Schöne Künste in Bilbao
Das Museum der Schönen Künste in Bilbao zeigt eine der aktuell interessantesten privaten Kunstsammlungen: die Sammlung Koplowitz, zum ersten Mal im spanischen Staat zu sehen. Die ausgestellten Werke umfassen eine Zeit von mehr als 2000 Jahren, insofern stellt die Kunstschau einen Ritt durch die Kunstgeschichte dar. Unter dieser Prämisse wurden die 90 Werke der Koplowitz-Sammlung in Bilbao angekündigt, darunter Altmeister wie Goya oder Picasso. Zu sehen sind sie vom 28. Juli bis 23. Oktober 2017.
Die aktuell im Museo Bellas Artes gezeigte Koplowitz-Sammlung beinhaltet Werke aus verschiedensten Stilrichtungen und Zeiten, von der Klassik bis zum 21. Jahrhundert. Unterteilt ist die Ausstellung in neun Epochen.
Eine lange Reise durch die Kunstgeschichte verspricht die Ausstellung der Sammlung Koplowitz im Museum der Schönen Künste in Bilbao: von Marmor-Skulpturen der Göttin Aphrodite aus dem 3. Jahrhundert vor Christus, bis zum zeitgenössischen Gemälde „Le Dormeur“ des Deutschen Anselm Kiefer geht diese Reise durch Ästhetik und menschliche Darstellung.
Innerhalb von 30 Jahren wurde die Sammlung von der superreichen Alicia Koplowitz zusammengestellt. Ein Teil der Werke wurde kürzlich in Paris im Jaquemart-André-Museu gezeigt, die jetzt in Bilbao gezeigte Reihe jedoch noch nie im Staate Spanien. Solcherart Premieren werden immer besonders gefeiert, das tat der neue Direktor des Museo de Bellas Artes Bilbao, Miguel Zugaza, bei der Eröffnung dann auch ausführlich: „Jedes Ausstellungsstück ist ein Sternchen in einer Konstellation von Schönheit unterschiedlicher Materialien“. Superlative für eine ohne Zweifel hochinteressante Werkauswahl.
Im ersten Raum der Ausstellung stehen drei weibliche Figuren, darunter eine kopflose Göttin Aphrodite aus dem klassischen Griechenland. Es folgt eine chronologische Anordnung von Werken in insgesamt neun (manchmal etwas irritierend angeordneten) Räumen. Neben Picasso und Goya finden sich dort unter anderem Skulpturen von Giacometti, Calder, Gargallo, Germain Richier und David Smith, sowie eine Zeichnung von Tiepolo y Piazzetta, einem Künstler, der von der Sammlerin höchstpersönlich in letzter Minute in die Ausstellung beordert wurde, als sie zu einem Vorbesuch kam. Warum sie der Eröffnung nicht beiwohnte, darüber kann nur spekuliert werden, im Baskenland dürfte die Eigentümerin einer bekannten Kaufhauskette nicht besonders beliebt sein.
Eine Fotoserie zeigt die Bilder der Ausstellung bei der Vorstellung für die Kommunikationsmedien (2) (Link).
Feminin oder nicht?
“Es ist die Kollektion einer Frau, femenine Präsenz steht im Vordergrund“, sagte der neue Direktor des Museums – eine Aussage, die bei der Ansicht der Werke unter den Anwesenden Pressevertreter*innen nicht unbedingt bestätigt wurde. Frauen sind traditionell beliebte Darstellungsobjekte insbesondere von männlichen Kunstschaffenden, was allerdings wenig über feminine Präsenz aussagt. Allein die eben erwähnte Aufzählung von Namen ist eine exklusiv männliche Bastion. Insofern bezieht sich das „femenin“ mehr auf diie Darstellung als auch die Schaffenden und ist somit eben eines der üblichen Attribute für die Presse (das möglicherweise explizit auf Besucherinnen zielt). Die Auswahl der ausgestellten Werke sei eine „Zeitreise“, sagte die bei der Sammlerin angestellte Ausstellungs-Kommissarin Almudena Ros. Es sei „die Suche nach der ausgewogenen Schönheit mit klassischen Wurzeln“. – „Die Kriterien dieser Suche charakterisieren gleichzeitig die Persönlichkeit der Sammlerin“. Der Kunsthistoriker Calvo Serraller nannte die Schau einen „Mikrokosmos, der dem Besucher eine unverzichtbare Perspektive vermittelt, um Kunst zu bewerten und aus der Vergangenheit die Gegenwart zu durchqueren” – große Worte.
Üblicherweise zeigen Kunstausstellungen das Werk einzelner kreativer Personen – wie derzeit zum Beispiel Georg Baselitz im Guggenheim-Museum – oder eine bestimmte Stilrichtung oder Kunstepoche – wie „Paris, Fin de siecle“, ebenfalls derzeit im Guggenheim. Sammlungen hingegen sind eine besondere Spezies in den Museen, weil sie keinen einheitlichen kunsthistorischen Konzepten folgen, sondern subjektiv bestimmt sind oder von der Kaufkraft der Sammler*innen. Bestes Beispiel ist die Stiftung Guggenheim, die mit ihrem unvorstellbar großen Reichtum derart viele Kunst-Stücke angesammelt hat, dass diese im New Yorker Museum nur zu Bruchteilen ausgestellt werden können. Was im Übrigen der Grund war, weshalb die Guggenhiem-Stiftung einen europäischen Standort suchte, bei dem Bilbao als einzige Bewerberstadt den Zuschlag bekam.
Das Sammeln von Kunst
Um eine Kunstsammlung anzulegen braucht es zuallererst Geld, viel Geld, wenn es bedeutende Werke sein sollen. Dazu Kunstverständnis oder gute Berater*innen. Außerdem müssen entsprechende Werke überhaupt erst auf dem Markt sein. Für die laut Wikipedia auf 2,7 Milliarden US-Dollar geschätzte spanische Sammlerin Alicia Koplowitz ist der Erwerb der in Bilbao gezeigten Werke ein Kleingeld. Selbst wenn sie Millionen gekostet haben sollten.
Die Koplowitz-Familie hat eine interessante Geschichte. Der Vater der Koplowitz-Schwestern (Alicia und Esther), Ernst Koplowitz Sternberg, flüchtete in den 1930er Jahren vor den Nazis aus Oberschlesien und siedelte sich in den 1940er Jahren in Spanien an (3). 1946 heiratete er eine in Madrid lebende reiche kubanische Aristokratin, die eine aufstrebende Baufirma erbte. Alicia ihrerseits erbte gut, studierte Kunst und heiratete den Sohn eines franquistischen Ministers, der zuvor – im tiefsten Franquismus – die Kaufhauskette „Corte Inglés“ gegründet und auf Vordermann gebracht hatte. Eine große Kette, die in ihren baskischen Standorten Bilbao, Eibar und Gasteiz unter den Arbeitnehmer*innen keinen sonderlich guten Ruf hat.
Ein interessanter Aspekt ist die von den ausstellern besonders hervorgehobene Tatsache, dass die Sammlung der Spanierin Koplowitz in ihrem Heimatland Spanien – wozu das Baskenland gezählt wird – zum ersten Mal mit einer umfassenden Auswahl von Werken in Erscheinung tritt. Das wirft ein Licht auf den generellen Charakter von Kunstsammlungen, denn häufig dienen diese der Wohnzimmer-Zier ihrer Käufer*innen und die Öffentlichkeit bleibt ausgeschlossen. Rein materialistisch betrachtet haben Kunstsammlungen ihren Ursprung im Reichtum von Einzelpersonen, der aus dem geschaffenen Mehrwert von Arbeit resultiert.
Wenn die Sammler*innen die Werke dann erneut der Öffentlichkeit (in Museen) zugänglich machen, werden sie üblicherweise Philanthropen genannt. „Unter Philanthropie versteht man ein menschenfreundliches Denken und Verhalten. Als Motiv wird manchmal eine die gesamte Menschheit umfassende Liebe genannt, die 'allgemeine Menschenliebe´. Materiell äußert sich diese Einstellung in der Förderung Unterstützungsbedürftiger, oder von Einrichtungen, die dem Gemeinwohl dienen. Das Bild der Philanthropie prägen vor allem in großem Stil durchgeführte Aktionen sehr reicher Personen“ (4). Am Anfang steht dennoch und in jedem Fall die Ausbeutung von lohnabhängiger Arbeit. Soviel zum Ursprung der Koplowitz-Sammlung.
Neun thematische Räume
Der Rundgang durch die Ausstellung beginnt mit griechisch-römischen Skulpturen. Der folgende Ausstellungsraum – hier dürften eine oder mehrere Kunstepochen fehlen – springt in die Jahrhunderte 16 und 17. Zu sehen ist die Hofmalerei von Juan Pantoja de la Cruz, die religiösen Frauenbilder von Francisco de Zurbarán, oder die Weinkellergelage von Juan de Arellano.
Für das 18. Jahrhundert zeichnet als Protagonist Goya verantwortlich. Vier Werke von seiner Hand dominieren unzweifelhaft die Alltagsszenen von Lorenzo Tiepolo oder die galante Malerei von Manuel Camarón und Luis Paret y Alcázar. „Die Vorliebe für das Jahrhundert des Lichts ist nicht zufällig, in jener Zeit wurde begonnen, in die klassische Geschichte zurückzublicken, in jenem Jahrhundert wurden Frauen in das öffentliche Leben integriert, in jener Zeit wurden die Grundlagen der modernen zeitgenössischen Kunst erarbeitet“, so die Ausstellungs-Kommissarin Ros.
Das 19. Jahrhundert wird vertreten von Raimundo de Madrazo und dem französischen Postimpressionismus von Gauguin, Toulouse-Lautrec und van Gogh. Aus den ersten Jahrzehnten der Pariser Avangarde und vom österreichischen Expressionismus gibt es Werke von Schiele und Modigliani, die ebenfalls weibliche Figuren darstellen. Das 20. Jahrhundert umfasst praktisch die Hälfte der Ausstellung, im entsprechenden Saal ragen Pablo Gargallo, Antonio López, Jorge Oteiza, Eduardo Chillida heraus, die stilisierten Figuren von Richier und Giacometti. Dazu gehören auch von Williem de Kooning oder Mark Rothko firmierte Bilder. Abgeschlossen wird die Ausstellung von neueren Namen wie Louise Bourgeois, Ai Weiwei oder Anselm Kiefer, der Autor des zuletzt in die Sammlung aufgenommenen Werks.
ANMERKUNGEN:
(1) Information aus dem Artikel Arte en clave femenina en el Bellas Artes” vom 27. Juli 2017 (Link)
(2) Fotoserie Flickr: Ausstellungseröffnung für die Kommunikationsmedien (Link)
(3) Alicia Koplowitz: Wikipedia
(3) Philanthropie: Wikipedia
ABBILDUNGEN:
(*) Koplowitz-Sammlung Guggenheim (FAT)