf umgekehrtem Wege ebenfalls zahlte.
Trotz dieses logischen Schlusses behauptet die aktuelle Regierung in Madrid in ihren Antworten an den baskischen Abgeordneten, von solchen Zahlungen nichts zu wissen. Sie erkennt lediglich die Existenz des Vertrags mit der Bundesrepublik an. Enthalten ist eine Klausel, aus der hervorgeht, dass die spanische Seite ebenfalls Zahlungen leistete an Mitglieder der „Blauen Division“ und deren Rechtsnachfolger. Gezahlt wurde und wird also an Soldaten, die nicht in der spanischen Armee gedient hatten, sondern in der Wehrmacht der Nazis. Die Zentralregierung weigert sich jedoch, aus der Tatsache dieser Zahlungen den Rückschluss zu ziehen, dass die Franquisten „ebenfalls Zahlungen an Mitglieder der Legion Condor geleistet hätten, die am Krieg teilgenommen hatten“.
Von Seiten der spanischen Regierung wird behauptet, dass keine Dokumente auffindbar seien, die Zahlungen an Mitglieder der Legion Condor belegen würden. „Nach Durchsicht der Daten in den Bereichen Wirtschaftliche Angelegenheiten und im Rentenarchiv des Verteidigungs-Ministeriums wurden keine Hinweise gefunden auf Zahlungen an jene Personengruppe“. Gleichzeitig seien weitere Anfragen an das Finanz-Ministerium gemacht worden, die ebensowenig zu Ergebnissen geführt hätten.
Zweifel am Wahrheitsgehalt und an den Grundlagen der Antwort der spanischen Regierung sind mehr als berechtigt. Selbst wenn es in den „offiziellen“ Archiven und Akten keine diesbezügliche Information geben sollte, ist der Hinweis angebracht, dass es im Staat nach wie vor verschlossene Archive gibt, in denen Akten aus der Zeit des Franquismus gelagert werden. Die sind nicht einmal für Historiker*innen zugänglich. Daneben hat die Stiftung Francisco Franco (!!!) in ihrem Besitz staatliche Akten und Dokumente unter Verschluss, über die keinerlei Angaben vorliegen. Vorsitzende dieser Stiftung ist Francos Tochter, der Organisation fließen jährlich Millionen staatlicher Zuschüsse in die Kassen.
Die Intervention der Legion Condor im 1936 durch einen Militärputsch ausgelösten Krieg war entscheidend für den Sieg der faschistischen Seite unter General Francisco Franco. Die Flugstaffel war Bestandteil der Hitler-Armee und bestand aus ungefähr 16.000 Soldaten, vor allem Fliegern und 600 Flugzeugen (Daten aus Quelle-1; bei Wikipedia ist von 26.116 Mitgliedern die Rede, an anderen Stellen wird von insgesamt 21.000 Soldaten gesprochen). Daneben stellten die Nazis den Putschisten wichtige logistische und militärische Hilfe zur Verfügung. Aus Berichten und Tagebüchern von in Spanien und im Baskenland agierenden Nazis geht hervor, dass die Bombeneinsätze vor allem Testcharakter hatten, um das eigene Kriegsmaterial auf Tauglichkeit zu prüfen und zu verbessern. Das bekannteste Kriegsverbrechen der Legion Conodor ist die Zerstörung von Gernika und der Massenmord von mehr als 2.000 Personen in der Zivilbevölkerung.
Neben den wahrscheinlichen (wenn auch von der Regierung nicht bestätigten) Entschädigungs-Zahlungen an Legion-Condor-Soldaten, ließ sich Nazi-Deutschland den Einsatz in Spanien gut bezahlen. Nicht zuletzt mit kriegsnotwendigen Rohstoffen wie Wolfram und mit Lebensmitteln. Die Hungersnot in Spanien nach dem Krieg war nicht auf den Mangel an landwirtschaftlicher Produktion zurückzuführen, sondern darauf, dass ein Großteil dieser Produktion direkt ins kriegführende Deutschland transportiert wurde. Denn nur vier Monate nach Ende des Spanienkriegs (April 1939) überfielen die Nazis Polen und lösten den Zweiten Weltkrieg aus.
(In der Abteilung Geschichte – Spanienkrieg 1936 des vorliegenden Portals www.baskultur.info wurde in der Vergangenheit eine Serie von Artikeln publiziert, die die Ereignisse von 1936 aus baskischer Sicht darstellen und analysieren.)
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus dem Artikel „España quiso recompensar tras la guerra a unso 7.300 soldados de la Legión Cóndor” vom 30.4.2017 in der baskischen Tageszeitung Deia (Spanien wollte ca. 7.300 Soldaten der Legion Condor entschädigen) (Link)
(2) Die PP – Partido Popular, Volkspartei – ist eine 1989 aus der postfranquistischen Partei Alianza Popular (AP) hervorgegangene Partei. Sie wurde von Altfranquisten gegründet (Franco-Minister Manuel Fraga Iribarne) und ist bis heute Sammelbecken von alten Regimefreunden oder ihren Nachkommen. Die PP hat bis heute Francos Militärputsch nicht verurteilt, das Kriegsverbrechen in Gernika nicht anerkannt. Nicht wenige Mitglieder pflegen öffentlich die Huldigung des Diktators.
(3) Die Blaue Division (spanisch División Azul), offiziell División Española de Voluntarios (deutsch: „Spanische Freiwilligendivision“), war eine Infanteriedivision aus spanischen Freiwilligen, die unter der Führung der deutschen Wehrmacht als 250. Infanterie-Division von 1941 bis 1943 am Krieg gegen die Sowjetunion teilnahm. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 kam es in Spanien zu großen Kundgebungen unter dem Motto: „Russland ist schuld!“ (gemeint war der Spanische Bürgerkrieg). Inwiefern diese Kundgebungen spontan stattfanden oder von interessierten Kreisen initiiert wurden, lässt sich heute nicht sagen. Fest steht, dass die Regierung die Begeisterung vor allem junger Falangisten nutzte, um noch am selben Tag an den deutschen Gesandten mit dem Angebot von Freiwilligenverbänden für den „Kampf gegen den Kommunismus“ heranzutreten. Nach kurzen Verhandlungen wurde beschlossen, eine Infanteriedivision aus Freiwilligen zu entsenden, die aus Kadern der Armee und Freiwilligen aus ganz Spanien bestehen sollte. Diese „División Española de Voluntarios“ bestand aus vier Infanterie-Regimentern und einem Artillerie-Regiment und besaß eine Stärke von 640 Offizieren, 2.272 Unteroffizieren und 14.780 Mannschaften. Gegenüber der Presse wurde der freiwillige Charakter der Einheit betont, tatsächlich aber waren alle wichtigen Positionen mit Armeeangehörigen besetzt, die regelmäßig ausgetauscht wurden. Neben antikommunistischen Motiven spielte bei den Offizieren vor allem die Verbesserung ihrer Karrierechancen eine wichtige Rolle für die freiwillige Meldung, so zählte z.B. die Dienstzeit in Russland doppelt. (Wikipedia)
(4) Artikel „Merkel und Franco?“ bei Baskinfo (Link)
FOTOS:
(1) Condor-Gräber in Madrid (Foto: esacademic)
(2) Abfahrt Blaue Division (elconfidencial)
(3) Ehrung Legion Condor (mediosocial-wikispace)
(4) Condor-Flieger (wikimedia)
(5) Blaue Division (elpais.es)
(6) Blaue Division (abc.es)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2017-06-04)