Krieg der ukrainischen Faschisten
Die Kapitulation der letzten Kommandeure des Asow-Bataillons und die endgültige Übergabe des Stahlwerks Asowstal an die russische Armee nach zweimonatiger Belagerung wirft ein Licht auf die Behandlung von Kriegsgefangenen in Konflikten. Dafür ist es notwendig, die Geschichte dieser ukrainischen Faschistentruppe in Erinnerung zu rufen, die 2014 vom Neonazi Andrej Biletski in der Hitze des Donbass-Krieges gegründet wurde. Eine Tatsache, die in westlichen Medien gerne unter den Teppich gekehrt wird.
In der Ukraine sind es Kriegshelden, die von der NATO mit Waffen versorgt werden. Für Russland bilden sie unter dem Vorwand der “Entnazifizierung“ die Legitimation für die Intervention: die Faschisten vom berüchtigten Asow-Bataillon.
Der Widerwillen Russlands, die Genfer Konvention über Kriegsgefangene auf die Kommandeure und Soldaten des rechtsextremen Asow-Bataillons anzuwenden, die kapituliert und das Stahlwerk Asowstal in Mariupol verlassen haben, ist auch in jüngster Zeit keine Ausnahme. Doch ist dies nicht nur eine russische Eigenart, denn solche Garantien für die Behandlung von Gefangenen oder sich ergebenden Feinden im Krieg wurden in der Vergangenheit von verschiedenen Konfliktparteien mehr oder weniger systematisch verletzt. (1)
Kriegsgefangene oder feindliche Kämpfer
Die Bush-Regierung zum Beispiel hat Hunderte von Taliban- und Al-Qaida-Häftlinge in Afghanistan als "feindliche Kämpfer" bezeichnet, ihnen den "Titel" von Kriegsgefangenen verweigert und sie ohne Rechte in Guantanamo eingesperrt. Das Pentagon hat diesen semantischen und gleichzeitig kriminellen Trick bei der Invasion des Irak aufrechterhalten. Und obwohl der folgende Präsident Barack Obama diese Gesetzgebung 2009 aufhob, wurden beispielsweise die Dschihadisten des Islamischen Staates, insbesondere ihre Anführer, nie so behandelt, wie es sich für "Kriegsgefangene" gehört.
Diese Ausnahmesituation, wenn auch in diesem Fall nicht im Hinblick auf den Dschihadismus (ISIS), sondern auf eine neonazistische Bewegung wie das Asow-Bataillon, nehmen russische Parlamentarier zum Anlass, sie nicht in einen möglichen Gefangenen-Austausch einzubeziehen. Vielmehr soll ihnen der Status von Kriegsgefangenen aberkannt werden. Einige Stimmen in Russland fordern, sie als "Terroristen" zum Tode zu verurteilen. Der Kreml schweigt, doch den strategischen Entscheidungen Russlands gehen oft Botschaften aus der Duma voraus oder werden dort vorbereitet.
Es ist eine Tatsache, dass die Kämpfer des Asow-Bataillons sowohl im Donbass-Krieg seit 2014, als auch im aktuellen Krieg nach der russischen Invasion von 2022 gegen den definierten "Kriegskodex" verstoßen haben, gegen Vereinbarungen der Genfer Konventionen (2). Nicht nur gegen Gefangene, prorussische Rebellen oder Russen, sondern auch gegen Zivilisten. Die russische Seite verfolgt aufmerksam die juristischen Entwicklungen. In Erwartung der Ergebnisse der laufenden gerichtlichen Untersuchungen der Morde von Bucha, Irpin und anlässlich des ersten Prozesses in Kiew gegen einen russischen Soldaten, der beschuldigt wird, einen Zivilisten in Summy getötet zu haben. Amnesty International hat Massen-Hinrichtungen von Gefangenen durch prorussische Kräfte dokumentiert.
Dies entbindet die faschistischen Milizionäre des Asow-Bataillons keineswegs von ihrer Verantwortung. Doch kommt somit ein Element hinzu, das an Bedeutung gewinnen wird: das Prinzip der Wechselseitigkeit (Anwendung derselben Prinzipien, die auch der Gegner praktiziert – wie du mir, so ich dir). Kiew könnte darauf reagieren, indem juristisch die gleiche Behandlung gegen russische Gefangene angewendet wird, das wurde sicherlich bereits de facto praktiziert).
Geschichte des faschistischen Bataillons
Das nach dem Asow-Meer benannte Bataillon wurde im Mai 2014 von dem rechtsextremen Andrei Biletski im Zusammenhang mit dem Krieg im Donbass und in der Hitze der vom Westen gesteuerten Maidan-"Revolution" gegründet. Biletski, 2014 zum Abgeordneten für Kiew gewählt, wurde bekannt, weil er Razzien gegen die Roma-Gemeinschaft verteidigte, die in den Unterkarpaten an der Grenze zu Ungarn eine wichtige Rolle spielt. Der vorher wegen "versuchten Mordes" inhaftierte Biletski wurde mitten während der Maidan-Ereignisse aus dem Gefängnis entlassen, zusammen mit anderen Anführern seiner neonazistischen Sozial-Nationalen Versammlung und ihres paramilitärischen Arms "Patrioten der Ukraine", die beschuldigt wurden, Einwanderer-Unterkünfte angezündet zu haben.
Beide Gruppen, nicht zu vergessen die Hooligans von Dynamo Kiew, bildeten zusammen mit rechtsextremen Freiwilligen aus ganz Europa und mit dem Geld mehrerer ukrainischer Oligarchen die Keimzelle des Asow-Bataillons. Das bestand zunächst aus 500 Freiwilligen, die 2014 die Offensive der prorussischen Milizen im Donbass stoppten und die Stadt Mariupol zurückeroberten. Dieser "Sieg" verschaffte dem Bataillon großes Ansehen. Seine nazi-deutsche Fahne, die Wolfsangel, und seine Ideologie, die Natsiokratia (reiner Ständestaats-Faschismus), verhinderten nicht, dass es in die ukrainische Nationalgarde integriert wurde, die dem Innenministerium untersteht.
Gegensätzliche Versionen
Bis dahin gibt es wenig Zweifel in der Darstellung des faschistischen Charakters des Asow-Bataillons. Die unterschiedlichen Versionen beginnen mit der genannten Integration in die offizielle Armee. Wikipedia informiert: “Der mehrheitlich russischsprachige Verband galt außerhalb der Ukraine lange als ultranationalistisch und ist wegen der früher teilweise offen geäußerten rechtsextremen Positionen vieler seiner ehemaligen Anführer und Angehörigen stark umstritten gewesen; seit Eingliederung in die Nationalgarde gelten die rechtsextremen Strömungen im Verband weitgehend als überwunden. Jedoch benutzt das Regiment weiterhin als Abzeichen die Wolfsangel. Im Oktober 2014 gab Awakow die beschlossene Eingliederung des Regiments in die Nationalgarde bekannt. Laut dem Historiker und Journalisten Konstantin Skorkin haben die meisten ultrarechten Kämpfer das Regiment vor Ende 2014 verlassen. (3)
Weißwaschen
Doch warum sollten die Ultrarechten ihr Bataillon ausgerechnet auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge verlassen? Wer an ihrer Stelle hat seit acht Jahren in der Donbass-Region weiter Krieg geführt und zeichnet verantwortlich für Massaker an der Zivilbevölkerung (die in westlichen Medien verschwiegen wurden, so gut es ging)? Weshalb sollte sich ein Bataillon, dass in die regulären Sicherheitskräfte integriert ist, weiterhin mit einem Nazi-Symbol schmücken, ohne tatsächlich faschistischen Charakter zu haben? Darauf geben weder Wikipedia noch andere westlich orientierte Quellen eine Antwort.
Anders das unabhängige spanische Magazin Nius (4) im März 2022 (nach Kriegsbeginn): “Als der russische Präsident Wladimir Putin den Einmarsch in die Ukraine damit begründete, dass das Land entnazifiziert werden müsse, war damit insbesondere das Asow-Bataillon gemeint. Es besteht aus etwa 900 ukrainischen Paramilitärs, die all das repräsentieren, was Europa seit 80 Jahren bekämpft“. Angeblich bekämpft, muss angefügt werden. Denn längst ist die EU selbst zum Sammelbecken von Ultrarechten, Neonazis und Faschisten geworden, nicht nur durch die Osterweiterung in Polen oder Ungarn. 100.000 Millionen ultrarechte Wahlstimmen sind mittlerweile üblich.
“Die Kämpfer des Asow-Bataillons bekennen sich offen als Nazis, Ultranationalisten und Fremdenfeinde und repräsentieren die schlimmsten Vertreter dieser Ideologie. Sie tragen Hakenkreuze und SS-Abzeichen, wobei ihr Fetischsymbol die Wolfsangel ist, eine Art Hakenkreuz auf gelbem Grund. Sie sind homophob und haben in der Vergangenheit die LGTBI-Gemeinschaft gedemütigt, und die Roma-Minderheit belästigt. Im Jahr 2016 wurden sie von der Flüchtlings-Agentur der Vereinten Nationen UNHCR wegen Verletzung des humanitären Völkerrechts angezeigt. Und doch sind sie in die Streitkräfte, in die Nationalgarde integriert“.
Niur-Bilanz: “Die Ukraine ist das einzige Land der Welt, das eine Neonazi-Gruppe in seine Streitkräfte integriert hat. Jetzt, wo die russische Invasion die Ukraine verwüstet, beteiligen sie sich an der Verteidigung des Landes, bilden Zivilisten aus und setzen ihr Recht durch, indem sie das Chaos ausnutzen. Sie werden gefürchtet und gehasst. Aber sie kämpfen. Sie wurden auch beschuldigt, die Evakuierung von Zivilisten zu verhindern (nigerianische Studierende, Roma), die sie als menschliche Schutzschilde benutzen wollen“. (4)
Obwohl sie "übel riechen" (US-Kongress-Abgeordnete forderten, sie zu einer "ausländischen terroristischen Organisation" zu erklären) muss die Welt heute zusehen, wie diese Ultranationalisten von den NATO-Ländern militärische Ausrüstung aller Art erhalten. Sogar Facebook legte 2016 sein Veto ein und stufte sie unter “1. Niveau“ ein, dazu gehören auch der Ku-Klux-Klan und der Islamische Staat. Am 24. Februar jedoch, als die russische Invasion begann, wurde eine "kleine Ausnahme" gemacht, wie das von Mark Zuckerberg gegründete Unternehmen mitteilte. "Wir verbieten dennoch weiterhin alle Hassreden, Hasssymbolik, Gewalt-Verherrlichung, allgemeine Lobpreisungen, Unterstützung oder Darstellung des Asow-Regiments sowie alle anderen Inhalte, die gegen unsere Gemeinschafts-Standards verstoßen", so das Unternehmen. (4)
Die Ursprünge
Das Asow-Bataillon entstand in Mariupol am Asowschen Meer und hat einen Gründer-Ideologen: Andrej Biletski (bei Wikipedia interessanterweise nur unter ferner liefen erwähnt). Der ehemalige Anführer der 2005 gegründeten Partei Ukrainische Patrioten war auch Chef ihrer Nachfolgeorganisation SNA, einer Gruppe, die Minderheiten in der Ukraine angegriffen hat. Deren Ziel in der Ukraine ist es, “die weißen Rassen der Welt in einem letzten Kreuzzug gegen die minderwertigen Rassen zu führen", sagte er einmal. In diesem Sinne war er von 2014 bis 2019 Mitglied des Parlaments. Dazu ist bei Wikipedia, das häufig als neutrale Instanz angeführt und zitiert wird (auch bei Baskultur.info), wenig zu finden. An dieser Stelle ist Wikipedia zum ideologischen Kampfinstrument (gemacht) geworden.
Konsequenzen
Eldiario (1) bilanziert: “Das Schicksal des Asow-Bataillons stand im Gegensatz zum Schicksal seiner politischen Initiatoren. Ukrainer, nicht notwendigerweise Neonazis oder Rechtsextremisten, sogar einige Anarchisten, unter denen die antisowjetisch-russische Stimmung sehr stark ausgeprägt ist, sowie internationale Freiwillige aller Couleur haben seither und besonders seit der Invasion die Reihen der Gruppe erweitert“ – bezüglich der Anarchisten eine gewagte Behauptung ohne jegliche Quellenangabe. “Biletski und seine Faschistenkollegen haben es nicht geschafft, bei den Parlamentswahlen 2019 eine Vertretung zu erlangen“. Letzteres ist eine Tatsache.
Für die russische Militärführung hatte die Kapitulation des Asow-Bataillons erste Priorität. Nicht nur weil die Faschisten die ursprünglichen Pläne im Donbass durchkreuzt haben, sondern auch, weil sie die anti-nazistische Rechtfertigung der Intervention als "besondere Militäroperation" verkörpert. Unabhängig vom Schicksal des Bataillons in russischer Gefangenschaft könnte die Kapitulation von Asowstal nach zwei Monaten Widerstand die Popularität des Bataillons steigern und die Unfähigkeit der Kiewer Regierung verschärfen, den faktischen Druck der ukrainischen Rechtsextremen abzuschütteln.
“Die Debatte darüber, wer die Bestie am meisten gefüttert hat, ist eine andere Sache: Die Regierung in Kiew und ihre westlichen Verbündeten, oder Russland mit seiner militärischen Aggression. Eine Debatte, die sich mit diesem und anderen alten, aber nicht fernen Konflikten befassen muss, wie die Kriege in Afghanistan, die dortige sowjetische Invasion 1979 und auf der anderen Seite die Unterstützung der CIA für Al-Qaida und die späteren Taliban“. (1)
ANMERKUNGEN:
(1) “El batallón Azov se rinde en Azovstal” (Das Asow-Bataillon ergibt sich in Asowstal), Tageszeitung Gara, David Lazkanoiturburu, 2022-05-21
(2) Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine essentielle Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges oder eines internationalen oder nicht internationalen bewaffneten Konflikts Regeln für den Schutz von Personen, die nicht oder nicht mehr an den Kampfhandlungen teilnehmen. Die Bestimmungen der vier Konventionen von 1949 betreffen die Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde (Genfer Abkommen I), die Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See (Genfer Abkommen II), die Kriegsgefangenen (Genfer Abkommen III) und die Zivilpersonen in Kriegszeiten (Genfer Abkommen IV). (LINK)
(3) Asow Bataillon, Wikipedia (LINK)
(4) “El Batallón Azov: el polémico grupo paramilitar nazi integrado en las Fuerzas Armadas de Ucrania” (Das Asow-Bataillon: die umstrittene paramilitärische Nazigruppe, die in die Streitkräfte der Ukraine integriert ist), Niusdiario, 2022-03-08 (LINK)
ABBILDUNGEN:
(1) Asow-Bataillon (naiz)
(2) Asow-Bataillon (nius)
(3) Asow-Bataillon (nius)
(4) Asow-Bataillon (nius)
(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2022-05-25)