alde01Wer nicht lernen will …

Die baskische Sprache, das Euskara, ist nicht nur die älteste existierende Sprache im europäischen Raum, auch zeichnet sie sich aus durch eine Struktur und Deklination, die kaum vergleichbar ist mit anderen Sprachen. Da ist von 35 Fällen die Rede, eine Besonderheit ist, dass die zur Orientierung wichtigen Präpositionen nicht autonom im Satz stehen, sondern angehängt sind. Worte in ihrer Bedeutung zu identifizieren heißt somit erkennen, was Stamm und Anhängsel ist. Da hilft kein Wörterbuch.

Das Euskara wird bei den Wahlen zur Stolperfalle für alle, die sich nicht mit der Sprache identifizieren und sie nur aus wahltaktischen Gründen benutzen. Das haben in wenigen Tagen die neue Bewegungspartei PODEMOS und die rechte PP erfahren, bei ihrer Suche nach Wahl-Propaganda in baskischer Sprache, denn am 26. Juni 2016 wird erneut ins spanische Parlament gewählt und jede Stimme zählt – auch die aus dem Baskenland.

Letztendlich sind es irgendwelche tolpatschiken und ignoranten Plakatschreiber, die sich nicht vorstellen können, dass eine Euskara-Übersetzung – und sei sie noch so minimal – nicht mit Google-Translator oder einem Wörterbuch zu machen ist. Und die Euskara-Gemeinde lacht sich kaputt!

PODEMOS wollte per Plakat die im spanischen Staat gängige Korruption anklagen. „No más corrupción“ hieß der Satz auf Spanisch, auf Baskisch wurde daraus „Korrupzio Gehiagorekin“ – was jedoch dummerweise das genaue Gegenteil bedeutet. Denn „gehiago“ heißt „mehr“ und „ekin“ ist die angehängte Präposition „mit“. Also: „Mit mehr Korruption“ – ganz schön blöd die Sache. Selbst ein Euskara-Anfänger (wie der deutsche Schreiber dieser Zeilen) hätte den Fauxpas sofort bemerkt, weil er ins Auge springt. Dass der Fehler nicht entdeckt wurde, zeigt den Grad der Ignoranz gegenüber der Sprache und spricht nicht für die Professionalität der Partei, sondern für den Oportunismus, sich „schnell mal“ baskisch-sprachigen Wählerinnen anzubiedern.alde02

Noch schlimmer traf es die aktuelle spanische Regierungs-Partei Partido Popular, die in Fortsetzung der franquistischen Tradition ohne Zweifel zu den Euskara-Feinden gezählt werden darf. Ein schlichtes „A favor“ ist deren vielsagender, fast philosophisch anmutender Wahlschlager, auf Deutsch: „Dafür“. Wofür ist egal, so sind Wahlen heutzutage, wähl mich, aber frag nicht warum. Nach dem selben Prinzip wie bei Podemos muss sich bei der Partei der Altfranquisten einer ins Internet geklemmt haben, um eine Übersetzung zu suchen. Und er wurde fündig. „Alde“ ist das Wort.

Die Sache schien einfach, doch stecken hinter dem Wort verschiedene Bedeutungen. Die erste ist „Seite, Zone, Teil“. Wenn es jedoch wie geplant „dafür“ bedeuten soll, muss ein Bezug hergestellt werden, wofür oder für wen, in diesem Punkt steckt eine Prise linguistischer Intelligenz, die kein Wörterbuch erfasst. „Euskararen alde“ zum Beispiel bedeutet „Für das Euskara“ oder „Auf der Seite des Euskara“, und die im Sinne der spanischen Rechtspartei richtige Form wäre gewesen „Rajoyren alde“, also „Für Rajoy“, denn dessen Gesicht war neben dem Wort abgebildet. Steht jedoch kein Bezug neben „alde“ ändert sich die Bedeutung nicht nur ein wenig, sondern komplett, dann bedeutet es schlicht „RAUS“.

Jeder purpelige Guardia-Civil-Polizist, der im Baskenland Dienst schiebt, hätte bei der Fehlervermeidung als Ratgeber fungieren können. Denn überall im Baskenland gibt es seit Jahrzehnten Graffitis, die das Verschwinden dieser paramilitärischen Polizei- und Foltertruppe fordern. Dort steht „Alde hemendik“ – wörtlich: „Raus von hier“ (hemen = hier, -dik = von) – das Wort „alde“ steht dabei im Mittelpunkt. Das Wahlplakat – ein lächelnder Rajoy mit den Wort „Alde“ vor seiner Nase – hätte perfekt einer Spottinitiative der baskischen Linken entsprungen sein können. Aber bekanntlich übertrifft die Realität häufig jegliche Ironie. Die Botschaft ist somit „Rajoy raus“, fehlt eigentlich nur das Ausrufezeichen. Nicht einmal das Sahnehäubchen fehlt in dieser Geschichte, denn unter dem Alde-Raus steht kleingeschrieben auf Spanisch „AhoraMásQueNunca“ – „HeuteMehrDennJe“.alde03

Die Schadenfreude hätte kaum größer sein können in Anbetracht des oportunistischen Versuchs, die baskische Sprache zu benutzen, die sozialen Netze liefen heiß. Sofort entstanden Collagen mit dem König und anderen Figuren, denen ebenfalls das „alde“ angedichtet wurde. Eine Pseudo-Notiz spielte mit der Tatsache, dass das Anfertigen besagter Graffitis von der Justiz verfolgt würde und meldete, dass die spanische Audiencia Nacional gegen die PP vorgehen werde wegen Beleidigung von Staatsorganen.

Doch vielleicht ist der Begriff Schadenfreude nicht das richtige Wort, denn Schaden hat der Fehlschritt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht angerichtet. Denn die wenigsten potentiellen PP-Wähler/innen verstehen Euskara, und umgekehrt: jene Wählerschichten, die Euskara beherrschen, wählen in ihrer gewaltigen Mehrheit nicht PP. Bleibt lediglich der Spott in der Presse.

Die verfluchten Präpositionen sind es, die den Wahlstrategen das Spiel vermiesen, weil sie an Orten zu finden sind, an denen sie kein Spanier vermutet. In Anlehnung an den bekannten Essay, nachdem „der Dativ dem Akkusativ sein Tod“ sein soll, verwandelt sich die Präposition in die größte Feindin der Euskara-Verächter. (Autor: Uwe Bein)alde04

ABBILDUNGEN:

(1) Spanischer Wahlkampf mit falschem Euskara

(2) Spanischer Wahlkampf mit falschem Euskara

(3) Die baskische PNV schreibt richtiges Euskara (mit wenig Sinn)

(4) Spott-Collage mit König

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