Zwischen Stagnation und Frust
Nach wie vor erfordert es große Anstrengungen, die baskische Sprache Euskara zu erhalten, ihre Kenntnis und ihren Gebrauch zu fördern. Von Zeit zu Zeit wird die Entwicklung mit Studien überprüft. Die Daten der 7. Sozio-linguistischen Erhebung ergeben unterschiedliche Ergebnisse: Stabilität in der Region Baskenland (Euskadi), eine leichte Verbesserung in der Region Nafarroa und eine schrittweise Verschlechterung in Iparralde wider. Im Süden ist Euskara offizielle Sprache, im baskischen Norden nicht.
Die siebte sozio-linguistische Studie ist eine Bestandsaufnahme der Kenntnis und des Gebrauchs der baskische Sprache Euskara. Die Ergebnisse sind nicht so positiv, wie sie sein könnten und sollten.
Das Engagement für die baskische Sprache bedeutet nicht unbedingt auch den Gebrauch des Euskara. Das eine ist keine Garantie für das andere. Dafür steht das oft wiederholte Zitat von Joxean Artze: “Eine Sprache stirbt nicht, weil es die nicht lernen, die es nicht kennen, sondern weil die es nicht sprechen, die es kennen.“
Oft ist es Bequemlichkeit, oder schlicht die Anwesenheit Nicht-Baskisch-Sprechender Personen, die zum Nicht-Gebrauch des Baskischen führt. Die Verlockung ist groß. In Bilbao wird selten Euskara gesprochen, in den Dörfern von Araba noch weniger. Euskara-Spitzenreiter sind kleine Orte in Gipuzkoa, der Norden von Nafarroa oder die Küstenstädte in Bizkaia.
Bei der letztjährigen Korrika, zum Beispiel, kamen Hunderttausende von Menschen zusammen, die sich für die Förderung der baskischen Sprache einsetzen: Euskaldune (Baskisch-Kenner*innen) und Nicht-Euskaldune. Die Verteidigung der Sprache ist nicht auf ihre Sprecher*innen beschränkt. Doch am Ende zählt die Praxis, denn der Erhalt der Sprache ist keine Abstimmung oder Unterschriften-Sammlung, sondern konsequenter Alltag. Klar ist, dass die Frage von Engagement überwunden werden muss, der Gebrauch des Euskara muss zur Selbstverständlichkeit werden. Die vorliegende Studie zeigt, dass der Weg noch lang ist.
Sozio-Linguistische Studie
Im vergangenen März wurden drei Dokumente der 7. baskischen sozio-linguistischen Erhebung veröffentlicht, die die aktuelle Situation der baskischen Sprache in der Region Baskenland (Euskadi), in Navarra und im französischen Baskenland widerspiegeln. Die drei Dokumente stützen sich auf Daten für das Jahr 2021 und geben ein sehr ungleiches Bild in den drei verschiedenen Verwaltungsgebieten von Euskal Herria wider. Während sich die baskische Sprache in Euskadi einer stabilen und relativ guten Gesundheit erfreut und in Navarra in den letzten Jahren Rückenwind erhalten hat, geben die sinkenden Zahlen auf der anderen Seite der Pyrenäen-Grenze Anlass zur Sorge, denn dort wird trotz der unternommenen Anstrengungen eine rückläufige Tendenz festgestellt.
Die erste Ausgabe dieser Erhebung, die alle fünf Jahre veröffentlicht wird, wurde im Jahr 1991 druchgeführt. In Euskadi (in den Provinzen Araba, Bizkaia, Gipuzkoa mit 2,2 Millionen Bewohner*innen) wird sie von der baskischen Regierung herausgegeben, in Navarra von der Regionalregierung in Zusammenarbeit mit Euskarabidea (Euskara-Weg), dem Navarrischen Institut für die baskische Sprache. In beiden Regionen ist die baskische Sprache offizielle Amtssprache. Nicht so im Nord-Baskenland Iparralde, dort wird die Studie vom Amt für baskische Sprache (Euskararen Erakunde Publikoa) des Verbands baskischer Gemeinden durchgeführt und publiziert, der keinerlei Kompetenzen und Entscheidungsbefugnis hat, weil alles in Paris entschieden wird.
Kenntnis
Die Kenntnis der Sprache selbst ist ein grundlegender Faktor für die Durchführung dieser Studie. Die Kenntnis stellt bereits ein erstes Zeichen der Ungleichheit dar. So sprechen in Euskadi 54,8% der Bevölkerung fließend Baskisch oder sind in der Lage, die Sprache zu verstehen, womit die Grenze von einer Million von Euskaldunen überschritten wird (dem Euskara-Begriff für Baskisch-Sprechende). Die Zahl entspricht einer Zunahme von 261.000 aktiven Sprecherinnen und Sprechern in den letzten drei Jahrzehnten seit der ersten Erhebnung. In Navarra liegt der Prozentsatz dieser euskaldunen Bevölkerungsgruppe bei fast 25%, während er im Nord-Baskenland 29,5% beträgt, was 75.000 Personen entspricht. Das sind zwar relativ mehr als in Nafarroa, bedeutet dennoch einen Rückgang um 5.500 Euskaldune in den letzten zwei Jahrzehnten, obwohl die Zahl in den letzten Jahren dank vielfacher Anstrengungen, vor allem in Baskisch-Schulen und im Kulturbereich, gestiegen ist.
Alter
Das Alter ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ein entscheidender Faktor. Sowohl in Euskadi als auch in Navarra sind es die Jüngsten, die den höchsten Prozentsatz an Kenntnissen aufweisen – zur Erinnerung: während der 40-jährigen franquistischen Diktatur war das Sprechen der baskischen Sprache bei Strafe verboten. In der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen sprechen in Euskadi 3 von 4 Personen fließend Baskisch, sogar 90,6%, wenn man jene Personen einbezieht, die kein hohes Niveau haben, die Sprache aber verstehen, wobei diese Zahl mit den Jahren sinkt.
Nafarroa
In Navarra sprechen 28% der Jugendlichen fließend Baskisch, mit den baskisch-sprachigen Zuhörer*innen zusammen sind es 40,2%. Das ist bereits ein deutlicher Unterschied gegenüber Euskadi. An dieser Stelle empfiehlt sich der Hinweis, dass Nafarroa das Euskara zwar als offiziell betrachtet, dass die Region jedoch in drei Sprach-Zonen eingeteilt ist: Norden, Mitte, Süden. Im Süden ist das Euskara wenig verbreitet, es gibt keine Baskisch-Schulen und keine Pflicht zur Zweisprachigkeit. Euskara wird nur in den von Eltern-Initiativen betriebenen Ikastola-Privatschulen unterrichtet. Im Zentrum (mit der Hauptstadt Pamplona, kommt die Bewertung des Euskara auf den konkreten Standort an, also nur bedingt zweisprachig. Der Norden ist euskaldun, alles bewegt sich zweisprachig, in den überwiegend kleinen Orten südlich der Pyrenäen wird viel Baskisch gesprochen.
Iparralde
Im Nord-Baskenland hingegen gelten französische Regeln, der Staat lässt außer seiner absolutistisch dominierenden “Kultursprache“ keine andere als offiziell gelten: kein Korsisch, kein Bretonisch, kein Okzitanisch, kein Baskisch … um nur die bekanntesten zu nennen im Vielsprachen-Staat. Folgerichtig gibt es im französischen Baskenland keine nennenswerten Kenntnis-Unterschiede zwischen den Bevölkerungs-Gruppen: 21,5% der 16- bis 24-Jährigen sprechen Baskisch, bei den über 65-Jährigen liegt der Prozentsatz bei 25,7%. Das Engagement für die Entwicklung des Euskara läuft auf Hochtouren.
Muttersprache
Wenn die Menschen nach ihrer Muttersprache gefragt werden, erscheint ein etwas tristes Ergebnis: 18,4% in Euskadi, 6,1% in Navarra und 13,3% im Nord-Baskenland geben das Baskische als alleinige Muttersprache an, und weitere 6,5%, 3% bzw. 6% teilen sich Baskisch und Kastilisch bzw. Bsaskisch und Französisch auf der anderen Seite der Grenze als Muttersprache.
Aufgrund der unterschiedlichen politischen und sozialen Gegebenheiten in den drei unterschiedlichen Verwaltungs-Gebieten ist der Unterschied in Hinblick auf die Muttersprache in den einzelnen Altersgruppen sehr unterschiedlich. In Euskadi nennen 24,1% der 16- bis 24-Jährigen Baskisch als einzige Muttersprache, dieser Prozentsatz sinkt mit zunehmendem Alter, in der älteren Generation liegt er bei 20,1%. In Navarra ist die Entwicklung ähnlich, 6,5% (ein Viertel von Euskadi) geben Baskisch als alleinige Muttersprache an, mit leicht abnehmender Tendenz, jedoch mit 7,6% wieder ansteigend bei den über 65-Jährigen. In Iparralde hingegen ist die Tendenz exponentiell steigend: Nur 3,7% der Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 24 Jahre geben Baskisch als ihre Muttersprache an, eine Zahl, die bei den Älteren auf 21,9% ansteigt. Zu beachten ist, dass das Baskisch in Frankreich nie verboten war, im Gegensatz zum franquistischen Spanien.
Schule und Elternhaus
Obwohl der Erwerb von Baskisch-Kenntnissen durch Schulbildung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, erweist sich das familiäre Umfeld nach wie vor als primäre Weitergabe-Instanz. Wenn beide Elternteile Baskisch sprechen, lernen 85,5% ihrer Kinder in Euskadi die Sprache; im Nord-Baskenland sind es 63,1%, während der Prozentsatz in Navarra bei etwa 75% liegt.
Wenn nur ein Elternteil die baskische Sprache beherrscht, sinkt der Prozentsatz beträchtlich. In Euskadi wird 46% des Nachwuchses von Geburt an zweisprachig (Baskisch, Spanisch), dem gegenüber sind es in den baskischen Gebieten des französischen Staates 26%, in diesem Fall Baskisch-Französisch. Der Navarra-Bericht hat diesen spezifischen Umstand in seinen Erhebungsdaten nicht berücksichtigt.
Sprach-Gebrauch
Tatsache ist, dass die Kenntnis des Baskischen zwar ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Situation dieser Sprache ist. Doch für ihr Überleben ist vor allem ihr Gebrauch wichtig. So verwenden im Baskenland im Schnitt 22% das Baskische genauso viel oder mehr als das Spanische, wobei es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Provinzen gibt: 40,8% in Gipuzkoa, 14,5% in Bizkaia und nur 7,8% in Araba. Im Nordbaskenland ziehen 7,1% der Befragten das Baskische dem Französischen vor, was einem Rückgang von 10,1% im Vergleich zu 2001 entspricht. In Navarra liegt der Prozentsatz der Bevorzugung des Baskischen bei 6,8%. Gipuzkoa liegt somit allein an der Spitze, alles andere sind traurige Zahlen.
Was die Entwicklung dieses Sprachgebrauchs anbelangt, so geben die Zahlen sowohl in Euskadi als auch in Navarra Anlass zur Hoffnung, da sie in den letzten 30 Jahren eine steigende Tendenz aufweisen. Im Jahr 1991 verwendeten 271.121 Personen das Baskische genauso viel oder mehr als das Kastilische (15,5%), im Jahr 2021 waren es 412.821 Personen. In Navarra ist die Zahl von 5,9% vor drei Jahrzehnten auf heute 6,8% gestiegen. Aufgrund der stark unterschiedlichen Kenntnisse und Förderung in den drei verschiedenen Sprachgebieten (Nord-Zentrum-Süd) liegt die Zahl nicht höher. Anders gesagt: sie könnte höher sein, wenn in den Gebieten mit wenig Euskara die Förderung gestärkt würde – das Gegenteil ist der Fall.
Ansichten
Ebenfalls sehr unterschiedlich sind die Meinungen der Baskenland-Bewohnerinnen bezüglich der Förderung der baskischen Sprache. Dabei stellt sich die Frage, ob sich die administrative und institutionelle Positionierung der letzten Jahrzehnte auf die kollektive Vorstellung des Euskara in die eine oder andere Richtung ausgewirkt hat. Und ob sie in der Bevölkerung am Ende eine Unterstützung oder im Gegenteil ein Hindernis darstellte.
In Euskadi sind 67% für die Förderung der Sprache, 26,3% äußern sich neutral und 6,8% sind dagegen. In Navarra sind 30% dafür (weniger als die Hälfte im Vergleich zu Euskadi), 33% neutral und 37% dagegen, sprich: eine deutliche Mehrheit ist nicht für die Förderung, um lediglich einen Gleichstellung zu erreichen. Im Nord-Baskenland liegen die entsprechenden Zahlen bei 36% / 49,2% / 14,5%, ebenfalls keine klare Zustimmung zur Förderung.
Akzeptanz
Diese Zahlen deuten darauf hin, dass im Süd-Baskenland Fortschritte erzielt wurden, auch wenn weitere Verbesserungen mehr als erforderlich sind. In Hinsicht auf die Akzeptanz des Euskara befindet sich Nafarroa in einer kritischen Situation. Was die Kenntnisse anbelangt, befindet sich das Nord-Baskenland in einer Lage, in der es außerordentlich schwierig erscheint, in einem relativ feindlichen Umfeld in baskischer Sprache zu leben, trotz der ideologischen Anstrenungen vieler Personen in den vergangenen Jahren. Feindlich sind vor allem die Städte, in den kleineneren Orten hat Euskara mehr Chancen.
Da sich die Euskara-Landkarte so uneinheitlich darstellt, sind mögliche gemeinsame Lösungen für eine bessere Zukunft eher unwahrscheinlich und sehr stark von Regierungs-Mehrheiten und politischen Konjunkturen abhängig. Expert*innen und Euskaltzaindia (die Akademie der baskischen Sprache) sind gefragt, die Zahlen zu entschlüsseln und entsprechende Strategien zu entwickeln, die den Regierungen und Verwaltungen vorgeschlagen werden können.
Ursprung des Wissens
Baskisch als alleinige Muttersprache: Baskisch als einzige Muttersprache bedeutet, die dominierende Sprache erst später gelernt zu haben, dies trifft auf 47,8% der baskischsprachigen Bevölkerung in Euskadi und auf 60,4% in Iparralde zu. Muttersprache Baskisch und Spanisch-Französisch. 15,4% der Baskisch-Sprechenden in Euskadi haben das Baskische zu Hause zusammen mit der spanischen Sprache gelernt, im Nordbaskenland sind es 22,2% mit Baskisch-Französisch gleichzeitig. Baskisch als Erwachsene gelernt: 36,9% der Euskadi-Euskaldunen haben die baskische Sprache in anderen Lebensabschnitten erlernt, im Nordbaskenland sind es 17,4% der Sprecher*innen.
Meinungen in Euskadi
"Alle Kinder sollten Baskisch lernen": Eine breite Mehrheit von 89,3% befürwortet diese Vorstellung, während 4,7% eine neutrale Meinung vertreten und magere 5,6% dagegen sind. / “Baskisch-Kenntnisse sollten für den Eintritt in den öffentlichen Dienst erforderlich sein": Drei von vier Personen unterstützen diese Haltung, 6,3% haben eine neutrale Meinung dazu und 18,1% eine ablehnende. / "Alle Radio- und Fernsehsender sollten mehr Inhalte in baskischer Sprache haben": Fast die Hälfte der Bevölkerung, 49,3%, befürwortet die Umsetzung dieser Forderung, während 21,1% eine neutrale Meinung haben und 22,7% dagegen sind. / "Die Leute sollten besser Englisch lernen als Baskisch": Dies ist die umstrittenste Ansicht, sie wird von 51% der Befragten abgelehnt. Nur 22,7% befürworten diese Aussage und 24,8% äußern sich dazu neutral.
Muttersprache Baskisch in Euskadi
Personen in der Autonomen Region Baskenland, Euskadi, deren erste Muttersprache Baskisch ist. Altersgruppe 16-24 Jahre = 24,1% / Altersgruppe 25-34 Jahre = 20,1% / Altersgruppe 35-49 Jahre = 16% / Altersgruppe 35-49 Jahre alt = 16% / Altersgruppe 50-64 Jahre = 16,3% / Altersgruppe 65 Jahre und älter =20,1%.
Muttersprache Baskisch in Navarra
Personen in der Foralen Region Nafarroa (Navarra), deren erste Muttersprache Baskisch ist. Altersgruppe 16-24 Jahre = 6,5% / Altersgruppe 25-34 Jahre = 5,7% / Altersgruppe 35-49 Jahre = 5,1% / Altersgruppe 50-64 Jahre = 5,8% / Altersgruppe 65 Jahre und älter = 7,6 %.
Muttersprache Baskisch in Iparralde
Personen in Iparralde, den drei Provinzen im französischen Baskenland, deren erste Muttersprache Baskisch ist. Altersgruppe 16-24 Jahre = 3,7% / Altersgruppe 25-34 Jahre = 5,1% / Altersgruppe 35-49 Jahre = 9,3% / Altersgruppe 50-64 Jahre = 15,2% / Altersgruppe 65 Jahre oder älter = 21,9%.
ANMERKUNGEN:
(1) “El escenario sociolingüístico dispar de Euskal Herria” (Das uneinheitliche soziolinguistische Szenario in Euskal Herria), Tageszeitung Noticias de Gipuzkoa, Uxue Garro Irastorza, 2023-05-14 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Korrika 2022
(2) Korrika-Stab (andreamari)
(3) Korrika (navarra tv)
(4) Korrika (valle aranguiren)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-05-19)