k2022aWieder laufen für die Sprache

Im Jahr 2021 – wie alle zwei Jahre – sollte im Baskenland wieder ein KORRIKA-Lauf stattfinden. Die Corona-Pandemie hat dies verhindert. KORRIKA bedeutet “Lauf“ in der baskischen Sprache, dem Euskara. Bei der KORRIKA handelt es sich um eine Initiative, die Lernen und Gebrauch des Euskara fördern soll. Elf Tage und zehn Nächte lang laufen kleine und große Gruppen von Euskara-Unterstützerinnen durch das gesamte historische Baskenland. 2022 ist es nach dem Ausfall des Vorjahres endlich wieder so weit.

Seit 1980 finden KORRIKA-Solidaritätsläufe für die baskische Sprache Euskara statt. Nach der Pandemie-bedingten Absage von 2021 laufen jetzt die Vorbereitungen für die 22. Ausgabe, die vom 31. März bis 10. April stattfinden soll. Unter dem Motto HITZEKIN (mit Worten), auf 2.180 Kilometern, durch alle Provinzen des historischen Baskenlandes, südlich und nördlich der Staatsgrenzen, von Amurrio in Araba bis Donostia in Gipuzkoa.

Organisiert wird der KORRIKA-Lauf von AEK, dem ältesten Verband von Baskisch-Schulen (Alfabetatze Euskalduntze Koordinakundea – Koordination zur Alphabetisierung des Euskara) (1). Ziel des Laufs ist, zum Lernen und zum Gebrauch der Sprache zu animieren und Geld für ihre Weiterentwicklung zu sammeln. Seit der ersten KORRIKA (2) (3) im Jahr 1980 hat sich der Lauf zum wichtigsten medialen Ereignis für das Euskara entwickelt. In 42 Jahren wurden 21 Läufe durchgeführt. Gelaufen wird Tag und Nacht, ohne Pause. Menschen jeden Alters laufen in ihrer Nachbarschaft mit, angeführt von einer ausgewählten Person, die den KORRIKA-Staffelstab trägt. Im Inneren dieses Staffelholzes ist eine Botschaft versteckt, die am KORRIKA-Ziel veröffentlicht wird. Einzelne Lauf-Kilometer werden gekauft von Organisationen, Gruppen, Unternehmen und Institutionen, die sich dem Euskara verpflichtet fühlen und an seinem täglichen Gebrauch und seiner Verbreitung interessiert sind.

Alfabetatze Euskalduntze Koordinakundea – AEK

Neben dem regelmäßigen Baskisch-Unterricht hat AEK (neben einer Reihe weiterer Euskaltegis, Baskisch-Schulen) das Ziel, die Gesellschaft in Euskara zu alphabetisieren. Das heißt, den Kenntnisverlust auszugleichen, den das Euskara im Lauf seiner Geschichte durch Verbote, Verdrängung und Migration erlitten hat. Zuletzt in den 40 Jahren der franquistischen Diktatur. Die Bevölkerung soll animiert werden, im täglichen Leben, bei Arbeit und in der Freizeit die Sprache häufiger zu benutzen. Denn vielfach ist nicht die Unkenntnis der Sprache das Problem, sondern die Tatsache, dass Euskaldune (Baskisch-Sprachige) zur Kommunikation auf Spanisch zurückgreifen.

AEK arbeitet zusammen mit der Akademie der Baskischen Sprache (Euskaltzaindia) auch an wissenschaftlicher Forschung, Erarbeitung von Lehrmaterial für Euskara, der Ausbildung von Lehrpersonal und organisiert Kulturprogramme für die genannten Ziele. Die ersten Alphabetisierungs-Gruppen gab es bereits 1965, als die Sprache – in Zeiten der Franco-Diktatur – noch verboten und ihre Benutzung unter Strafe gestellt war. In heimlichen Lerngruppen unterrichteten damals insbesondere Frauen, zu Hause und nachts. Mittlerweile veröffentlicht AEK regelmäßig eine Zeitung und unterhält mehr als 100 Schulen, darunter Barnetegi-Internate, in denen Erwachsene aller Altersgruppen Intensivkurse machen können, von einer Woche bis zu einem Jahr.

k2022bWiderstände

Etwa 35% der baskischen Bevölkerung ist euskaldun, versteht Baskisch und kann zumindest alltägliche Unterhaltungen in der ältesten existierenden Sprache Europas führen. Doch liegt die Unterstützung und Popularität des KORRIKA-Laufs deutlich höher, unterstützt wird er von Parteien, Gewerkschaften und einer Vielzahl von Gruppen der Zivilgesellschaft. Zu den Gegnern des Euskara gehören spanische Ultra-Nationalisten und Faschisten, die allein durch die Existenz anderer Sprachen – Galicisch, Katalanisch, Baskisch – die Einheit der gefeierten hispanischen Nation in Frage gestellt sehen. Deren Vorgänger haben in der Geschichte keine Gelegenheit ausgelassen, das Euskara zu diskriminieren, zu marginalisieren und illegalisieren. Aus diesem Sektor wird unermüdlich wiederholt, die Euskaldunisierung sei nichts als Gehirnwäsche und Indoktrinierung.

Volksfest-Charakter

Es gehört zur baskischen Tradition, dass auch seriöse Angelegenheiten – wie ein Engagement für das Euskara – immer einen Fest-Charakter haben. Die KORRIKA macht hierbei keine Ausnahme. Dem Lauf voraus fährt ein Bus mit animierender Musik, dahinter die Kilometer-Protagonistinnen mit dem Staffelstab, gefolgt von der großen Masse von Euskara-Freundinnen. Manche laufen einen Kilometer, andere gleich zwanzig. Für die Kleinen gibt es in den größeren Orten zwei Tage vor dem Vorbeikommen eine KORRIKA-Txiki (txiki = klein), um den Kindern so früh wie möglich einen positiven und selbstverständlichen Eindruck von der Sprache zu vermitteln. Es versteht sich von selbst, dass die Laufbeteiligung in Städten und tagsüber deutlich größer ist als in Dörfern und bei Nacht. Dennoch ist sichergestellt, dass alle Tage 24 Stunden lang gelaufen wird, bei Regen und Sonne, und wenn nur zwanzig beteiligt sind.

k2022cHerausforderungen

Im Großteil der Schulen wird heutzutage Baskisch unterrichtet, in den öffentlichen Schulen durchweg, in den privaten nur zum Teil. Daraus folgt die erste Herausforderung, den Anteil der Baskisch unterrichtenden Schulen zu erhöhen, öffentliche Schulen sind die Lösung. Zweite Herausforderung ist die Alphabetisierung derer, die im Franquismus nicht die Möglichkeit hatten, mit Euskara in Kontakt zu kommen, oder Zuwanderer*innen aus anderen Regionen des spanischen Staates. Daneben existiert das Phänomen des “funktionalen Analphabetismus“. Dabei handelt es sich um Personen, die sehr wohl Baskisch sprechen, meist einen bestimmten lokalen oder regionalen Dialekt, die aber Probleme haben mit dem vor 50 Jahren eingeführten “Hoch-Baskisch Batua“, und die nie in baskischer Sprache schreiben gelernt haben.

Die dritte große Herausforderung in der Welt des Euskara sind Migrantinnen und Migranten, die in den vergangenen 20 Jahren in immer größerer Zahl ins Baskenland gekommen sind. Zugewanderte aus Lateinamerika verorten sich häufig in “Spanien“ und ignorieren das Baskische. Andere Migrant*innen, insbesondere aus Afrika, kommen unter extrem prekären Bedingungen ins Baskenland und sind rund um die Uhr damit beschäftigt, eine Arbeit, ein Auskommen oder die Legalisierung ihrer Situation zu erreichen. Zeit- und Geld-Aufwand für den Baskisch-Unterricht rückt damit in fast unerreichbare Ferne.

Damit wäre eine vierte Herausforderung beim Namen genannt: Die Euskaldunisierung von Erwachsenen stellt einen Geschäftszweig dar, für den Unterricht muss kräftig bezahlt werden. Baskisch bzw. sein Erlernen wird somit zu einer ökonomischen Angelegenheit. Einerseits werden öffentlich Bedienstete auf bezahlter Basis bis zu drei Jahre komplett von der Arbeit befreit, um Baskisch zulernen. Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Migrant*innen von diesem Lernprozess ausgeschlossen. Freiwillige Zuschüsse von Gemeinden bei Vorlage bestanderer Prüfungen sind hierbei nur der Tropfen auf den heißen Stein. Die Euskaldunisierung der Migrant*innen und ein kostenloser Unterricht für alle (wie in Katalonien) sind somit die großen Anforderungen der Euskaldunisierung für die nächsten Jahre.

KORRIKA im Ausland

Selbst außerhalb des Baskenlandes gibt es seit langer Zeit kleinere KORRIKA-Läufe, in Buenos Aires zum Beispiel organisiert vom baskischen Kulturzentrum, ähnlich wie in Idaho/USA. Zuletzt auch in Berlin. Dabei stützt sich die KORRIKA vor allem auf die Euskal Etxeak (wörtlich: Baskische Häuser), die baskischen Kulturzentren, die in vielen Teilen der Welt von baskischen Auswanderer*innen gegründet wurden, um die Verbindung mit dem Ursprungsland zu erhalten. Sydney, Brüssel, New York, Santiago de Chile, Leipzig, Madrid, Barcelona, Quebec, Mexiko-City, Valencia, San Francisco, Paris – alles Orte, in denen baskische Migrant*innen leben und Freund*innen des Euskara.

Mit zur Verbreitung der KORRIKA-Idee beigetragen haben Internet und soziale Netze. Die Laufmotivation wird gesteigert durch die Aussicht, nahezu zeitgleich am anderen Ende der Welt gesehen zu werden, sowie durch den Reiz, an unterschiedlichsten Punkten der Welt im selben Moment dasselbe Anliegen auf die Straße zu bringen. Die älteste Sprache Europas hat längst den globalen Sprung geschafft, nur die Situation zu Hause macht noch Sorgen.

k2022dEuskara in den Provinzen

Die Situation des Euskara in Iparralde (dem französischen Baskenland) und in der Autonomen Region Navarra (beide zum historischen Baskenland gehörend) ist prekär. In Iparralde ist das Euskara keine offizielle Sprache, der französische Staat erkennt keine der im Land existierenden Sprachen an, nicht Korsisch, nicht Bretonisch, nicht Okzitanisch. Unterrichtet wird Baskisch nur in privaten Ikastolas (Baskisch-Schulen), die von Eltern oder über Mobilisierungen wie der KORRIKA finanziert werden. Trotz dieser Blockade erfreut sich das Euskara immer größeren Zuspruchs zwischen Bayonne, Biarritz und den Pyrenäen.

Die Sprach-Politik in Navarra ist nicht viel besser. Obwohl teilweise ko-offizielle Sprache wird dem Euskara von unwilligen Regierungen nahezu jede Unterstützung verweigert. Die Region ist aufgeteilt in drei Zonen: im “vasco-phonen“ Norden ist Euskara offiziell, im Zentrum hängt die Förderung von der Willigkeit der Behörden ab, im Süden herrscht Ausgrenzung. Wie in Iparralde unterrichten nur private Ikastolas in baskischer Sprache, ohne öffentliche Förderung. In der Provinz Araba sind es nur ca. 12% der Bevölkerung, die Euskara sprechen. Ihre Hochburg hat die Sprache in Gipuzkoa, wo der Anteil auf mehr als 40% steigt, in ländlichen Gebieten und an der Küste sind es fast 100%. Gemeinsam ist allen baskischen Gebieten und Provinzen die Tatsache, dass sich das Panorama des Euskara deutlich zum Positiven verändert hat, weil in den Schulen Baskisch unterrichtet wird und die neuen Generationen somit weit mehr Baskisch-Kenntnisse aufweisen. Das Ergebnis von Anstrengungen von Tausenden Personen, Euskaldunen und Nicht-Euskaldunen. Jede in einem Euskaltegi verbrachte Unterrichtsstunde ist ein Beitrag zur Förderung der Sprache.

Finanziert wird die KORRIKA neben Zuschüssen der baskischen Regierung in Vitoria/Gasteiz überwiegend privat. Engagierte Leute erwerben für 12 Euro eine Anstecknadel, allerlei Merchandising-Produkte gehen unter die Leute, Klamotten, Mützen, Hosen. Wohlwollende Geschäfte und Firmen werben mit ihren Logos. Die mehr als 2.000 Kilometer werden verkauft, kleine Gruppen zahlen einen geringen Preis, Unternehmen und Institutionen deutlich mehr.

ANMERKUNGEN:

(1) AEK. Bask: Alfabetatze Euskalduntze Koordinakundea, Span: Coordinadora de Euskaldunización y Alfabetización, Dt: Koordination zur Euskaldunisierung und Alphabetisierung (LINK)

(2) Korrika, Wikipedia (LINK)

(3) Korrika, aktuelle Webseite (LINK)

(4) Batua: das “vereinigte Baskisch“ ist eine Art von Hoch-Baskisch, das aus einer Zusammensetzung von Elementen aus den baskischen Dialekten entwickelt wurde und sich sehr stark auf den Dialekt aus Gipuzkoa stützt, wo die meisten Euskaldunen zu finden sind. Die Entwicklung einer solchen einheitlichen Sprachversion war notwendig, um den Unterricht zu koordinieren und eine gemeinsam verständliche Literatur hervorzubringen. Nebenfolgen: Viele Alt-Euskaldunen (Euskaldunzaharrak) verstehen die in Batua gesprochenen TV-Nachrichten nicht; umgekehrt sind Neu-Euskaldune (Euskaldunberriak) nicht in der Lage, die lokalen Dialekte der Küste zu verstehen. Zuletzt erleben die Dialekte im Alltag ein Comeback, in den Medien dominiert das Batua.

ABBILDUNGEN:

(1) korrika.eus

(2) korrika.eus

(3) korrika.eus

(4) korrika.eus

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-02-07)

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