miro001Absolute Wirklichkeit Paris

Unter dem Titel “Absolute Wirklichkeit“ (La realidad absoluta) zeigt das Museum Guggenheim Bilbao vom 10. Februar bis zum 28. Mai 2023 eine Ausstellung über das Werk von Joan Miró (1893-1983) im Zeitraum 1920 bis1945. Die Periode beginnt mit dem ersten Paris-Aufenthalt des Künstlers 1919. Beeinflusst von Dadaismus und Surrealismus wendet sich Miró in den 1920er Jahren von der Gegenständlichkeit ab, fügt stattdessen in seine Ikonografie magische Symbole wie Sonne, Mond, Sterne, Augen oder Vögel ein.

Mirós Interesse an der prähistorischen Kunst in seiner Pariser Zeit ist offensichtlich, er versucht, zu den urzeitlichen Ausdrucksformen der Kunst zurückzukehren und ihre ursprüngliche spirituelle Bedeutung wiederzufinden. Miró, für seine im Kontext der Avantgarde-Bewegungen Dadaismus und Surrealismus bewundert, gilt auch als Vorläufer des Abstrakten Expressionismus und der Konzeptkunst.

Malerkollege André Masson und Joan Miró hatten ihre Ateliers in Paris Tür an Tür und lebten anfangs in recht ärmlichen Verhältnissen. Die erste Einzelausstellung Mirós in Paris 1921 blieb erfolglos. 1926 arbeitete er zusammen mit Max Ernst an einem Bühnenbild. Das missfiel zwar dem Wortführer der Surrealisten-Gruppe André Breton, und obwohl in der Zeit der Weltwirtschaftskrise seine Bilder schwer zu verkaufen waren, hatte sich Miró soweit etabliert, dass er die Sommermonate in Spanien und den Winter in Paris verbringen konnte. Die Ausstellung spannt einen Bogen zu den “Constellationen“ in den 1940er Jahren, einer Serie von Gouachen (Aquarellfarben). (1)

Miró und das bürgerliche Barcelona

miro002"Miró konnte das bürgerliche Barcelona nicht ertragen und suchte sein Heil in Paris". Die Ausstellung im Guggenheim beschreibt die Zeit des Künstlers von seiner ersten Ankunft in der französischen Hauptstadt im Jahr 1920 bis zu seiner Abreise in den 1940er Jahren. (2)

Joan Miró hatte seine von der europäischen Avantgarde, vom Fauvismus und Kubismus beeinflussten Werke 1918 in der beliebten Galerie Dalmau in Barcelona ausgestellt, aber kein einziges Stück verkauft. Dieser Misserfolg bestärkte ihn in seiner Überzeugung, dass er dort nichts zu suchen hatte. "Es ging ihm gut auf dem Bauernhof der Familie in Montroig, Tarragona, aber er konnte das bürgerliche Barcelona nicht ertragen und suchte sein Heil in Paris", erklärt Enrique Juncosa, Kurator der Ausstellung, die das Guggenheim gerade über die Jahre des Künstlers in der französischen Hauptstadt eröffnet hat.

Im Jahr 1920 konnte er zum ersten Mal in die Stadt reisen und einige Monate bleiben. Freunde wie der Keramiker Josep Llorens Artigas und der Schriftsteller Josep Pla warteten auf ihn. Er brachte Picasso einen Kuchen mit, den dessen in Barcelona lebende Mutter gebacken hatte. Mit dem Klopfen an Picassos Tür wurden sie Freunde.

Von nun an kam und ging Miró. Auch in Paris bekam er nichts geschenkt. Im April 1921 stellte er in der Galerie La Licorne aus, aber auch hier blieb der Verkauf aus. Dennoch hatte er sein Umfeld gefunden, den fruchtbaren Boden, auf dem er zusammen mit den fortschrittlichsten Künstlern, Dichtern und Kunsthändlern, mit denen er Umgang hatte, wachsen konnte.

Sein erster Aufenthalt in Paris war ein solcher Schock, dass er monatelang nicht gemalt hat", erinnert sich Juncosa mit Blick auf die achtzig Werke in der Ausstellung "Joan Miró. Absolute Realität. Paris, 1920-1945". – "In den Worten von André Breton, dem Begründer des Surrealismus, war für ihn die absolute Realität die Summe der äußeren Realität und der Realität der Träume, eine Synthese, die der Schöpfer herstellen musste", erklärt der Kurator, ehemals stellvertretender Direktor im Madrider Museum Reina Sofía und Verwandter des Künstlers.

Die Ausstellung beginnt mit einem Stillleben, einer Landschaft, einem Projekt für die Titelseite der Zeitschrift "L'Instant", dem Porträt einer spanischen Tänzerin und einem Selbstporträt. Alle diese Werke, die noch figurativ sind, stammen aus der Zeit vor der Pariser Periode und zeigen einen weniger bekannten Miró mit einer erstaunlichen Beherrschung der Farbe, die ihre spätere Verwendung erklärt.

Der Schnurrbart des Gentleman

miro003Ab 1924 erscheinen seine symbolischen Synthesen der Realität, die aufsteigende Wolke, um den Raucher darzustellen, der Schnurrbart mit einer Schnecke, die auch eine Augenbraue sein könnte, und das Wort "Yes", um den "Gentleman" zu malen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in Paris ansässig.

Er hatte ein Atelier in der Rue Blomet. Der Bildhauer Pablo Gargallo hatte es ihm geschenkt, Miró war Nachbar von André Masson, der bald zu einer der Größen des Surrealismus wurde. Miró war eher schüchtern, Masson das genaue Gegenteil. Dank ihm schloss Miró Freundschaft mit Schriftstellern wie Antonin Artaud, Raymond Roussel, Paul Eluard und Michel Leiris, die ihn stark beeinflussten und zu den Gedicht-Gemälden führten, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Seine Symbole wurden vereinfacht und auf dem Bild verstreut, als wären sie das Ergebnis von Improvisation. Nach einigen Reibereien mit Breton nannte dieser ihn "kindisch und oberflächlich", so Juncosa, "hielt ihn aber später für den surrealistischsten Künstler schlechthin".

Zwischen 1926 und 1927 wechselte Miró sein Atelier und seinen Stil. Als neue Nachbarn fand er herausragende Künstler wie Jean Arp, René Magritte und Max Ernst. Er malte großformatige Landschaften mit erkennbaren Elementen wie einem Hahn oder einem Hasen. Er wich von den üblichen Methoden der Darstellung und Ausführung ab. "Er wollte hässliche Bilder machen, mit den Konventionen der Schönheit brechen. Das ist es, was er mit seinem Ausdruck 'der Mord an der Malerei' meinte, obwohl viel über diesen Ausdruck und mit unterschiedlichen Bedeutungen geschrieben worden ist".

Die Ausstellung setzt sich über die 1930er Jahre fort, in denen er monströse Figuren in beunruhigenden Räumen malte, die seine Angst und Besorgnis über den Bürgerkrieg widerspiegeln, und endet mit den "Konstellationen" auf weißem Grund, die er in der Galerie von Pierre Matisse in New York ausstellte. Juncosa erinnerte sich daran, dass zahlreiche Vertreter des abstrakten Expressionismus anwesend waren, die das Geschehen auf diesen Bildern zur Kenntnis nahmen. Inspiriert von Paul Klee gelang es ihm, zu einer einfachen Magie zu gelangen. (2)

ANMERKUNGEN:

(1) “Joan Miro im Guggenheim Bilbao“, Kunstforum, 2023-02-06 (LINK)

(2) “Miró no aguantaba la Barcelona burguesa y buscó la salvación en París" (Miró hielt das bürgerliche Barcelona nicht aus und suchte sein Heil in Paris), Tageszeitung El Correo, 2023-02-08 (LINK)

ABBILDUNGEN:

(*) Joan Miró (guggenheim)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-02-12)

Für den Betrieb unserer Webseite benutzen wir Cookies. Wenn Sie unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, akzeptieren Sie unseren Einsatz von Cookies. Mehr Information