kokos1Ein Wiener Rebell im Guggenheim

Der "wilde" Oskar Kokoschka kommt ins Guggenheim. Das Genie, das mit seinen Fingern malte, das Museum stellt rund 90 Werke des historischen österreichischen Expressionisten aus. Er malte auch direkt mit der Ölfarben-Tube oder mit dem hölzernen Stiel des Pinsels und drückte damit eine Art des Malens in Freiheit aus. Kokoschkas Modelle mussten nicht still stehen. Er erlaubte ihnen, sich zu bewegen, zu sprechen, zu essen. Nur so konnte er sie kennenlernen, porträtieren und wieder zum Leben erwecken.

Die Ausstellung “Oskar Kokoschka. Ein Wiener Rebell“ (Un rebelde de Viena) ist im Guggenheim-Museum Bilbao zu sehen vom 17. März bis zum 3. September 2023.

Es war Oskar Kokoschka, der "wildeste Künstler", wie die Kritiker seiner Stadt Wien meinten, der sich selbst den Kopf kahlschor. Kokoschka malte bürgerliche Persönlichkeiten, Wissenschaftler und sogar eine Prinzessin der österreichisch-ungarischen Monarchie. Er wurde gefördert von Gustav Klimt, von dem er sich bald distanzierte. Tatsache ist, dass diese Jahre – die Zehnerjahre des 20. Jahrhunderts – in jeder Hinsicht wild waren. Es gab zahllose Künstler*innen, die mit der Vergangenheit brechen wollten. 1914 kam der Erste Weltkrieg mit Millionen von Toten und einem "allgemeinen" Schock, von dem auch Kokoschka betroffen war. Er nahm am Krieg teil, was er später bitter bedauerte. (1)

Wie die Guggenheim-Ausstellung "Oskar Kokoschka. Ein Wiener Rebell" (Un rebelde de Viena) zeigt, setzte der Maler sein Leben noch vor dem Ende des Weltkonflikts in Dresden fort, zunächst in einem psychiatrischen Krankenhaus und dann als Professor an der Hochschule für Bildende Künste. Danach reiste er durch Europa, Nordafrika und den Nahen Osten, mit der finanziellen Unterstützung des Galeristen Paul Cassirer.

Überlebensprobleme

kokos2Nach Cassirers Selbstmord im Jahr 1926 und der Wirtschaftskrise von 1929 hatte Kokoschka ernsthafte Probleme, seine Materialien zu bezahlen und zu überleben. Er suchte Zuflucht in Prag. Aber 1938 verließ er die Stadt wegen der Schikanen der Nazis. Er ging bis 1946 ins Exil nach England um sich anschließend in der Schweiz niederzulassen.

Die Ausstellung im Guggenheim Bilbo macht aus diesen Etappen jeweils Kapitel, mit entsprechenden Ausstellungs-Räumen. Die vom Guggenheim und dem Musée de l'Art Moderne in Paris organisierte Ausstellung versammelt rund neunzig Werke, Gemälde in verschiedenen Formaten und aus verschiedenen Epochen, die sich stilistisch unterscheiden. Daneben Zeichnungen und die stets spektakulären Aquarelle und Gouachen, wie das berühmte "Rettet die Kinder von Guernica". Es wurde nach der Bombardierung der baskischen Stadt gemalt und befindet sich sowohl in der Ausstellung als auch in der Sammlung des Museums der Schönen Künste in Bilbao.

Dieses Werk passt zu den Absichten der Ausstellung, Kokoschkas politische Seite hervorzuheben – die "aktivistische", wie das Guggenheim es nennt. Nichts könnte in seinem Fall deutlicher sein, auch wenn das Engagement in den turbulenten 1920er Jahren unter vielen Künstler*innen sehr verbreitet war. Einige, wie die italienischen Futuristen, setzten sich sogar mit dem Faschismus auseinander.

Die Ausstellung sprengt diesen Rahmen und gibt dem Besucher Zugang zu dem gesamten Künstler, dem Porträtisten von Menschen und Tieren (sein berühmter "Tigon" von 1926), sowie zu seinen Landschaften. Einige von ihnen erinnern an einen anderen Expressionisten, Wassili Kandinsky, dessen dunkelblauer Himmel bereits mehrfach im selben Museum ausgestellt wurde.

“Entarteter Künstler“

Bei der Pressevorstellung stand eines der Hauptgemälde, "Anschluss. Alice im Wunderland" im Mittelpunkt, ein Werk aus der allegorischen Serie, die in London gemalt wurde. Die Leinwand zeigt die Annexion Österreichs durch die Nazis, "wobei Wien brennt und niemand etwas dagegen unternimmt". Erklärt wurde auch, warum es in der Ausstellung so viele Selbstporträts gibt. "Seit dem Ersten Weltkrieg hat Kokoschka sich ständig selbst in Frage gestellt, und die Malerei war sein Medium dafür.

Auf einem der prominentesten Gemälde malt er sich selbst als “entarteten Künstler“, ein Etikett der Nazis, das die Todesstrafe bedeutete für jene, die nicht schnell genug flohen. Kokoschka wendet es in doppeltem Sinne auf sich selbst an: weil er zu den Expressionisten gehörte, die Hitlers Regime mit besonderer Hartnäckigkeit verfolgte, und weil er im Krieg von 1914 Jahren zu den Waffen gegriffen hatte. (1)

Biografisches

kokos3Ein Jahr nach Oskar Kokoschkas Geburt siedelte die Familie nach Wien. Kokoschka besuchte die Staatsrealschule, frühe noch erhaltene Zeichnungen und Aquarelle stammen aus dieser Zeit. Er wurde gefördert und besuchte von 1905 bis 1909 die Kunstgewerbe-Schule in Wien und wurde von den Arbeiten von Vincent van Gogh geprägt. Den zu jener Zeit noch vorherrschenden Jugendstil lehnte er ab. Seine frühen expressiven Porträtgemälde fanden guten Absatz, nicht zuletzt bei deutschen Museen. 1910 übersiedelte er nach Berlin, im Juni 1911 stellte sein Mäzen Paul Cassirer zum ersten Mal Kokoschkas Werke aus: 30 Gemälde und acht Illustrationen.

Der Sammler Karl Ernst Osthaus holte die Ausstellung später in sein privates Folkwang Museum in Hagen. Osthaus erwarb in dieser Zeit das Porträt der Herzogin Victoria de Montesquiou-Fézensac, das den Titel “Eine preciöse Frau“ trägt. Dieses erste Bild Kokoschkas, das in ein Museum gelangte, wurde 1923 mit dem ganzen Folkwang-Museum nach Essen verkauft. Als Werk der “Entarteten Kunst“ wurde das Gemälde 1937 in Zürich versteigert und gelangte in die USA, wo es seit 1983 zur Sammlung des Cincinnati Art Museum gehört.

Liebes-Kreativität

1911 kehrte Kokoschka nach Wien zurück. Im selben Jahr befreundete er sich mit Alma Mahler, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler. Ab 1912 lebte er mit ihr zusammen, seine dreijährige heftige und besitzergreifende, aber letztlich unerfüllte Liebe brachte verschiedene bedeutende Kunstwerke hervor. Ein leidenschaftlicher Briefwechsel zeugt von den extremen Gefühlslagen der beiden. Kokoschkas Malerei wandelte sich in dieser Zeit: er arbeitete mit breiteren Pinselstrichen und mit ungewöhnlichem Material aufgetragenen Farben. Im Herbst 1913 begann Kokoschka mit Hingabe an einem Bild mit dem Titel “Tristan und Isolde“ zu arbeiten, in dem er seine komplizierte Liebe zu Alma Mahler verewigen wollte.

1914 wurde Kokoschka Mitglied der Freien Secession Berlin. Alma Mahler wurde schwanger und trieb das Kind gegen den Willen Kokoschkas ab, was zu der für ihn schweren Trennung führte und weitreichende Folgen hatte. Er meldete sich 1915 als Freiwilliger zum Ersten Weltkrieg und wurde in der Ukraine durch Kopfschuss und einen Bajonettstich in die Lunge schwer verwundet. Der Kopfschuss zerstörte seinen Gleichgewichtssinn. Durch glückliche Umstände kam er zu seiner Truppe zurück, er überstand die Verwundungen und war 1916 als Kriegsmaler an der Front tätig. Noch während des Krieges veröffentlichte er zwei Lithografie-Zyklen.

Dresden und Reisen (1917–1931)

kokos41917 (noch während des Krieges) siedelte er nach Dresden, von 1919 bis 1926 arbeitete er als Dozent an der Kunstakademie. Der Direktor der Dresdner Gemäldegalerie nahm Kokoschkas Werke in seine Sammlung auf und verschaffte dem Künstler einen großen Auftritt im deutschen Pavillon der 13. Biennale 1922 in Venedig. 1924 ließ sich Kokoschka von der Professur freistellen, um eine internationale Karriere zu starten. In den folgenden Jahren unternahm er ausgedehnte Reisen durch Europa, Nordafrika und Gebiete um das östliche Mittelmeer, die ihn zu zahlreichen Städteporträts und Landschaftsbildern inspirierten. 1931 kehrte Kokoschka nach Wien zurück, hatte Ausstellungen in Paris und Wien und pendelte zwischen beiden Orten.

Exil in Prag (1934–1938)

Ab 1933 wollte Kokoschka fest in Wien leben, doch sah er sich durch den Aufstieg des Nationalsozialismus gezwungen, noch im selben Jahr nach Prag zu flüchten, wo er seine spätere Frau Olda Palkovská kennenlernte. 1935 erhielt er die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Die Nationalsozialisten diffamierten Kokoschka als “Entartetster unter den Entarteten“, er galt als Hitlers “Kunstfeind Nr. 1“. 1937 wurde der Oskar Kokoschka Bund in Prag gegründet, um dem nazi-deutschen Kunsttreiben entgegenzuwirken. Man veranstaltete Ausstellungen und Künstlerfeste. Neben Ausstellungen von “Entarteter Kunst“ veranstaltete Kokoschka auch Ausstellungen von sudeten- und reichsdeutschen Künstlern. Auch eine Ausstellung Freie Deutsche Kunst fand zusammen mit dem Pariser Deutschen Künstler Verein in Paris im Sommer 1938 statt.

Exil in England (1938–1953)

kokos5Nach der Mobilmachung in der Tschechoslowakei im Mai 1938 flüchtete Oskar Kokoschka erneut, diesmal nach Großbritannien, da seine als “entartete Kunst“ diffamierten Werke von den Nationalsozialisten aus den Museen entfernt und teilweise zerstört wurden. Insgesamt 417 Gemälde wurden konfisziert. Im englischen Exil unterhielt Kokoschka enge Kontakte zu den österreichischen Exil-Organisationen Free Austrian Movement und Young Austria. Er schrieb Aufsätze für Exilzeitungen und stellte sich als Redner für Ausstellungs-Eröffnungen zur Verfügung. 1941 heiratete er Olda Palkovská in einem Luftschutzkeller in London. Um den Angriffen der deutschen Luftwaffe zu entkommen, zogen Kokoschka und Olda nach Cornwall.

Hier entstanden die Bilder “Das rote Ei“ (1940) und “Anschluss – Alice im Wunderland“ (1942), deren Erlös er dem Free Austrian Movement spendete. Im Februar 1947 (nach dem Krieg) erhielt er die britische Staatsbürgerschaft und führte seine ersten großen Ausstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Zürich und Basel durch. 1975 nahm er wieder die österreichische Staatsbürgerschaft an.

Villeneuve (1953–1980)

1953 gründete Kokoschka die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg. Ebenfalls 1953 übersiedelte er in die Schweiz nach Villeneuve am Genfersee. Es folgten Reisen sowie verschiedene Retrospektiven seines Werkes, unter anderem in der Schweiz, Österreich und Japan. Oskar Kokoschka beteiligte sich als Mitglied des Deutschen Künstlerbundes von 1952 bis 1955 an dessen Jahres-Ausstellungen. Er war Teilnehmer der documenta 1 (1955), der documenta II (1959), und der documenta III im Jahr 1964 in Kassel.

ANMERKUNGEN:

(1) “Llega al Guggenheim el ‘salvaje’ Kokoschka, el genio que pintaba con los dedos” (Ins Guggenheim kommt der "wilde" Kokoschka, das Genie, das mit seinen Fingern malte), El Correo, 2023-0316 (LINK)

(2) Oskar Kokoschka (Wikipedia, stark gekürzt) (LINK)

ABBILDUNGEN:

(*) Oskar Kokoschka (guggenheim)

(PUBLIKATION BASKULTUR.INFO 2023-03-31)

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