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Gefangene während des Krieges 1936-39

Der Spanienkrieg fand statt von Juli 1936 bis März 1937. Überall dort, wo die Faschisten oder Franquisten nach und nach militärisch die Oberhand gewannen, wurden umgehend Gefängnisse und Konzentrationslager eingerichtet, um die politischen Gegner*innen gefangen zu halten oder um sie direkt zu vernichten. Bis heute sind Historiker*innen und antifaschistische Gruppen mit der Arbeit beschäftigt, die Gräuel dieser Repressions-Orte ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, um an die Opfer zu erinnern.

Eine neue historische Untersuchung hat die Konzentrationslager zum Objekt, die die Franquisten bereits während des Spanienkrieges (Spanischer Bürgerkrieg) einrichteten und in denen Tausende ihr Leben ließen. Eine Erinnerung zum 80. Jahrestag des Kriegsendes.

In den franquistischen Konzentrationslagern gab es nichts zum Schlafen, nichts zu Essen und nicht einmal etwas, um sich das Leben zu nehmen. Eine Untersuchung auf staatlicher Ebene hat nun weitere makabre Schicksale von Gefangenen in Irun, Urduña und Iruñea ausgegraben. Geschichten, bei denen es ums nackte Überleben ging (1) (2). Die baskischen Tragödien während des Zweiten Weltkriegs in Konzentrationslagern wie Mauthausen, Gurs oder Angelu sind weitgehend bekannt (3). Dasselbe gilt für den franquistischen Kerker in Ezkaba bei Pamplona oder für das Frauengefängnis Saturraran bei Ondarrua an der Küste von Bizkaia.

Konzentrationslager im Baskenland

KZBL02Weniger bekannt sind die Schicksale der Gefangenen, die noch während der Zeit des Spanienkrieges – von vielen fälschlicherweise Bürgerkrieg genannt – zwischen 1936 und 1939 durch franquistische Konzentrationslager geschleust wurden (4). Zum Vorschein kamen haarsträubende Berichte, die der Journalist und Schriftsteller Carlos Hernandez de Miguel in einer Untersuchung zusammengestellt hat – in den Medien hat diese Arbeit ein großes Echo hinterlassen. Ihr Titel lautet: „Los campos de concentración de Franco” – Francos Konzentrationslager. Der Inhalt ist schwer verdaulich, nichts für sensible Mägen oder Geister, die zu Schlaflosigkeit neigen. CHM beschreibt eine schreckliche Realität, die auch 80 oder 82 Jahre danach noch Gruseln verursacht. Vor allem, wenn dazu noch in Betracht gezogen wird, dass Franco, der Hauptverantwortliche dieses Terrors, nach wie vor mit allen Ehren in einem öffentlich zugänglichen Mausoleum begraben liegt.

Repression und Vernichtung

Menschliches Leben war in jener Form von Haft nichts wert. In der umfunktionierten Escolapios-Schule von Bilbao zum Beispiel, sie wurde von 1937 bis 1939 als Haftanstalt benutzt. Pedro Urrutikoetxea war einer der Gefangenen. Er erzählte von einem jungen Mann, der Txakoli genannt wurde. „An seinem Geburtstag wusste er, dass seine Freundin zu einem vereinbarten Zeitpunkt am Gefängnis vorbeigehen würde, damit sie sich an diesem besonderen Tag zumindest sehen konnten. So gut es ging versteckte er sich hinter einem Fenster, streckte den Kopf nur so weit wie nötig heraus. Eine Gewehrkugel der Außenwache, genau in den Kopf, beendete dieses junge Leben für immer“. Denn wer sich wie auch immer nach außen zeigte wurde auf brutalste Weise bestraft.

Der junge Txakoli musste nicht leiden, er war sofort tot. Ein anderer Gefangener in Miranda del Ebro, einem an der baskischen Grenze zu Burgos liegenden Konzentrationslager, wurde länger gequält. Der bekannte baskische Anarchist Félix Padín erzählte, wie an einem kalten Wintertag mit Minustemperaturen „ein verzweifelter Gefangener“ beim Fluchtversuch erwischt wurde. „Am Abend banden sie ihn am Flaggenstamm im Hof fest, so blieb er die ganze Nacht. Wir schliefen nicht in jener Nacht, weil wir uns vorzustellen versuchten, was mit ihm geschah. Am nächsten Morgen mussten wir neben dem Fahnenmast singen. Der Arme war tot, er war erfroren. Sein Körper war steif an den Stamm gelehnt, in einer leicht gebeugten Haltung. Die Botschaft an die übrigen Gefangenen war klar, wir sangen wie üblich, so als wäre nichts geschehen“, erzählte Padín, der selbst überlebte und noch ein langes Leben vor sich hatte bis er 2014 in hohem Alter starb.

Folter, Hunger, Helden

KZBL03Folter war in Lagern wie Urduña an der Tagesordnung (5). Für das dortige Konzentrationslager war eine Jesuitenschule umfunktioniert worden. Mehr als 4.000 Gefangene, die meisten von außerhalb des Baskenlandes, wurden dort festgehalten. Dort herrschte ein Militär mit dem Namen „El Manco“, auf Deutsch: der Einarmige, weil ihm an der rechten Hand drei Finger fehlten. Das hielt ihn nicht davon ab, alle Gefangenen zu schlagen, die ihm irgendwann über den Weg liefen. Im neu erschienenen Geschichtsbuch erzählt eines der Opfer: „El Manco war verrückt. Er hatte immer einen Knüppel in der Hand, kam wütend aus seinem Büro, schrie herum wie ein Besessener, beleidigte uns und teilte Schläge aus an die Nächstbesten. Unglücklicherweise tötete er dabei mehr als einen Gefangenen mit Knüppelhieben“.

Urduña war von den Franquisten nicht als Straf- oder Vernichtungslager geplant, im Gegensatz zu Deustu oder Larrinaga (beide in Bilbao), wo viele Erschießungen praktiziert wurden. Von Urduña aus wurden Gefangene zur Zwangsarbeit in Fabriken geschickt oder umverteilt in andere Lager. In Urduña wurde weitgehend Buch geführt über die Namen der Insassen, der Toten, deren Todestage und vermeintliche Todesursachen. Dies ermöglichte eine relativ gute Rekonstruktion der Geschichte dieses Lagers, ausführlicher als es bei anderen Zwangsanstalten möglich war, in denen versucht wurde, die grenzenlose Gewalt gegen die Gefangenen mit gefälschten oder unzureichenden Dokumenten zu verhüllen. In Urduña wurden die Toten– ohne Namen versteht sich – auf dem Friedhof beerdigt, teilweise ordentlich Seite an Seite und nicht im Massengrab, wie sich bei einer Exhumierung im Jahr 2015 herausstellte (5). Neben Prügeln waren Hunger, Krankheiten, Ungeziefer und Kälte die häufigsten Todesursachen.

Todesursache Hunger

Der Hunger war grauenhaft in diesen Lagern. Einige ehemalige Insassen erklären übereinstimmend, dass „der Fraß“ üblicherweise aus weniger als einem halben Dutzend Kichererbsen bestand. Überleben bedeutete, sich mit den Straßenhunden um die Knochen zu streiten. CHM berichtet von Urduña auch über Typhus, der wie die Kälte auch im Kloster Merced von Iruñea (Pamplona) wütete, wo ebenfalls ein Konzentrationslager eingerichtet worden war.

KZBL04Inmitten dieses Elends kam es gelegentlich zu unglaublichen Heldenakten. Weil es sich um kein Konzentrationslager, sondern um ein normales Gefängnis handelte, erwähnt das Buch nicht die legendäre Massenflucht von 800 Gefangenen von Ezkaba (6), die 1938 mit 200 am Straßenrand verscharrten Leichen endete. Allerdings werden in der historischen Untersuchung die Folgen erklärt, die die Ezkaba-Flucht für andere KZs hatte. Denn das franquistische Kriegsregime (der Krieg war noch nicht zu Ende) entwickelte eine Psychose, dass sich Ähnliches wiederholen könnte.

Der Anarchist Losada

Heldenhaft ist auch die Geschichte eines „Losada“ genannten Anarchisten aus Donostia (San Sebastian) im Gefängnis von El Dueso (Santoña, Kantabrien), die von einem Überlebenden erzählt wurde: „Losada kam mit seiner Gruppe zur täglichen Liturgie des Fahnenappells. Dieser Farce folgten nach dem Einholen der Fahne üblicherweise die franquistischen Siegesrufe des Lager-Kommandanten. In diesem Fall drängte sich Losada vor und rief: Es lebe die Republik! Es lebe Euskadi! Es lebe die Freiheit! Der Skandal unter den Anbetern des nationalen Symbols war unbeschreiblich. Die Gefangenen überlief ein Schauder. In der folgenden Nacht wurde ein Kriegsrat einberufen, Losada wurde einbestellt und zum Tode verurteilt. Am nächsten Morgen wurde er vor den Augen seiner Genossen erschossen“.

Aus der Distanz gesehen war die Aktion Losadas vielleicht eine Form, sich das Leben zu nehmen, um der Marter des KZs zu entkommen. Viele andere versuchten es, ihr größtes Problem war, dass sie nicht einmal an die nötigen Hilfsmittel kamen, mit denen sie sich hätten umbringen können.

Heutige Orte der Erinnerung

KZBL05Es überrascht und erschreckt, dass viele jener Terrororte heutzutage Orte mit viel Leben sind, die Schule in Urduña zum Beispiel, oder die Universität von Deustu (Deusto, Bilbao). Oder auch touristische Zentren wie das Kloster Iratxe in Navarra, sogar Festplätze wie die Stierkampf-Arenen von Tolosa und Iruñea, oder das Fußball-Stadion Gal in Irún. Es hatte kaum 48 Stunden nach dem Militärputsch gebraucht bis Franco das erste Konzentrationslager errichtete, um Gefangene einzusperren. Dies geschah in Melilla, wo er im Auftrag der Republik militärischer Kommandant war, nicht auf spanischem Boden, sondern in der Kolonie auf afrikanischem Boden, die heute Marokko heißt (7). Nach dem Sieg der Faschisten im Jahr 1939 wurden viele dieser Konzentrationslager geschlossen oder in Gefängnisse verwandelt, um den Horror zu verschleiern, den die Erinnerung an diese Orte bis heute hervorruft.

(Publikation Baskultur.info 2019-04-05)

ANMERKUNGEN:

(1) Aus „Los campos del horror franquista en Euskal Herria” (Die franquistischen Horror-Lager im Baskenland), Tageszeitung Gara 2019-03-31

(2) Irún, Urduña, Iruñea – Irún ist baskische Grenzstadt an der spanisch-französischen Grenze; Urduña, span: Orduña liegt in Süd-Bizkaia an der Grenze zu Burgos; Iruñea, span: Pamplona, ist die Hauptstadt der autonomen baskischen Region Navarra

(3) Bei Baskultur.info sind zwei weitere Artikel zum Thema zu finden: „Marcelino in Mauthausen – Die Kriegsgefangenschaft von Marcelino Bilbao“, (LINK); und „Basken im KZ Mauthausen – Republikanische Gefangene in Nazi-KZs“ (LINK)

(4) Der in der Geschichtswissenschaft häufig benutzte Begriff „Spanischer Bürgerkrieg“ ist irreführend, weil es sich nicht um eine interne militärische Auseinandersetzung in einem Land handelte. Von Beginn an wurde auf den Kriegsverlauf von externen Kräften Einfluss genommen. Nazi-Deutschland, das Italien von Mussolini, Portugal und Irland auf der faschistischen Seite, die Sowjetunion auf der anderen. Insbesondere die Rolle der nazideutschen Legion Condor war kriegsentscheidend (siehe Artikel bei baskultur.info).

(5) Konzentrationslager Urduña, Artikel „Historische Erinnerung – Exhumierungen in Urduña“ Baskultur.info (LINK)

(6) Gefängnis-Festung Ezkaba bei Pamplona, Artikel bei Baskultur.info: „Andres Gangoiti Cuesta – Des Heizers letzte Reise“ (LINK)

(7) Die beiden von Marokko umgebenen Küstenstädte Ceuta und Melilla gehören bis heute als Enklaven zum spanischen Staat. Über die Medien bekannt sind sie heutzutage wegen der Flüchlingsbewegungen und der gefährlichen Stacheldrahtzäune, die dort aufgebaut wurden.

ABBILDUNGEN:

(1) Luis Ortiz (beret project). Er war der letzte Überlebende der Sklavenarbeit im Straßenbau in den Vorpyrenäen und starb im März 2019. Im Hintergrund der Collage sind von Faschisten zu ihrer Demütigung geschorene Frauen zu sehen.

(2) Ezkaba, Pamplona: „Friedhof der Flaschen“ (naiz). Auf einem Friedhof unterhalb der Gefängnisfestung Ezkaba wurden von wohlmeinenden Personen heimlich Flaschen mit Namenszetteln neben die Leichen gelegt, um sie eines Tages identifizieren zu können. Danach erhielt der Friedhof seinen Namen.

(3) Lagerplan Baskenland (naiz). Insgesamt 26 Konzentrationslager wurden während des Krieges im Baskenland errichtet, teilweise existierten sie auch noch nach 1939. Dazu kam das Grenzlager in Miranda del Ebro.

(4) Luis Ortiz (naiz). Luis Ortiz war Gefangener in den Lagern Deustu (Bilbao), Irún (Gipuzkoa) und Miranda del Ebro (Burgos). Das Foto zeigt ihn bei einer Erinnerungs-Veranstaltung in Bidangoze, Navarra, wo Sklavenarbeiter für die Franquisten in den Vorpyrenäen Straßen bauen mussten.

(5) KZ Miranda del Ebro. Knapp außerhalb des Baskenlandes liegend wurden hier viele baskische Gefangene festgehalten. In den im Baskenland existierenden KZs hingegen waren es vorwiegend nichtbaskische Gefangene. Der Grund lag darin, familiäre Hilfe zu verhindern und ohnehin schwierige Fluchtversuche zu vereiteln.

 

 

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