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Das Beispiel Unai Romano

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat den spanischen Staat mehrfach wegen unterlassener Ermittlungen nach Folter-Anzeigen verurteilt. In sieben Fällen war Grande-Marlaska der zuständige Untersuchungsrichter des Sondergerichts Audiencia Nacional. Heute ist er Innenminister der sozialliberalen Sanchez-Regierung. Folter wurde seit dem Franquismus systematisch praktiziert, von allen Polizeieinheiten. Vor allem gegen die baskische Opposition. Unai Romano ist ein brutales Beispiel.

Historikerinnen schätzen, dass seit den 1960er Jahren insgesamt 10.000 Baskinnen und Basken gefoltert wurden, erst von der franquistischen, dann von der “demokratischen“ Polizei. Dabei ging es bei Weitem nicht nur um Aktivist*innen von ETA. Denn gefoltert wurde nicht nur aus polizeilichem Erkenntnis-Interesse, sondern zur Abschreckung. Nur ein Bruchteil der Gefolterten wurden anschließend vor Gericht gestellt, noch weniger wurden verurteilt.

Der Fall des jungen Unai Romano aus Vitoria-Gasteiz im Jahr 2001 wurde in der Geschichte der systematischen Folter im spanischen Staat zum Fanal. Weil er einer der wenigen Fälle war, in der Folter eindeutig nachgewiesen wurde. Zu einer Verurteilung kam es dennoch nicht. Wie in den meisten Fällen, die angezeigt wurden: “Verfahren eingestellt wegen Mangel an Beweisen“, so die übliche Begründung, dem Vorwurf der schweren körperlichen und psychischen Misshandlung nicht nachzugehen. Ein Rückblick zwanzig Jahre nach dem Folterfall Romano.

Rückblick

"Am 6. September 2001 um 4.00 Uhr früh wurde ich durch Geräusche geweckt. Ich ging auf den Korridor und sah, wie sich Zivilgardisten mit meinen Eltern stritten. Ich sprach sie an, sie fragten mich, ob ich Unai Romano sei, was ich mit Ja beantwortete. Sie sagten mir, dass ich der ‘Unterstützung einer bewaffneten Organisation‘ beschuldigt sei. In diesem Moment kamen Guardia Civiles in Zivil mit dem Gerichtssekretär die Treppe herauf. Sie legten mir Handschellen an und sagten mir, dass sie die Wohnung durchsuchen". So beginnt Unai Romano seine Schilderung der damaligen Vorgänge, Jahre nachdem das Bild von seinem durch Misshandlungen zur Unkenntlichkeit entstellten Gesicht an die Öffentlichkeit kam, und die Praxis von Justiz und Polizei gründlich in Frage stellte. (1)

Unai Romano stammt aus Vitoria-Gasteiz und wurde im Jahr 2001 von der Guardia Civil gefoltert. Das Bild seines zerschmetterten Gesichts ließ diejenigen erschauern, die zuvor nicht geglaubt hatten, was Folter bedeutet. Er wurde der angeblichen Zusammenarbeit mit ETA beschuldigt und kündigte 2006 an, dass er gegen die Abweisung seiner Klage vor dem Verfassungsgericht klagen werde. Romano versicherte damals, dass er "wenn nötig" bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gehen werde. Zwanzig Jahre später ist dieses Verfahren immer noch nicht beendet: Straßburg untersucht den Fall.

ur02Mehrfache Rügen aus Straßburg

Es sei daran erinnert, dass der spanische Staat bereits mehrfach von diesem europäischen Gericht verurteilt wurde. Am 9. März verurteilte der EGMR die spanische Justiz, weil sie keine "gründliche und wirksame Untersuchung" der Polizeigewalt durchgeführt hat, der eine Demonstrantin im Jahr 2012 ausgesetzt war, während einer der sogenannten Kongress-Umzingelungen der damaligen M15-Protest-Bewegung. Zuletzt verurteilte Straßburg die spanische Justiz wegen der Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung des abertzalen Politikers Tasio Erkizia.

Nach dem Eintreffen der Polizei im Haus von Unai Romano ging alles ganz schnell. "Sie haben in meinem Zimmer angefangen, sahen sich Papier für Papier, Buch für Buch an, die Suche dauerte. Was sie interessierte, legten sie auf den Tisch. Dann wurde alles notiert, was aus meinem Zimmer mitgenommen werden sollte. Es ging zum nächsten Zimmer. Als wir reingingen, hatten sie die Hand an der Pistole. Bevor wir das Haus verließen, erlaubten sie mir zu duschen, mich anzuziehen und mich von meinen Verwandten zu verabschieden. Unter der Bedingung, dass ich den Mund halte, wie während der ganzen Razzia. Sie stülpten mir eine Haube über den Kopf, zwei von ihnen nahmen mich mit. Mit dem Auto wurde ich an einen unbekannten Ort gebracht. Die ganze Fahrt über schwieg ich. Als ich ausstieg war da eine Treppe, sie warnten mich nicht, ich fiel auf die Knie. Sie steckten mich mit einer Sturmhaube auf dem Kopf in einen Kerker und stellten mich an die Wand", so Romano weiter. "Ich hatte Atemprobleme, und der Zivilgardist neben mir sagte, ich hätte kein Recht zu atmen. Nach einer Weile setzten sie mich in einen Lieferwagen und brachten mich ohne Handschellen nach Madrid". (1)

Romanos Folterbericht

"Sie brachten mich zu einer Polizeiwache, durchsuchten mich und gaben mir vier wichtige Ratschläge: Gehorchen, Augen geschlossen halten, nicht in ihre Gesichter schauen, andere Häftlinge nicht anschauen. Sie steckten mich in eine Zelle und zwangen mich zu stehen", erzählt Romano. “Die Verhöre begannen. Sie fordern mich wiederholt zur Mitarbeit auf, während sie mir mit Schaumstoff oder Isolierband umwickelte Stöcke auf den Kopf schlugen. Sie fragten mich, ob ich bestimmte Leute kenne, ob ich eine Autobombe gelegt hätte, ob ich auf jemanden geschossen hätte.“

Marlaska, jetzt Minister

Straßburg hat den spanischen Staat mehrfach wegen unterlassener Ermittlungen in Sachen Folter verurteilt, sieben Mal war der derzeitige Innenminister Grande-Marlaska Untersuchungsrichter. Straßburg stellte einstimmig eine Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechts-Konvention fest, der Folter verbietet. Nach dem Bericht "Folter im Baskenland" der “Untersuchungsgruppe gegen Folter“ (bask: Torturaren Aurkako Taldea) waren Angehörige der Guardia Civil, der Nationalpolizei, Gerichtsmediziner, Strafvollzugsbeamte und Richter direkt oder durch Verschleierung an den Folterfällen beteiligt.

"Sobald ich die Vorwürfe leugnete, schlugen sie mich drei- oder viermal mit den Stöcken. Dann befragten sie mich erneut. Wenn ich groggy war, hörten sie einen Moment lang auf und fragten mich nach meinen Freunden und nach meinen Verwandten", so die Aussage von Romano. "Die Verhöre wurden immer härter, sie setzten mir bis zu drei Sturmhauben auf. Ich denke, das sollte die Schläge abfedern. Aber das Gefühl der Erstickung war schrecklich, ich schwitzte unaufhörlich. Außerdem praktizierten sie die Tüte", fügt der Gefolterte hinzu, nachdem er erwähnt, dass sie ihm möglicherweise mit Drogen versetztes Wasser gegeben haben könnten. (1)

"Sie stülpten mir eine Tüte über den Kopf und hielten sie zu, bis ich ohnmächtig wurde. Bis zu acht Mal machten sie das. Dann wieder das Gleiche: wenn ich orientierungslos war, Fragen zu meiner Lebensweise, wo ich mich herumtreibe und mit wem. Ein wenig Wasser und es ging von vorne los. Sie ließen mich Liegestütze machen. Ich stand, sie ließen mich in die Hocke gehen und nannten das ‘den Aufzug‘. Das musste ich so lange machen, bis bin ich völlig durchgeschwitzt war. Während der Verhöre hörte ich andere Personen vor Schmerzen schreien".

"Einmal holten sie mich aus einem Verhör heraus, setzten mir die Maske auf und brachten mich in einen Raum, in dem eine Frau saß. Sie gab sich als Gerichtsmedizinerin zu erkennen und zeigte mir ihren Ausweis. Sie fragte mich nach meinem allgemeinen Gesundheitszustand, ich erzählte ihr, dass ich körperlich erschöpft war und von den Schlägen auf meinen Kopf. Sie fragte mich nach Operationen, die ich hinter mir hatte, ich erzählte ihr von meinen asymptomatischen Herzrhythmus-Störungen. Zurück im Folterkeller fragen die Zivilgardisten, was ich erzählt hätte, einer schrie mich an wie ein Verrückter. Sofort schlug er mich etwa zwanzig Mal hintereinander mit diesen Stöcken. Die Verhöre begannen wieder. Die folgenden Misshandlungen waren brutaler als die vorherigen". (1)

ur03"Dieser Lasa-Typ"

"Sie ließen mich ausruhen und sagten mir, dass ich der einzige ‘Hurensohn‘ sei, der nichts gesagt habe. Wenn ich ihnen nichts sage, würde ich ‘wie dieser Lasa‘ enden“. Lasa und Zabala (2) waren zwei junge Männer, die von der GAL in Iparralde entführt, gefoltert und im Süden Spaniens ermordet und verscharrt wurden. "Mit einem elektrischen Schlagstock setzten sie mir Elektroden auf die Genitalien, auf meinen Penis, auf die Spitze meines Ohres und hinter meine Ohren", so Romano weiter. Sie drohten, seine Mutter zu töten, zogen ihm wieder die Tüte über. (1)

“Wenn ich mit Nein antwortete, schlugen immer härter zu. Dann drehten sie mich, eine Drehung in diese Richtung, eine halbe Drehung in die andere, wieder in die Gegenrichtung, all das zwischen Schlägen und Fragen. Zwei Guardias setzten mich auf einen Stuhl und begannen, von oben auf mich einzuschlagen, immer aggressiver. Die Schläge gingen gegen den Kopf und die Stirn. Ich verlor die Orientierung, wie lange ich schon dort war oder wie spät es war.“ - “Ich war gebrochen, sie drohten mir. Meine Freundin und mein Bruder seien auf dem Weg, sie müssten das Doppelte aushalten. Sie erzählten, dass meine Mutter verhaftet sei und auf dem Weg zum Stausee bei Vitoria. Die Schläge gingen weiter. Ich bat, meine Mutter in Ruhe zu lassen. Sie erzählten mir, sie sei auf dem Staudamm an den Füßen gefesselt. Einer von ihnen sagte, meine Mutter sei tot.“ (3)

“Sie brachten mich in den Kerker und ließen mich etwa eine Stunde liegen. Meine Situation war unerträglich. Mein Kopf schwoll an, ich konnte nichts mehr sehen. Meine Gedanken spielten mir Streiche, ich glaubte die Geschichte von meiner Mutter. Mein Kopf brannte, ich hatte das Gefühl, er würde explodieren. Die Sache mit meiner Mutter machte mich verrückt, ich beschloss, mich selbst zu verletzen, indem ich mir in die Pulsadern beiße. Ich schaffe es, mich erst mit den Fingern und dann mit dem Mund zu verletzen. Ein Guardia merkte das und führte mich zur Gerichtsmedizinerin. Die war erschrocken, sie fragte, was mir passiert sei. Der Zivilgardist erzählte ihr irgendeine Geschichte und ging. Sie ließen mich mit ihr allein, ich erkannte die Stimme der Frau nicht wieder.“

Zweiter Tag

7. September, 10:00 Uhr. Die Gerichtsmedizinerin rief einen Rettungswagen, wir fuhren ins Krankenhaus. Die Polizei wollte mich in ein Militärkrankenhaus bringen, aber die Medizinerin sagte nein, in irgendein Universitäts-Krankenhaus. Unterwegs sagte ich ihr, sie hätten meine Mutter umgebracht, sie solle bei mir zu Hause anrufen. Ich dachte, wir kamen in die Notaufnahme. Sie setzten mich in einen Rollstuhl und behandelten meine Handgelenke. Die Gerichtsmedizinerin kam und sagte, sie habe den Richter angerufen, meiner Mutter sei nichts passiert.

Sie machten Tests. Ihre größte Sorge war, dass ich eine Schädelfraktur hätte. Nach Stunden sagte die Gerichtsmedizinerin, dass ich in diesem Krankenhaus bleiben würde. Sie sei in Kontakt mit dem Richter und wisse, was passiert ist. Sie sagten, ich hätte keine Schädelfraktur. Doch die Schmerzen machten mich wahnsinnig. Sie wollen mir kein Schmerzmittel geben, bis die Ergebnisse aller Tests vorliegen. Sie schüttelte mir immer wieder die Hand. Ich erfuhr, dass ich keine Schädelfraktur hatte, sondern einen Bluterguss und eine Muskelkontraktur im Nacken. Mein Kopf und Hals waren geschwollen. Sie sagte mir, mein Kopf sei lila und meine Augen schwarz, das sei bei einem Bluterguss normal. Weil mein Hals so geschwollen war, konnten sie mir keine Halskrause anlegen, alle waren zu klein, es dauerte eine Stunde, bis sie eine geeignete fanden. Irgendwann erzählte ich, was sie mir angetan hatten. Als ich ihr von den Elektroden erzählte, schaute sie sich mein Ohr an und sagte mir, dass es am oberen Teil verbrannt sei.

ur04Die Gerichtsmedizinerin

"Die Gerichtsmedizinerin sagte, dass wir wieder zur Polizeiwache müssten, ich hatte Todesangst, sie beruhigte mich, der Richter wisse Bescheid". Sie untersuchten mich umfassend. In der Polizeiwache brachten sie mir Eis, ich legte es auf die schmerzenden Stellen. Sie brachten Essen, obwohl es schon etwa 18 Uhr war. Das Essen bestand aus zwei Joghurts und einem Sandwich. Die Gerichtsmedizinerin fütterte mich mit dem Joghurt, das Sandwich konnte ich nicht kauen. Als sie ging, machten sich zwei Wachleute über meinen Gesichtsausdruck lustig: ich sei ein Schwein, ein Monster. Als die Schmerzen wieder zunahmen, erhielt ich ein starkes Medikament, dass ich mich anstrengen musste, nicht einzuschlafen.

Nach etwa einer Stunde setzten sie mich in ein Auto, beschleunigten und bremsten scharf ab, schalteten die Sirenen ein und fuhren Zickzack mit lauter Musik. Ich musste aufpassen, mich nicht zu stoßen. Wir hielten an, der Zivilgardist neben mir fragte mich, ob ich mit der Guardia Civil sprechen wolle. Ich sage nein und sie nahmen mich aus dem Auto. Ich hörte Geräusche und Türen, und ging davon aus, im Gefängnis angekommen zu sein. Sie machten Fotos und nahmen Fingerabdrücke von mir.

Blind

Ich war blind und benommen, sie brachten mich zum Arzt. Für die Nacht sollte ich einen Unterstützer erhalten, weil ich nicht selbständig war, es war ein Kolumbianer, der mir half, mich hinzulegen, zu urinieren und aus dem Bett zu steigen. Mit Tabletten schlief ich ein paar Stunden, sagte er mir später. Ich erfuhr, dass ich am 8. September gegen ein Uhr nachts im Gefängnis angekommen war. Ich befand mich in Soto del Real (in der Region Madrid), im Modul der Krankenstation, im Isolationsbereich. Zwei Stunden später teilte man mir mit, ich sei in Isolationshaft und könne deshalb keinen Unterstützer haben. Von da an musste ich alles ertasten, um auf die Toilette zu gehen, ins Bett, zum Essen.

Samstag, 8. und Sonntag, 9. September vergingen. Ich duschte und begann etwas zu sehen. Erst verschwommen, dann immer besser. Die Umgebung meiner Augen war schwarz, das Weiße war blutunterlaufen, mein Gesicht geschwollen und dunkel, Nacken und Schultern, bis hinauf zur Brust, ebenfalls dunkel. Vor Schmerzen konnte ich nicht schlafen, ich erhielt ein Medikament, das sich als zu stark herausstellte. Zweimal war ich kurz davor, vor Schwindel umzukippen. 24 Stunden lang war ich in der Krankenstation eingesperrt, sie wollten nicht, dass mich jemand sieht, denn mein Gesicht war ziemlich spektakulär, wie mir die Helfer sagten, die mich beim Füttern sahen.

Vor dem Untersuchungs-Richter

Am 10. September kam ein weiterer Gerichtsmediziner und nahm meinen Zustand zur Kenntnis, insbesondere mein Gesicht und meinen Hals. Am nächsten Tag, dem 11. September, sollte ich um 7 Uhr geweckt werden. Trotz Verletzungen an den Handgelenken wurde ich am Rücken mit Handschellen gefesselt, zur Audiencia Nacional gebracht und der Nationalpolizei übergeben. Dort las mir die Sekretärin des Richters meine Rechte vor, ich bestimme Iker Urbina zu meinem Anwalt und sagte, dass ich den Gerichtsmediziner sehen wollte. Zurück in der Zelle erzählte ich dem Mediziner von den Folter-Methoden, er machte sich Notizen, sagte aber, dass ich das dem Richter erzählen solle.

ur05Mit Kapuze über dem Kopf wurde ich zum Verhör gebracht. Die Aufnahme meiner Aussage begann, ich beantwortete die Fragen des Richters und wies die Anschuldigungen zurück. Ich erzählte ihm von den Misshandlungen. Nach einer halben Minute unterbrach er mich und sagte mir, dass er seit vielen Jahren mit der Guardia Civil zusammenarbeite und dass viele Leute sagten, sie seien gefoltert worden, dass er mir aber nicht glaubte. Dies sei nicht der richtige Ort, einen Vorfall zu melden, weil keine Polizei anwesend sei, ich solle mich an das Gericht wenden, um eine Beschwerde einzureichen. Ich war perplex, schaute die Sekretärin an, sie nickt zustimmend. Meine Pflichtverteidigerin wandte ihren Blick nicht von meinem Gesicht ab und sagte nichts.“

„In einem Fahrzeug der Guardia Civil wurde ich ins Gefängnis zurückgebracht. Ich hatte gehofft, meinen Anwalt zu sehen, aber offenbar wollen sie nicht, dass jemand mein Gesicht sah. Ein Anruf wurde mir verweigert, weil der offizielle Beschied nicht vorlag, dass die Kontaktsperre zu Ende war. Sie holten mich aus der Einzelhaft und brachten mich in einen Männerbereich. Am nächsten Morgen kam ein Arzt und sagte, dass ich so lange auf der Krankenstation bleiben würde, bis die Flecken in meinem Gesicht verschwunden seien. Am 14. war ich in einem verhältnismäßig besseren Zustand, um ins Modul verlegt zu werden, aber ich musste bis zum 18. warten“.

“Ich habe lange gebraucht, um all das aufzuschreiben, weil ich jedes Mal, wenn ich mit der Beschreibung anfing, nervös wurde, ich musste es schrittweise machen. Ich vergaß zu erwähnen, dass ich während der Verhöre lange Zeit nackt war“. Die detaillierten Beschreibungen sind erschreckend. "Der derzeitige Innenminister und ehemalige Richter der Audiencia Nacional, Fernando Grande-Marlaska, hat weder diesem Bericht noch den Fotos, die die brutale Folter des Basken zeigen, irgendwelche Glaubwürdigkeit beigemessen. Mehr noch, er hat sie ignoriert, als er Richter war". Unai Romanos Beschreibung der Ereignisse von September 2001 ist in dem Jahres-Bericht "Folter im Baskenland" enthalten, der sich auf das entsprechende Jahr bezieht. Es wurde von der Anti-Folter-Gruppe Torturaren Aurkako Taldea (TAT) veröffentlicht. (3) Das baskische Stadtfernsehen Hamaika Telebista zeigte ein Interview mit Romano von 38 Minuten Länge, das bei Youtube zu sehen ist, original baskisch mit spanischen Untertiteln. (4)

Prozess gegen Romano und andere

Nach der Kontaktsperre-Folter wurden Unai Romano und sieben weitere Personen aus dem Gefängnis entlassen, in Erwartung eines Gerichtsverfahrens. Im Mai 2005 wurde Romanos Anzeige wegen Folter definitiv zurückgewiesen, weil es angeblich nicht ausreichend Anhaltspunkte gab, die seine Vorwürfe bestätigten. Das heißt, dass alle Personen, mit denen er während der Kontaktsperre in den Folterkellern der Guardia Civil in Berührung kam, entweder schwiegen oder falsche Aussagen machten: nicht nur die Zivilgardisten, von denen nichts anderes zu erwarten war, sondern auch das medizinische Personal. In jenen Jahren kümmerte sich das UN-Kommissariat gegen Folter in Person von Theo van Boven um den Fall, Romano wurde zur Menschenrechts-Kommission des baskischen Parlaments vorgeladen, um von seinen Erfahrungen zu berichten.

Bis Mai 2009 sollte es dauern, bis der Prozess gegen die acht stattfand. Es war die Zeit der Massenverfahren gegen die damals illegalisierte baskische Linke, die damals juristisch mit ETA gleichgesetzt wurde. In jenem Jahr deutete sich bereits ein definitiver Waffenstillstand an, hinter den Kulissen wurde mit Beteiligung von internationalen Konflikt-Vermittlern verhandelt. Das Verfahren gegen die acht Angeklagten endete mit einem Kompromiss zwischen Angeklagten und Staatsanwaltschaft. Die ging mit ihrer Strafforderung auf zwei Jahre herunter, im Gegenzug gaben die Angeklagten zu, ETA Information geliefert zu haben (Strafen bis zu zwei Jahren müssen nicht angetreten werden). In den Folgejahren wurde diese Art von “Deals“ mit der Staatsanwaltschaft mehrfach praktiziert, was in der Linken nicht unumstritten ist, weil teilweise Dinge zugegeben wurden, die nicht real waren. Der “ETA-Komplex“ wurde auf diesem Weg juristisch künstlich aufgebauscht.

Romano wurde zu einem Symbol für den Kampf gegen die Folter. Der einzige Unterschied zu den Hunderten von Fällen, die in Euskadi, Navarra und dem französischen Baskenland angezeigt wurden, besteht darin, dass es in seinem Fall ein Bild gibt, das keinerlei Zweifel daran lässt, was in den Katakomben der Guardia Civil mit ihm passierte.

ur06Euskal Herria und Folter

Im Jahr 2017 bestätigte eine weitere Studie, die von der baskischen Regierung und dem Baskischen Institut für Kriminologie durchgeführt wurde, die Existenz von mehr als 4.100 Beschwerden wegen Folter im Baskenland zwischen 1960 und 2014. Ausrede und Erklärung war immer die Existenz von ETA. Mehr als 70% der im Rahmen der Untersuchung analysierten Fälle hatten bereits in der “Demokratie“ stattgefunden, also nach dem Tod Francos und dem von vielen hoch gelobten “demokratischen Übergangs-Prozess“ (Transición). Die Nationalpolizei war in 1.792 Fälle involviert, die Guardia Civil in 1.985 Fälle und die baskische Regionalpolizei Ertzaintza in weitere 336 Fälle. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher.

Dieser Untersuchung zufolge entwickelten sich die Foltermethoden seit Anfang der 1990er Jahre weiter und reichten von körperlichen Verletzungen durch Techniken wie die "Badewanne", die Anwendung von Elektroden oder Schlägen bis hin zu anderen Formen der Misshandlung, die "bei gerichtsmedizinischen Untersuchungen schwierig oder gar nicht festzustellen sind". Dazu gehören "Erstickungsmanöver wie die Tüte, erzwungene Körperhaltungen oder anstrengende Übungen, Drohungen und Demütigungen, erzwungene Nacktheit und sexuelle Erniedrigung".

Weitere Hintergrund-Artikel

Im Internet-Portal Baskultur.Info erschienen in den vergangenen Jahren verschiedene Beiträge, die das Thema Folter im Baskenland und in Spanien unter die Lupe nahmen. Unter anderem: “Folter gegen Basken - Ion Arretxe, Mikel Zabalza“ (LINK); “Folterbericht Baskenland - Bisher galten alle Folter-Anzeigen als Lügen“ (LINK); “Systematische Folter in Spanien - Expertenbericht für die baskische Regierung“ (LINK).

ANMERKUNGEN:

(1) “Unai Romano: Testimonio de la tortura, 20 años de vergüenza“ (Unai Romano: Beschreibung der Folter, 20 Jahre Schamlosigkeit) Lamordaza 2021-09-06 (LINK)

(2) Joxean Lasa und Joxi Zabala waren zwei junge Aktivisten, die Anfang der 1980er Jahre ETA zugerechnet wurden. Aus Angst vor Repression flohen sie nach Bayonne (Iparralde), wo sie im Oktober 1983 von Mitgliedern der damals aktiven Todesschwadronen GAL entführt wurden. Sie wurden in der Kaserne der Guardia Civil in Intxaurrondo (Donostia) festgehalten. Auf Anweisung des Zivilgardisten-Generals Galindo wurden sie in den Palast La Cumbre gebracht, wo sie gefoltert wurden. Angesichts des Zustands, in dem sie sich nach der Folter befanden, ordnete Galindo mit Wissen des Zivilgouverneurs Julen Elgorriaga und des Oberstleutnants Ángel Vaquero ihre Ermordung und ihr Verschwinden an. Die Zivilgardisten Enrique Dorado und Felipe Bayo brachten sie nach Alicante, zwangen Lasa und Zabala, ihr eigenes Grab zu schaufeln, Dorado schoss ihnen mehrfach in den Kopf. Anschließend wurden sie mit Branntkalk bedeckt vergraben. Im Januar 1985 wurden ihre sterblichen Überreste gefunden, sie konnten jedoch bis 1995 nicht identifiziert werden. Obwohl die erste Autopsie im Jahr 1985 Anzeichen für eine Folterung ergab, so Francisco Etxeberria, einer der führenden Experten für Gerichtsmedizin und Professor am Institut für Kriminologie der Universität des Baskenlandes. Während der Beerdigung der beiden stürmte die baskische Regionalpolizei Ertzaintza auf die Angehörigen der Verstorbenen, um sie daran zu hindern, die Särge aus den Leichenwagen zu nehmen und ein Trauerlied zu singen.

(3) “Me dicen que soy el único hijo de puta que no habla“ (Sie sagen mir, ich sei der einzige Hurensohn, der nichts sagt) Tageszeitung Gara 2021-09-06 (LINK)

(4) Unai Romano, Folter-Bericht, 38 min, Hamaika Telebista (LINK)

ABBILDUNGEN:

(*) Unai Romano (hamaika tb)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2021-09-28)

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