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Erwachsene studieren Euskara

In einhundertunddrei Baskisch-Schulen wollen im kommenden Jahr ungefähr 35.000 Erwachsene die baskische Sprache Euskara lernen. Als Ansporn verteilt die baskische Regierung dafür Subventionen an die Teilnehmer*innen, denn die Kurse sind nicht gerade billig. Dieser Zuschuss wurde für das anstehende Jahr um 44% erhöht und beträgt nunmehr 1,8 Millionen Euro. Die Tendenz bei den Einschreibungen ist der Einstieg in höhere Kursniveaus, weil viele Schüler*innen bereits Euskara-Kenntnisse mitbringen.

Euskaltegis sind Baskisch-Schulen für Erwachsene, in denen die baskische Bevölkerung in der Sprache Euskara alphabetisiert oder wieder euskaldunisiert werden soll. Betrieben werden diese Euskategis von privaten und öffentlichen Trägern.

eus2Der baskische Senator für Kultur und Sprachpolitik, Bingen Zupiria, stellte das Euskara-Programm für das kommende Schuljahr in der städtischen Baskisch-Schule von Barakaldo (Bizkaia) vor. Dabei berichtete er vom Stand der Werbe-Kampagne, die zum Lernen der baskischen Sprache ermutigen soll. Kinder und Jugendliche können heutzutage – selbstverständlich kostenlos – das Euskara in der Schule lernen, wenn ihre Eltern das so wollen und sie zum entsprechenden Schulmodell schicken. Für Erwachsene ist die Sache etwas schwieriger, kostenlose Angebote gibt es kaum. Vielmehr muss für den täglichen Unterricht oder für Kurse in Internaten viel Geld berappt werden. Dafür stehen private und öffentliche Einrichtungen zur Verfügung – der Name Euskaltegi bedeutet übersetzt „Ort des Baskischen“.

Einschreibungen und finanzielle Hilfen

Mit einer gewissen Genugtuung konnte der baskische Kultur-Senator die bisherige Zahl der Einschreibungen in Euskaltegis bekannt geben, sowie die deutliche Erhöhung der Subventionen in diesem Bereich, die ihren historischen Höhepunkt erreicht haben. Vorgestellt wurden die Zahlen in Barakaldo, einer Industriestadt am Nervion-Fluss mit ca. 100.000 Einwohner*innen, gleich neben der Provinzhauptstadt Bilbao. Dort steht die größte Euskaltegi der Autonomen Baskischen Gemeinschaft Baskenland, die aus den Provinzen Araba, Bizkaia und Gipuzkoa besteht.

Neben dem Regierungsvertreter ebenfalls anwesend waren die zuständige Stadträtin für Erziehung, Kultur, Jugend und Euskara von Barakaldo, sowie Vertreter*innen des baskischen Städteverbands EUDEL und von HABE, der Koordinationsstelle für Aphabetisierung und Wieder-Euskaldunisierung von Erwachsenen (spanisch: Coordinadora para la Alfabetización y Reeuskaldunización de Adultos). Gemeinsam animierten die Politiker*innen die Bevölkerung dazu, „die Tür zum Euskara zu öffnen“ und sich „den Tausenden von Personen anzuschließen, die in den vergangenen Jahrzehnten den Schritt gemacht haben, sich das Euskara anzueignen“, sagte Zupiria. (1)

103 Euskaltegi-Sprachschulen für Erwachsene existieren in der autonomen Region Baskenland, verteilt über Städte und Dörfer, bis in die letzten Winkel. Die bisher eingeschriebenen 35.000 Kursteilnehmer*innen sind etwas mehr als im vergangenen Schuljahr, da waren es noch 34.225 gewesen. Ein Erfolg also. Zupiria beschrieb die aktuelle Situation des Euskara, das sich nach seinen Worten „in den vergangenen Jahrzehnten enorm verjüngt und verstärkt hat“, weil viele Familien auf die Erziehung in Euskara setzen und „dank des Einsatzes von Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern, in unseren Euskaltegis Baskisch zu lernen“.

Laut den Zahlen, die der Koordinationsstelle HABE zur Verfügung stehen, waren seit 1986 insgesamt 460.000 Personen in den unterschiedlichen Euskaltegis matrikuliert. „Heute müssen wir diesen Verdienst anerkennen und wollen gleichzeitig jene zum Lernen animieren, die das Euskara noch nicht kennen“, so Zupiria. „Wir sind sicher, dass niemand diesen Schritt bereuen wird, auch wenn es nicht ganz einfach ist. Am Ende steht jedenfalls eine Belohnung für das ganze Leben.“

eus3Der Politiker hob die Stadt Barakaldo als lobenswertes Beispiel für die Euskaldunisierung hervor. Vor 32 Jahren – also 1986 – hätten hier gerade einmal 2,6% der Bevölkerung Baskisch gesprochen, heute seien es 23%. Selbst diese Zahl ist alles andere als hoch in einem Land, das offiziell zwei Sprachen hat, die beide gleichberechtigt in der Öffentlichkeit benutzt werden sollen. Wäre die Situation überall wie in Barakaldo müsste auch heute noch um den Fortbestand der Sprache gebangt werden.

Das Beispiel Barakaldo

In anderen Städten wie Gernika oder Donostia (San Sebastian) sind deutlich mehr Menschen „euskaldun“, also baskisch-sprachig. Insbesondere in den Küstenstädten Ondarroa, Lekeitio, Zarautz, Pasaia, Getaria oder Zumaia, die sich über Bizkaia und Gipuzkoa verteilen. Die missliche Situation des Euskara in Barakaldo erklärt sich aus der Geschichte der Stadt. Vor 160 Jahren war „Baraka“ ein unbedeutendes Bauernnest. Die Industrialisierung mit dem Abbau von Eisenerz zog jedoch Zehntausende Zuwanderer*innen in die Gegend, sodass der Ort von wenigen Hundert auf Hunderttausend anwuchs. Diese Arbeitsmigrant*innen kamen aus anderen spanischen Regionen, in denen es keine Arbeit gab, unter anderem aus Galicien, Andalusien, Extremadura. Das Euskara als Umgangssprache wurde angesichts dieser Inmigration dramatisch zurückgedrängt.

In der durch Arbeitskämpfe entstehenden sozialistischen Bewegung galt die baskische Sprache zudem als „Bauern-Sprache“, als unkultiviert. Damals wurde der Spruch geprägt: „Sprich christlich!“ – gemeint war Spanisch, das mit der vorherrschenden Religion gleichgesetzt wurde. Dazu kam das Euskara-Verbot, das die Franquisten verhängten, nachdem sie den Krieg gewonnen hatten. In den Worten des Historikers Xabier Irujo erlebte das Baskenland einen kulturellen Genozid. Es war bei Strafe verboten, in der Öffentlichkeit Baskisch zu sprechen. Baskische Namen durften nicht in die Familienbücher eingetragen werden, baskische Ortsnamen wurden spanifiziert. So geriet das Euskara in Gefahr, für immer von der Weltkarte der Sprachen zu verschwinden.

Alphabetisierung – Euskaldunisierung

eus4Gestoppt wurde diese Entwicklung erst nach dem formalen Ende der Diktatur nach Francos Tod. Das Verbot wurde aufgehoben, die baskische Regierung ließ das Euskara in den Schulen lehren, sodass heute ca. 35% der Bevölkerung des Baskischen mächtig sind – nach wie vor kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Bereits zu Zeiten des Franquismus hatten einige Sprachexpert*innen damit angefangen, ein allgemeines Baskisch zu entwickeln. Vorher hatte es nur verschiedene regionale Dialekte gegeben (Euskalkis), die jedoch die Herausbildung einer einheitlichen baskischen Literatur verhinderten. In den Schulen und Euskaltegis wird somit heute das „Batua“ vermittelt, das „Vereinheitlichte“. Es handlt sich um eine Euskara-Version, die aus allen Euskalkis etwas übernommen hat, am meisten aus Gipuzkoa, denn dort ist die Hochburg des Baskischen.

„Vor etwas mehr als drei Jahrzehnten waren nur 2.790 Bewohner*innen von Barakaldo in der Lage, sich auf Baskisch auszudrücken. Heute sind es mehr als 22.000, weitere 16.000 Personen verstehen die Sprache – ein spektakulärer Sprung also“, so der Senator. Die Stadrätin sagte: „In den vergangenen Jahren haben wir große Anstrengungen unternommen, das Studium von Euskara mit Arbeit und Familie kompatibel zu machen. Wir haben es geschafft. Von 700 Schüler*innen ist die Zahl gestiegen auf nunmehr 1.250.“

Finanzielle Unterstützung

Hervorgehoben wurde bei der Pressekonferenz, dass es für das Lernen von Euskara „mehr Unterstützung denn je” gäbe von Seiten der Institutionen. Die Hilfen werden den Schüler*innen am Ende des Schuljahres ausgezahlt, wenn sie nachweisen, dass sie regelmäßig anwesend waren und die etwaigen Prüfungen bestanden haben. Ausgezahlt werden diese Zuschüsse von den Gemeinden, in denen die Schüler*innen leben. Auf diesem Weg kann die Kursgebühr zumindest teilweise wieder eingefahren werden. Die baskische Regierung hat den Etat in diesem Bereich um 44% auf 1,8 Millionen Euro erhöht. Im vergangenen Jahr waren es lediglich 1,25 Millionen gewesen.

Ziel der Subventionen sei es mittelfristig, das Baskisch-Studium bis zum zweiten von drei Niveaus kostenfrei zu machen. „Wir hoffen, die Kurse bis B2 so bald wir möglich gratis anzubieten“, erklärte Zupiria, „B2 ist das Niveau, das eine allgemeine Verständigung auf Euskara möglich macht“. Zugleich hätten die Euskaltegis ihre Zeitangebote flexibilisiert, um mehr arbeitstätigen Personen die Teilnahme zu ermöglichen. Überall seinen neue Technologien im Einsatz.

Eine Entwicklung hin zu kostenlosem Euskara-Unterricht wäre als überaus positiv anzusehen. Denn momentan ist das Lernen von Euskara eine Branche, bei der es auch darum geht, Geld zu verdienen und die Qualität mitunter auf der Strecke bleibt. Wünschenswert wäre ein Gratis-Angebot vor allem aus der Sicht von Migrant*innen, die immerhin 10% der baskischen Bevölkerung ausmachen. An ihnen geht die Euskaldunisierung weitestgehend vorbei, weil die große Mehrheit von prekärer Arbeit lebt und nur ein geringes Einkommen zur Verfügung hat. Die Investition für einen Baskisch-Kurs steht somit an letzter Stelle der Prioritäten. Diese Situation ist nur durch spezifische und kostenlose Angebote zu kompensieren, die Euskaldunisierung der Migrant*innen auf dem Wege einer vernünftigen Integration stellt eine absolute Notwendigkeit dar.

Auch die Zuschüsse der Regierung für die Euskaltegis über die Koordinationsstelle für Aphabetisierung und Wieder-Euskaldunisierung von Erwachsenen (HABE), in der alle Schulen Mitglied sind, wurden erhöht. Die privaten Schulen erhalten nun 6% mehr Zuschüsse, die staatlichen 1,5% mehr. In das ganze Netz der Baskisch-Schulen für Erwachsene werden im Schuljahr 2018-2019 insgesamt 32,8 Millionen Euro investiert. Der Anteil zwischen privaten und öffentlichen Euskaltegis liegt bei 20,7 Millionen zu 12,1 Millionen Euro.

Das Profil der Schüler*innen

eus5Im vergangenen Kursjahr 2017-2018 waren insgesamt 34.225 Personen in den 103 vorhandenen Euskaltegis der Region Baskenland eingeschrieben, ähnlich viele wie im Jahr davor. Unterrichtet werden sie von 1.300 Lehrer*innen. Immerhin 80% sind in privaten Euskaltegis matrikuliert. Mehr als die Hälfte der Einschreibungen finden im Sprach-Niveau B2 statt (25,11%) und im oberen Niveau C1 (28%). Es handelt sich also um Quereinsteiger*innen, die bereits ein Euskara-Niveau vorzuweisen haben. Nach den Worten des Senators „sind die Anfängerkurse nicht die am häufigsten nachgefragten, die Tendenz geht eindeutig hin zu den oberen Kursen“. – „Viele Schülerinnen und Schüler versuchen, in den Euskaltegis ihre schon beachtlichen Sprachkenntnisse aufzubessern. Das ist ein sehr positiver Aspekt, der die Verbindung deutlich macht zwischen linguistischer Kompetenz und Benutzung der Sprache.“

Kampagnen

Die Matrikulations-Kampagne für die Euskaltegis steht in diesem Jahr unter dem Motto „alte Sprichworte“ (bask: esaera zaharrak, span: proverbios), die in der baskischen Sprache sehr verbreitet sind. Mit ihnen soll das Lernen noch attraktiver gemacht werden. Bereits im September finden einige Euskara-Kurse statt, die große Mehrheit beginnt jedoch wie jedes Jahr Anfang Oktober. Die erste Studienetappe geht bis Weihnachten, die zweite bis Ostern, die dritte endet Ende Juni.

Normalerweise wird in den Euskaltegis täglich zwei Stunden unterrichtet. Sogenannte „Trinkoa-Kurse“ umfassen vier Stunden und sind Intensivangebote, die sich insbesondere für Anfänger*innen empfehlen. Nach zwei Trimestern kann normalerweise die erste Prüfung abgelegt werden: Sprachniveau 1. Nach einem weiteren Jahr steht das Sprachniveau 2 an. Mit dem Bestehen dieser Prüfung können sich Personen bereits auf Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst bewerben.

Die letzte Prüfung ist das EGA, ihr Bestehen berechtigt zum Baskisch-Unterricht oder zum Studium an der Uni. Neben den Euskaltegis gibt es auch noch die Barnetegis, das sind Internate, in denen die Schüler*innen einen, zwei oder drei Monate leben und studieren, oder auch ein ganzes Jahr. Sie haben den Vorteil, dass die Studierenden ausschließlich Baskisch sprechen, auch nach dem Unterricht, und nicht auf dem Nachhauseweg in eine andere Sprache zurückfallen. Diese Barnetegis (barne = innen) liegen häufig außerhalb von Städten, teilweise recht idyllisch, nur am Wochenende fahren die Teilnehmer*innen nach Hause.

Hindernisse

eus6Die Entscheidung zum Baskisch-Lernen speist sich aus unterschiedlichen Motivationen. Für Migrant*innen ist es ein wesentlicher Schritt auf dem Weg der Integration in die baskische Gesellschaft. Insbesondere in der baskischen Kultur existieren Bereiche, in denen es keine Übersetzung gibt. Für andere ist der Moment des Kinderkriegens Anlass, sich Euskara anzueignen, um mit den Kindern Baskisch sprechen zu können. Wieder andere sprechen zwar Euskara, kennen aber die richtige grammatikalische Anwendung nicht, oder können es nicht schreiben. Manche sehen sich aber auch genötigt zum Baskisch-Studium, weil sie einen Job im öffentlichen Dienst haben wollen. Dieser Personenkreis kommt häufig ausgesprochen lustlos in die Euskara-Klassen und vergiftet mitunter die Atmosphäre, für sie geht es allein um das Bestehen der nächsten Prüfung. Für ältere Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst besteht die Möglichkeit, sich für eine gewisse Zeit bei voller Lohnfortzahlung für den Euskara-Unterricht befreien zu lassen.

Kampagnen zum Lernen von Euskara gibt es seit der Aufhebung des franquistischen Sprechverbotes. Mit der Anwesenheit der Sprache an Schule und Universität stieg der Anteil der Euskaldunen stetig. Von der Gefahr des Aussterbens der Sprache ist keine Rede mehr. Das zuletzt ausgemachte Problem ist nicht, dass Euskara nicht gelernt wird. Problem ist, dass es nicht angewandt wird. Das heißt, viele Personen, die des Baskischen durchaus mächtig sind, sprechen dennoch Spanisch. Hiergegen richten sich neuerdings viele Kampagnen, die bei den Sprecher*innen zu einem geschärften Bewusstsein führen sollen. Dazu passt folgendes Sprichwort: „Eine Sprache stirbt nicht, weil jene, die sie nicht können, sie nicht lernen. Sie stirbt, weil jene, die sie können, sie nicht sprechen“.

(Baskultur.info / 2018-09-15)

 

ANMERKUNGEN:

(1) Alle Zitate aus dem Artikel „Cerca de 35.000 alumnos estudiarán este curso en los 103 euskaltegis vascos” (Circa 35.000 Schüler studieren dieses Schuljahr in den 103 baskischen Euskaltegis) (Link)

ABBILDUNGEN:

(1) AEK-Euskaltegi

(2) Euskara-Symbol (FAT)

(3) Straßenschild (FAT)

(4) Solidaritätslauf (FAT)

(5) 365 Tage Euskara (FAT)

(6) Buchmesse Durango (FAT)

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