PK003ETA-Entwaffnung beginnt

Mit der Ankündigung der baskischen Untergrund-Organisation ETA, mit ihrer Entwaffnung zu beginnen, kommt wieder Leben in den Friedensprozess im Baskenland, der zuletzt stagniert hatte, weil die spanische Regierung den bisher erfolgten einseitigen Schritten nicht geantwortet hat. Eine Internationale Verifizierungs-Kommission hat den Schritt von ETA bestätigt, sich gleichzeitig aber heftige Kritik von Seiten der spanischen Regierung eingehandelt. Zwei Artikel beleuchten den Moment.

Die beiden im Folgenden dokumentierten Artikel entstammen zum einen der Tageszeitung Junge Welt vom 24.2.2014 (Uschi Grandel), zum andern dem Internetportal Heise.de vom 23.2.2014 (Ralf Streck)

Die Waffen der ETA

Unilaterale Schritte wirksame Strategie im Friedensprozeß im Baskenland. Untergrundorganisation versiegelt Teil ihres Arsenals. Von Uschi Grandel.

Gute Nachrichten aus dem Baskenland. Ich hoffe, Ihr Friedensprozeß geht weiter«, twitterte der ehemalige US-Präsident William Clinton am Wochenende. Seine Botschaft ist eine der vielen positiven Reaktionen, mit denen Politiker weltweit die in Eigenregie durchgeführte Teilentwaffnung der baskischen Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) begrüßten. Die ETA hatte im Januar 2014 im Beisein der »Internationalen Kommission zur Überprüfung des Waffenstillstands« (IVC) einen Teil ihres Waffenarsenals inventarisiert und danach versiegelt, um sie für den »operativen Einsatz unbrauchbar« zu machen. Ein Video davon war der britischen BBC übergeben worden. Diese veröffentlichte das Video am vergangenen Freitag, kurz nachdem die IVC auf einer Pressekonferenz im baskischen Bilbo (Bilbao) darüber berichtet hatte. »Die Kommission ist zuversichtlich, daß dieser Schritt bedeutend und glaubwürdig ist«, erklärte deren Sprecher Ram Manikkalingam. »Unseren Erfahrungen aus anderen Prozessen nach«, so Manikkalingam, sei die Inventarisierung und Versiegelung »eine notwendige Phase vor der Entwaffnung«. Die IVC sei »zuversichtlich, daß diese mit Hilfe aller politischen und sozialen Akteure erreicht werden kann«.PK015

Mit dem Beginn ihrer Entwaffnung hat die ETA die Blockade des baskischen Friedensprozesses durch Madrid schwer erschüttert. Entsprechend schmallippig fiel die Antwort der spanischen Regierung aus. Gerade mal ein »positiv« konnte sie sich abringen. Denn immer noch versucht die Führung um Ministerpräsident Mariano Rajoy allen internationalen Appellen zum Trotz, den Friedensprozeß auszubremsen. Im März vergangenen Jahres mußte die ETA-Delegation, die in Norwegen auf Unterhändler der spanischen Regierung gewartet hatte, unverrichteter Dinge wieder abziehen. Die Abgesandten wollten über eine Lösung der Konfliktfolgen – Entwaffnung, Gefangene und die Entmilitarisierung des Baskenlands – verhandeln. Doch dazu ist Rajoy nicht bereit.

Seit dem Ende des bewaffneten Kampfes der ETA im Oktober 2011 verhindert die spanische Regierung jede Bewegung in der Gefangenenfrage mit der Forderung nach der sofortigen Auflösung der ETA, ohne jedoch eine solche Entwicklung durch eigene Beiträge zu fördern. Ihre Unbeweglichkeit kann sie allerdings immer weniger durchhalten. Seit Oktober 2013 mußte Madrid auf Anweisung des Europäischen Gerichtshofs nahezu hundert baskische politische Langzeitgefangene entlassen, deren Haftstrafen die spanische Justiz willkürlich verlängert hatte. Als ein Gericht im Januar 2014 eine Großdemonstration unter dem Motto »Menschenrechte, Lösung, Frieden. Baskische Gefangene ins Baskenland« untersagte, gingen in Bilbo 135000 Menschen gegen das Verbot auf die Straße – mehr als jemals zuvor. Selbst die konservative baskische Partei PNV beteiligte sich an dem Protest, um ihre Glaubwürdigkeit in der baskischen Bevölkerung nicht zu verlieren. Die von ihr geführte Regierung der Baskischen Autonomen Gemeinschaft nannte am Freitag die Aktion der ETA ein »Schrittchen«, erkennt aber im Gegensatz zur spanischen Regierungspartei PP die IVC an und sichert ihr »weitere Zusammenarbeit und die Unterstützung der nächsten Schritte« zu.

Auch in der Gefangenenpolitik könnte der Druck auf die spanische Regierung weiter wachsen. Die französische Tageszeitung Le Monde begrüßte in ihrem Leitartikel vom Samstag die Entwaffnungsaktion und forderte die Regierungen Spaniens und Frankreichs auf, die Politik der »Zerstreuung« – der Verlegung baskischer politischer Gefangener in weit vom Baskenland entfernte Haftanstalten – zu beenden. Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional schickte den Kommissions-Mitgliedern dagegen die Polizei auf den Hals. Sie erhielten wegen ihrer ETA-Kontakte eine Vorladung für den gestrigen Sonntag morgen.

Spanien zitiert internationale Friedensvermittler vor Gericht

Die Vertreter der Kommission, die die Entwaffnung der ETA überwacht, wurden zum Nationalen Gerichtshof vorgeladen (Ralf Streck 23.02.2014) Im Baskenland wird scharf verurteilt, dass internationale Vermittler im Friedensprozess am Sonntag vor den Nationalen Gerichtshof nach Madrid zitiert worden sind. Der baskische Regierungschef Iñigo Urkullu reiste extra mit den Vermittlern aus Südafrika, Irland und Sri Lanka in die spanische Hauptstadt, um ihnen vor Ort seine weitere Unterstützung zuzusichern. Die trafen sich vor der Vernehmung mit dem Christdemokraten.

Mitglieder einer vor zweieinhalb Jahren gebildeten Internationalen Überprüfungs-Kommission (ICV) hatten am Freitag im baskischen Bilbao verkündet, dass die Untergrundorganisation ETA unter ihren Augen mit der Entwaffnung begonnen hat. Deshalb wurden sie vor den Sondergerichtshof zitiert. Sie sollten zu den Umständen des Treffens aussagen und die ETA-Mitglieder identifizieren, die auch auf einem Video zu sehen sind, das die britische BBC am Freitag gesendet hat.

Die Polizei hatte vor ihrer Abreise drei von fünf Vermittlern am Flughafen Vorladungen zugestellt. Die Holländerin Fleur Ravensbergen und die Ecuadorianerin Aracelly Santana hatten Spanien schon verlassen und mussten deshalb nicht aussagen. Es waren Ram Manikkalingam aus Sri Lanka, der die Kommission leitet, der Südafrikaner Ronnie Kasrils und der Ire Chris Macabbe, die vom Richter Ismael Moreno gut Stunden vernommen wurden. Manikkalingam hatte vollständige "Transparenz" und "Zusammenarbeit" mit der Justizzugesichert.

"Wir sind Profis mit Erfahrung"

Der Professor an der Universität Amsterdam und Präsident der renommierten Dialogue Advisory Group (DAG) sagte dem Richter, das Treffen mit der ETA habe im Januar im südfranzösischen Toulouse stattgefunden, also außerhalb der spanischen Gerichtsbarkeit. Manikkalingam sei in Begleitung Kasrils, einem Kampfgefährten von Nelson Mandela, mit dem Zug nach Toulouse gereist, worum die ETA in einem Brief gebeten habe. Das Treffen sei von einem der Maskierten ETA-Mitglieder gefilmt worden. "Wir sind Profis mit Erfahrung", erklärte Manikkalingam nach der Vernehmung, "und wir glauben, dass nun eine einzigartige Chance für eine Friedenslösung besteht".

Die ETA habe sich seit der Erklärung vor zwei gut zwei Jahren, den bewaffneten Kampf nach 50 Jahren ohne Vorbedingungen "endgültig" einzustellen, an alle Verpflichtungen gehalten, bekräftigten die Prüfer.

"Sie hat sich zum einseitigen Vorgehen verpflichtet und wir sind hier, um dabei zu helfen, dass dieser Vorgang im Interesser aller Bewohner des Baskenlands und Spaniens abgeschlossen wird", sagte Manikkalingam. Die von der ETA vorgezeigten Waffen, Sprengstoffe und Munition seien unbrauchbar gemacht worden. Auf die Frage, wer die Aktivitäten bezahlt, erklärten die Vermittler, das Geld komme von der DAG und skandinavischen Staaten.

"Wir brauchen keine internationalen Prüfer"

Norwegen ist in die Friedensbemühungen stark involviert. Wie der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte auch die ehemalige norwegische Regierungschefin Gro Harlem Bruntland an einem Friedenskongress teilgenommen. 2006 und 2007 fanden direkte Gespräche zwischen der ETA und der sozialistischen spanischen Regierung in Oslo statt.

Doch die neue konservative Regierung will von einem Dialog und Vermittlung nichts wissen, obwohl Innenminister Jorge Fernández die Entwaffnung als "positiven Schritt" bezeichnete. Er erklärte aber: "Wir brauchen keine internationalen Prüfer", die paramilitärische "Guardia Civil und die Polizei reichten bei weitem aus. Er sagte aber nicht, wie der komplizierte Vorgang durchgeführt werden könnte.

PK009Der Führer der regierenden spanischen Volkspartei (PP) Esteban Gónzalez Pons behauptete am Sonntag sogar, die Vermittler "arbeiten für die ETA" und er sprach von einem "Spektakel". Für viele Beobachter war erstaunlich, dass die Staatsanwaltschaft den Vorladungen zustimmte, welche die Opferorganisation Covite beantragt hatte. Das sie als Ministerium zur Regierung gehört, stützt die Regierung das Vorgehen.

Im Baskenland wird das ungewöhnliche Vorgehen scharf verurteilt. Der Verantwortliche für Frieden und Zusammenleben der baskischen Regierung sprach davon, dass die spanische Regierung für einen "Zustand der Erschütterung" sorge. Jonan Fernández forderte sie auf, "über die Konsequenzen nachzudenken".

Vermutet wird, dass die Vernehmungen eine Warnung für den baskischen Regierungschef ist, denn der hat angekündigt, mit der ETA sprechen zu wollen, um deren Entwaffnung und Auflösung zu beschleunigen. Der Sprecher der sozialdemokratischen Solidaritätspartei (EA) meint, Spanien mache sich international "lächerlich". Pello Urizar warf Spanien vor, kein Interesse an einer Friedenslösung zu haben, weshalb der Vorgang "boykottiert und unmöglich" gemacht werden soll.

Quellen:
* Die Waffen der ETA, Uschi Grandel, Junge Welt: www.jungewelt.de/2014/02-24/033.php
* Spanien zitiert internationale Friedensvermittler vor Gericht, www.heise.de/tp/blogs/8/155911,
* Fotos: Pressekonferenz der Int.Verifizierungs-Kommission in Bilbao am 21.2.2014: www.flickr.com/photos/txeng

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