Konsens im Parlament über Neuregelung
Dass das Lernen der baskischen Sprache Euskara umsonst und für alle sein soll, fordert schon lange eine ganze Reihe von Expert*innen, die um die Zukunft der Sprache besorgt sind. Nun könnte es erstmals dazu kommen, dass dieses Recht gesetzlich garantiert wird. Denn die linke Koalition EH Bildu hat eine Initiative gestartet, der sich drei der vier übrigen Parteien angeschlossen haben. Die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes wäre ein Meilenstein in der Geschichte des Euskara und seiner Förderung.
Um Baskisch zu lernen sind drei Voraussetzungen notwendig: Motivation, Zeit und Geld. Weil bei vielen Bask*innen oft nicht alle drei Bedingungen erfüllt sind, stagniert die Verbreitung der Sprache. Wohlwollende Kampagnen helfen da wenig. Politik muss konkrete Maßnahmen beschließen, kostenloser Untericht muss garantiert sein.
Das Baskenland ist zweisprachig, so steht es im Autonomie-Statut, das die baskische und die spanische Regierung 1979 ratifiziert haben. Danach sollten an jedem Ort und zu jeder Zeit alle im Baskenland lebenden Personen das Recht haben, in beiden Sprachen zu kommunizieren. Leider ist dieses Recht bislang Theorie, im täglichen Leben wird es häufig vernachlässigt, wenn nicht sogar mit Füßen getreten. (1)
Festgelegt sind die Sprachrechte sowohl im Autonomie-Statut von Gernika, das für die Autonome Baskische Gemeinschaft CAV gilt und die drei Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa umfasst; sowie in der Verordnung zur Normalisierung des Gebrauchs von Euskara (span: Ley Básica de Normalización del Uso del Euskara). Die Sprachrechte haben verschiedene Aspekte, die beiden wichtigsten sind, erstens: das Recht, Baskisch zu lernen, und zweitens: das Recht Baskisch anzuwenden, also zu sprechen und zu schreiben. Aus diesen beiden Rechten müsste eigentlich direkt eine Pflicht abgeleitet werden. Denn was nützt es mir, Baskisch sprechen zu dürfen, wenn mein Gegenüber in der Apotheke, im Rathaus oder im Gerichtssaal die Sprache nicht versteht. In diesen Fällen wird das Recht auf Baskisch hinfällig, die Interessierten sind zum Rückgriff auf die spanische Sprache gezwungen.
Die genannten Beispiele und ihre Konsequenzen machen erste Grenzen der Sprachrechte deutlich, die perspektivisch korrigiert werden müssen. Sie machen auch deutlich, dass es zwischen den beiden offiziellen Sprachen – Euskara und Castellano oder Spanisch – kein Gleichgewicht gibt, sondern dass eine Hierarchie besteht. Wenn ich zur Verständigung im baskischen Alltag teilweise auf Baskisch verzichten muss und nur mit Spanisch weiterkomme kippt die Waage der gleichberechtigten Kommunikation. Die eine Sprache steht über der anderen, weil sie von mehr Menschen gesprochen wird.
Zahlen machen dies erneut deutlich. Was die drei Provinzen anbelangt, sind in Araba ca. 20%, in Bizkaia ca 35% und in Gipuzkoa ca. 50% der Bevölkerung des Baskischen mächtig. Gleichzeitig besteht eine starke Schieflage zwischen Stadt und Land. In vielen kleineren Orten Bizkaias zum Beispiel – Gernika, Ondarroa, Lekeitio – ist Baskisch die Alltagssprache. 95% der Bewohner*innen sprechen baskisch. Und natürlich Spanisch. Wer hingegen in der Haupteinkaufs-Straße Bilbaos (Gran Vía) nach Euskara fahndet, wird enttäuscht. Nicht überall in Bilbao (baskisch: Bilbo) wiederholt sich diese Enttäuschung, die besagte Schieflage wiederholt sich beim Blick auf die verschiedenen Stadtteile.
Gründe für die Benachteiligung des Euskara
Eine Reihe von Faktoren haben dazu geführt, dass die Kenntnis der baskischen Sprache in der Geschichte starke Rückschritte gemacht hat. Baskisch wird heute in wissenschaftlichen Kreisen ohne Widerspruch als älteste existierende Sprache Europas bezeichnet. Euskara gehört zu keiner Sprachfamilie und wurde einst weit über die heutigen Grenzen des historischen Baskenlandes hinaus gesprochen (2).: Zwischen Bordeaux im Norden, Santander im Westen, Rioja im Süden und Zaragoza im Osten war Baskisch verbreitet. Vielerorts zeugen bis heute baskische Namen und Bezeichnungen von diesem Erbe.
Als bergiges und teilweise schwer zugängliches Gebiet hatte das Baskenland einen gewissen Schutz vor äußeren Einflüssen. Deutlich wird dies bis heute im hügeligen Gipuzkoa, oder im Navarra der Vorpyrenäen, hier wird überwiegend Baskisch gesprochen. In den Industrie-Regionen beider Provinzen wurde die Sprache zurückgedrängt, in den abgelegenen Tälern keineswegs. Ein zweiter Faktor ist somit benannt: die Binnen-Immigration. Als Bilbao und Bizkaia in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und erneut in den 1950er Jahren Industrialisierungsschübe erlebten, kamen Hunderttausende aus anderen Regionen, um hier Arbeit zu finden. Diese Migrant*innen hatten alle Hände voll zu tun, ihr Leben und ihre Arbeit zu meistern und ihr Elend zu bekämpfen, wie sollten sie dabei noch Baskisch lernen. Dass die Zahl der Baskischsprachigen in Donostia (span: San Sebastian) deutlich höher ist als in Bilbao liegt nicht zuletzt daran, dass Donostia nie Industriestadt war und nie eine große Einwanderung erlebte. Nicht einmal das Euskara-Verbot im Franquismus konnte daran etwas ändern.
Industrialisierung und ihre Folgen
Orte wie Santurtzi oder Barakaldo an der Flussmündung vor Bilbao wuchsen in wenigen Jahrzehnten von 500 auf 50.000 Bewohner*innen. Die große Mehrheit der Bevölkerung war in der Folge nicht euskaldun, also nicht baskisch-sprachig (3). Bis heute ist der Baskisch-Anteil in den Städten des linken Nervión-Ufers (Margen Izquierda) niedriger als in Nachbarorten, die gar nicht weit entfernt liegen. Ein Übriges trugen die sozialistischen Organisationen bei, die Elend und Kämpfe der Arbeiterklasse hervorgebracht hatten. Sie betrachteten die Bask*innen, die lieber in der Landwirtschaft als im Bergwerk oder der Fabrik arbeiteten, als rückständig und unkultiviert. Und deren Sprache gleich mit. „Habla cristiano“ – „Sprich christlich“ ist ein Satz aus jener Zeit, den die Franquisten nach dem Krieg von 1936 übernahmen und zum Sprachgebot bzw. Sprachverbot machten: Spanisch war christlich – Baskisch war alles andere. Verbote haben die baskische Sprache und die Institutionen, die sie vertreten, in der Geschichte kontinuierlich begleitet.
In den modernen Zeiten der vergangenen zwanzig Jahre wiederholt sich das Phänomen der Einwanderung, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Heute sind es nicht mehr Leute aus Galicien, Andalusien, Aragon oder Extremadura, die ins Baskenland ziehen. Es sind Menschen aus dem Maghreb oder aus dem Zentrum Afrikas, die in die großen baskischen Städte kommen und gleich mit zwei neuen Sprachen konfrontiert sind. Wer sollte es ihnen verdenken, dass sie sich zuerst für Spanisch entscheiden. Umso mehr, wenn sie nicht wissen, wie lange sie bleiben können und wohin sie noch ziehen müssen. Das Interesse fürs Baskische kommt in der Regel erst auf, wenn die Kinder zur Schule gehen. Etwas anders gelagert ist der Fall der Immigrant*innen aus Lateinamerika. Für sie ist Bilbao Spanien, sie kommen mit dem Vorteil, eine der beiden Offiziell-Sprachen bereits perfekt zu sprechen – und belassen es dabei.
Aus der skizzenhaften Schilderung der Sprachprozesse der vergangenen zwei Jahrhunderte lassen sich unterschiedliche Schlüsse ableiten. 1. Die spanische Sprache braucht keine Förderung und ist nicht in Gefahr, von irgendeiner anderen verdrängt zu werden. 2. Baskisch zu lernen steht mit dem sozialen Status der Personen in der Gesellschaft in direktem Zusammenhang: wer arm ist, wenig Zeit hat, wenig Geld und dazu womöglich noch Migrantin ist – schlechte Aussichten für das Euskara.
An dritter Stelle ließe sich noch ausführen, dass Baskisch nach wie vor als die „Sprache der Nationalisten“ gilt, wenn nicht gleich als „Sprache der ETA-Freunde“. Die Erkenntnis, dass eine Sprache in erster Linie ein Kommunikationsmittel ist und der Ausdruck einer Kultur, hat sich in diesen Kreisen noch nicht durchgesetzt. Und wird es auch nicht, Schutz- und Fördermaßnahmen wie für das Sorbische gibt es im Staate Cervantes' nicht. Dabei ist die Definition, was als Baske oder Baskin zu verstehen ist, so offen wie nirgendwo anders in der Welt. Baskisch ist Euskara, euskaldun sind diejenigen, die Baskisch sprechen, egal ob sie im Kongo, in Lima oder in Flensburg geboren sind. Euskaldun ist nicht nur der Begriff für Baskisch Sprechende, sondern auch für Baskinnen und Basken selbst. Baskin ist wer Baskisch spricht – also von wegen nationalistisch!
Ende der Benachteiligung
„Als ich ins Baskenland kam, um hier zu leben, war ich für ein paar Jahre finanziell abgesichert“, erzählt einer, der sich vor 25 Jahren bewusst für das Baskenland entschied. „Ich war nicht gezwungen, mich sofort auf den Arbeitsmarkt zu stürzen und hatte Zeit für Baskisch-Intensivkurse. Ein Privileg, das viele Migrant*innen nicht haben. Baskisch zu lernen war für mich nicht zuletzt eine Frage des Respekts vor der Kultur, in der ich von nun an leben wollte. In England spreche ich Englisch, das würde niemand in Frage stellen. Im Baskenland Baskisch – warum sollte der Unterschied da so groß sein!“. (4) In der Tat ist der Unterschied beachtlich. Die Zugangschancen zum Baskischen zu nivellieren, die Einstiegs-Hürden zu senken, dazu könnte das neue Euskara-Gesetz nützlich sein. Zeit zum Lernen müssen alle gleichermaßen aufbringen, abert zumindest der Faktor Bezahlung kann relativiert werden.
„Um die 800 Euro umgerechnet habe ich damals bezahlt für einen Intensivkurs über neun Monate, das waren vier Stunden täglich. Das war viel Geld. Dazu kamen Ausgaben für gelegentliche Wochenendkurse“, erzählt der deutsche Euskaldun-Berri – Berri steht für neu, also ein Neu-Baske. „Zehn Jahre lang habe ich auf die eine oder andere Art Baskisch gelernt, Zwei-Stunden-Kurse, Intensiv-Kurse, Internat, Privatunterricht, Abendschule. Dabei bin ich durch alle Höhen und Tiefen gegangen, ich hatte tolle Klassen und wunderbare Lehrer. Gleichzeitig habe ich aber auch das genaue Gegenteil erlebt. Bei den Lehrerinnen und Lehrern gibt es keine Qualitätskontrolle, ein paar Mal habe ich die Gruppe gewechselt wegen unfähigen Lehrpersonals. Das schlimmste, was dir passieren kann, sind Leute in der Klasse, die Baskisch lernen müssen, weil sie sich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst bewerben wollen. Dafür ist ein mittleres Baskisch-Niveau Pflicht, das wird geprüft. Das sind Leute, die sprechen in der Unterrichts-Pause Spanisch, wenn sie die Gelegenheit hätten, das gerade Gelernte auszuprobieren. Null Motivation, Baskisch-Hasser. Ein Alptraum für jene, die motiviert in das Euskaltegi gehen“. (5)
Weil die Gesellschaft offiziell zweisprachig ist, müssen alle Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst ein Baskisch-Niveau nachweisen. Es gibt Unterschiede, je nach Arbeitsfeld. Bei Busfahrer*innen wird weniger erwartet als bei Angestellten in einem Beratungsdienst. Die Ausnahme bildet das Alt-Personal, also Leute, die seit Langem beschäftigt sind und in ihrer Schulzeit keine Gelegenheit hatten, Baskisch zu lernen. Dafür bietet die baskische Regierung Befreiungs-Klauseln: Lehrer*innen öffentlicher Schulen zum Beispiel können sich freistellen lassen zum Baskischlernen – bei vollem Lohnausgleich! Doch letztlich sind das Tropfen auf den heißen Stein. Wichtiger ist, dass der Unterricht in den Schulen gut funktioniert, dass die Baskisch-Kenntnisse allgemein wachsen und dass die Leute animiert werden, das erlernte Baskisch auch zu benutzen. Dabei darf niemand ausgeschlossen werden.
Subvention und technische Fragen
„Zu Beginn meiner Baskenland-Zeit lebte ich in einem kleinen Ort an der Küste. Mit der Bescheinigung der Euskaltegi-Schule in der Hand ging ich nach dem ersten Schuljahr zum Rathaus und stellte einen Subventionsantrag. Die Hälfte der Kosten wurde mir erstattet, ich war glücklich. Als ich dann nach Bilbao zog und den Antrag wiederholen wollte, musste ich feststellen, dass hier nur 5% gezahlt wurden und nur unter Bedingungen, die ich nicht erfüllte. Solche Unterschiede sind unsinnig und zeugen von fehlendem politischen Willen“. Mit einem neuen Gesetz könnten solche Missstände beseitigt werden, wenn allen der Anspruch auf kostenlosen Unterricht garantiert wird. Doch vorher müssen noch technische Fragen gelöst werden.
Zum Beispiel die Frage des Zeitpunktes der Rückzahlung der Kurskosten. Erfahrungsgemäß melden sich zu Semesterbeginn viele Leute an, mit der Zeit gehen Motivation und Disziplin verloren, sodass am Semesterende oft weniger als die Hälfte der Teilnehmer*innen übrig bleibt. Doch macht es wenig Sinn, nicht besuchte Kurse mit Steuergeldern zu bezahlen – hier könnte eine Sperre eingebaut werden. Voraussetzung für die Rückzahlung werden wohl die Anwesenheit im Kurs und das Bestehen der entsprechenden Prüfung sein. Den Absolvent*innen der Pflichtschulzeit (kein Abitur) soll künftig automatisch ein mittleres Euskara-Niveau garantiert werden. Lernschwache oder Quereinsteigende von Außerhalb sollen mit speziellen Programmen gefördert werden. Bei den Erwachsenenschulen – Euskaltegis –soll die Subvention begrenzt werden auf das Erreichen desselben mittleren Niveaus. Das Ziel der Euskara-Lehrbefugnis – EGA genannt – soll mit extra Programmen gefördert und finanziert werden. Wer die Uni auf Euskara abschließt hat den Titel ebenfalls.
Euskara – das Geschäft
Der Kapitalismus ist bekannt dafür, dass zunehmend alle zwischenmenschlichen Beziehungen über Geldverhältnisse geregelt werden, Kinderbetreuung, Altenversorgung, Bildung. Weil das Lernen der baskischen Sprache für Erwachsene bisher kein öffentlicher Service ist – wie zum Beispiel in Katalonien – hat sich um das Euskara ein ganzer Geschäftszweig etabliert, der auf unterschiedlichste Art Unterricht anbietet – gelegentlich auch mit Gewinninteresse und gegen ordentliche Bezahlung. Doch Geschäftsinteresse vergiftet Lern- und Lehr-Motivation. Auch deshalb kann die nunmehr auf dem Weg befindliche Gesetz-Initiative heilende Wirkung haben.
„Meine interessanteste Lernerfahrung war eine Abendschule, organisiert von einem gemeinnützigen Verein. Da ging es nicht nur um Unterricht, sondern auch um soziale Kontakte. Nach der Klasse ging es in die Kneipe, manchmal gab es noch Kulturprogramm. Weil der Verein schlau genug war, daraus ein Bildungsprojekt zu machen, konnten Subventionen erzielt werden und niemand musste für die Teilnahme bezahlen. Ein erfolgreiches Modell! Nie zuvor habe ich in einer Baskisch-Klasse so unterschiedliche aber auch so motivierte Leute angetroffen: da waren Alt-Euskaldune, die nie Baskisch schreiben gelernt hatten, Erasmus-Student*innen, baskische Rentner*innen, neu Zugezogene, Afrikaner und Latinos, Latinas – und Leute wie ich. Einmal pro Monat gab es einen Bergausflug. Das Konzept bedeutete im Grunde eine perfekte sprachliche und kulturelle Integration. Handicap war allein, dass der Unterricht nur zwei Mal die Woche stattfand. Für mich als damals schon Fortgeschrittener war das okay. Für Anfänger*innen war es eher ein Long-Distance-Projekt“.
Parteien-Interesse an Euskara-Förderung
Dass es Leute gibt, die mit den traditionellen Euskaltegi-Schulen für Erwachsene nicht erreicht werden, ist – sogar bei den Behörden – schon länger bekannt. Vor diesem Hintergrund konnten sich Projekte wie die Abendschule etablieren und halten, Minimalangebote in marginalisierten Stadtteilen für Leute mit wenig Einkommen. Der große Wurf ereignete sich dennoch nicht. Ein originäres Interesse am Erhalt, an der Weiterentwicklung und Sicherung der baskischen Sprache hatten sowohl die baskische Linke wie die baskische Rechte. Beide Seiten organisierten ihre Projekte in unterschiedlichen Geschäftsmodellen, kamen aber über die Branchenstruktur nicht hinaus. Sollte das neue Modell im baskischen Parlament beschlossen werden, müssen sich die bestehenden Schulen nicht um ihr Überleben fürchten, nur etwas mehr Bürokratie kommt auf sie zu. Im besten Fall gewinnen sie neue „Kundschaft“ aus sozialen Sektoren, die bisher unerreichbar waren. Das wäre der größte Erfolg der Neuregelung.
Die Initiative der Koalition EH Bildu folgt Forderungen aus dem Bereich der Euskara-Studien, die seit Langem eine Änderung verlangen in Richtung Gratis-Unterricht. Bisher bestand Euskara-Förderung darin, den allgemeinen Schulunterricht für Kinder und Jugendliche zu optimieren. Gleichzeitig wurde eine Kampagne nach der anderen ausgerufen, dass die Leute doch bitte ihre Baskisch-Kenntnisse auch in reale Kommunikation umsetzen sollten. Denn eine Erfahrung ist, dass viele Euskaldune die Sprache nicht benutzen, auch wenn oder obwohl sie mit anderen Euskaldunen zusammen sind. Eine Art Trägheit.
Vier von fünf Parteien im baskischen Parlament unterstützen die Initiative, sicher aus unterschiedlichen Gründen. Für EH Bildu ist es eine Herzenssache, die Koalition der Befürwort*innen des baskischen Selbstbestimmungsrechts setzt auf Euskaldunisierung und die Promotion von baskischer Kultur. Die baskischen Christdemokraten (Mehrheitspartei im Parlament) von der PNV nennen sich zwar Nationalisten, sind aber was mehr Rechte betrifft eher auf Ausgleich bedacht. Sie sind jedoch eng genug mit der Akademie der baskischen Sprache – Euskaltzaindia – vernetzt, um deren Sorgen um die Weiterentwicklung der Sprache genau zu kennen. Für sie ist die Pflege des Euskara wichtig und nur eine Frage der Finanzierung. Weniger klar ist die Motivation beim Koalitionspartner in der Regierung, den Sozialdemokraten, die immer mit einem Auge nach Madrid schielen und mit Selbstbestimmung nichts und mit baskischer Kultur wenig am Hut haben. Für sie ist Euskara eine Frage der Konjunktur, momentan und nach der relativen Konfliktbefriedung im Baskenland gibt es keine Gründe, zu einem solchen Projekt nein zu sagen. Um so weniger für die Protestpartei Podemos, sie hat in der Euskara-Frage keinerlei Profil und so gesehen ebenfalls keinen Grund zur Negation.
Bleibt nur das fünfte Rad am Wagen, die postfranquistische Volkspartei PP. Alles andere als ein klares Nein zur Initiative wäre eine Sensation gewesen. „Der Gesetzesvorschlag ist unnötig, er diskriminiert, zerstört die Wahlfreiheit, er ist erpresserisch und illegal. Mir läuft es kalt den Rücken runter“, so die fachliche Analyse einer PP-Abgeordneten. Die Vertreterin von EH Bildu antwortete darauf, diese Argumente seien „lächerlich und faschistoid“. Sie seien „haltlos“ und folgten nur dem Ziel der Partei, „Grundrechte und Demokratie zu begrenzen“. Tatsächlich hat die Partei, die aus der franquistischen Bewegung hervorging (und dies bis heute täglich unter Beweis stellt), nicht das geringste Interesse an der baskischen Sprache. Dass Euskara anerkanntermassen die älteste überlebende europäische Sprache ist, macht den spanischen Ultranationalisten, die auf ihre Kultur- und Weltsprache so stolz sind, schwer zu schaffen. Die Franquisten machten einfachen Prozess und verboten das Euskara. Das ist heutzutage so direkt nicht mehr möglich. Denn innerhalb der Nationengemeinschaft wird auch über die Respektierung der sogenannten „Minderheiten-Sprachen“ gewacht. Regelmäßig werden die spanische wie die französche Regierung für ihre diskriminierenden Haltungen gegenüber den Minderheiten-Sprachen gerügt – in Frankreich ist Euskara noch nicht einmal offiziell, alle anderen dort existierenden Sprachen ebensowenig. (6)
Die globalisierte Welt mit ihren Dominanzsprachen erstickt die „kleinen Sprachen“ zunehmend. Jedes Jahr gehen weltweit Sprachen verloren, für immer. Printmedien, Fernsehen, Elektronikspiele, Sportevents und Handywahn spielen den Dominanzsprachen zu. Im Baskenland muss sich niemand anstrengen, Spanisch zu lernen, allenfalls die Rechtschreibung. Die Ursprache Baskisch hingegen braucht weiterhin politische Förderung, um ihren vertraglich vorgesehenen und historisch verdienten Platz einzunehmen. Das Kostenproblem für Baskisch-Unterricht zu beseitigen ist ein wichtiger Schritt.
ANMERKUNGEN:
(1) Navarra ist als ehemaliger Staat (880 bis 1512) der Mittelpunkt des historischen Baskenlandes, wurde aber 1982 vom Baskenland als eigene Region Navarra abgetrennt. Hier regierten Jahrzehnte lang anti-baskische Parteien, die Situation des Euskara ist deshalb eine andere, sie beginnt sich mit der neuen Regierung seit 2015 zu bessern.
(2) Euskal Herria – ist ein baskischer Begriff und bedeutet Baskenland. Obwohl Euskal Herria ein historischer Name ist, wird der Begriff fast ausschließlich politisch benutzt. Die baskische Linke bevorzugt den Begriff, weil er das Baskenland als Ganzes umfasst, die baskische Rechte zieht den Begriff Euskadi vor, der die drei Westprovinzen umfasst. Die spanische Rechte vermeidet beide Begriffe und spricht von Vascongadas oder País Vasco.
(3) Euskaldun: euskal bedeutet baskisch, die Endung -un deutet eine Eigenschaft an, in diesem Fall baskisch-sprachig. Obwohl es offiziell keine baskische Nationalität gibt, bedeutet euskaldun auch Baskin, Baske zu sein. Merke: Wer baskisch spricht ist Bask*in.
(4) Bislang unveröffentlichtes Interview mit einem im Baskenland lebenden deutschen Exilanten
(5) Euskaltegi ist der baskische Begriff für die Baskischschulen für Erwachsene, die der baskischen Alphabetisierung dienen sollen. Der Begriff setzt sich zusammen aus Euskal = Baskisch und tegi = Ort. Barnetegi heißen die Baskisch-Internate, in denen Interessierte bis zu einem Jahr Euskara studieren: barne bedeutet innen.
(6) Zitate aus den Artikel „El término fascista también se cuela en el Parlamento Vasco” (Der Begriff faschistisch macht sich auch im baskischen Parlament breit), Tageszeitung Deia 22.11.2018 (Link)
ABBILDUNGEN:
(1) Euskaltzaindia (FAT)
(2) Straßenschild (FAT)
(3) Graffiti Elorrio (FAT)
(4) Korrika-Plakat (FAT)
(5) Politische Forderung (FAT
(6) Museum Bilbao (FAT)